Marken-Award 2020: Nachhaltig schlummern mit dem Grüezi bag

Die Schlafsäcke des bayerischen Outdoor-Spezialisten Grüezi bag verbinden Funktionalität und Umweltbewusstsein. Damit war das Unternehmen in der Kategorie "Beste Nachhaltigkeitsstrategie" nominiert. Der Erfinder der jungen Marke, Markus Wiesböck, hat 20 Jahre lang am Grüezi bag getüftelt und wurde für seine Idee, seine Beharrlichkeit und seinen Unternehmergeist mit dem "Sonderpreis der Jury" ausgezeichnet.
Gründer Markus Wieböck: Seit 30 Jahren treibt ihn die Suche nach dem perfekten Schlafsack um. (© Grüezi)

Der Durchschnittsverbraucher weiß nur wenig über Schlafsäcke, er ahnt nicht einmal, was man alles wissen kann. Markus Wiesböck dagegen hat Schlafsäcke seit vielen Jahren zu einem regelrechten Forschungsgegenstand werden lassen, der ihn nicht mehr loslässt. Wie warm, wie weich, wie schwer sollten sie sein, um den Wanderer nach anstrengendem Tagespensum geschützt und wohlig schlummern zu lassen? Und wie kann man dafür sorgen, dass sie reißfest, schmutzabweisend, formbeständig, anschmiegsam und geruchsecht sind?

Die Grundkenntnisse eignete sich der Rosenheimer an, als er eine Ausbildung in der Schlafsackabteilung von Karstadt absolvierte. „Die besten Lehrer waren die Kunden“, erinnert sich der heute 49-Jährige. „Sie haben ihre Wünsche und Meinungen geäußert und ich habe sie abgespeichert.“ Wiesböck eröffnete 1996 sein erstes eigenes Sportfachgeschäft, natürlich ebenfalls mit einer riesigen Schlafsackauswahl.

Erste Schlafsäcke in Handarbeit gefertigt

Aber so richtig war der passionierte Globetrotter nicht zufrieden mit dem, was am Markt erhältlich war. 2007 beschloss er daher, Schlafsäcke nach eigenen Vorstellungen selbst anzufertigen, zunächst in Handarbeit. Aber schnell war klar: Um relevante Mengen herzustellen, musste eine professionelle Produktion her. 2011 reiste Wiesböck nach China, um nach entsprechenden Partnern zu suchen, was nicht einfach war. Aber nach einigen vergeblichen Anläufen wurde er fündig. 2013 fiel der Startschuss für die bayerische Marke Grüezi bag, beheimatet in Bad Feilnbach im Voralpenland. Ein Jahr später kam Wiesböcks erster Daunenschlafsack auf den Markt („Mein Meisterstück!“), an dessen genauer Zusammensetzung er fast 20 Jahre getüftelt hatte. 

Mit fast missionarischem Eifer arbeitete er in der Folge weiter daran, mit den Widrigkeiten aufzuräumen, die das Schlafsack-Erlebnis trüben können. So kommt es häufig vor, dass das Klima nicht stimmt – zuerst schwitzt man, und dann ist es zu kalt. Oder man hat mit Feuchtigkeit zu kämpfen. 2016 begann Grüezi bag, Schlafsäcke mit Wolle zu füllen, die die Temperatur ausgleicht und Feuchtigkeit absorbiert („Schlafen wie auf Woll-ken“). Zur noch besseren Isolierung entwickelte Wiesböck dann eine Verbindung aus Wolle und Daune, die DownWool. Mit den beiden nachwachsenden Materialien legte er das Fundament für das ambitionierte Nachhaltigkeitskonzept des jungen Unternehmens.

Fast vollständig biologisch abbaubar

Die Marschrichtung seitdem: Das Material soll komplett natürlich und nach Möglichkeit biologisch abbaubar sein. Das Problem nur: In der Outdoor-Branche sollen die Stoffe möglichst robust und gleichzeitig leicht sein – das ist meist nur mit synthetischem Material möglich. Zudem sind nicht alle „grünen“ Lösungen betriebswirtschaftlich machbar, weil auch bei Öko-Käufern die Preistoleranz begrenzt ist. Also verlegte sich Grüezi bag auf eine Politik der kleinen Schritte: Augen offen halten, hier Zugeständnisse machen, da voranpreschen. Auf diese Weise entstand der erste Schlafsack aus 100 Prozent natürlichen Materialien, der Biopod DownWool Nature. Es folgte der Biopod DownWool Ice CompostAble, der fast vollständig biologisch abbaubar ist und sich bei industrieller Kompostierung nach 200 Tagen aufgelöst hat. Theoretisch könnte man ihn auf dem häuslichen Komposthaufen entsorgen. Darüber hinaus bedeutet Nachhaltigkeit aber auch lange Lebensdauer: Die Schlafsäcke können bei den Service-Partnern des Unternehmens mit DownWool nachgefüllt und im Bedarfsfall repariert werden.

So viel Engagement blieb nicht unbeachtet: Das fünfköpfige Team von Grüezi bag heimste bereits diverse Branchen- und Design-Awards ein. Aber wichtiger ist natürlich, dass die Marke bei anspruchsvollen Käufern einen guten Klang hat. Grüezi bag verkauft im deutschsprachigen Raum und in den Beneluxländern rund 12.000 Schlafsäcke jährlich. In den nächsten Jahren soll der Vertrieb auf weitere Länder wie Norwegen und die USA ausgeweitet werden. Erhältlich sind die Produkte neben dem Fachhandel in Onlineshops wie zum Beispiel www.gz-bag.de oder www.bergfreunde.de.

Deal in der „Höhle der Löwen“ abgelehnt

Und was läuft im Marketing? Der Schwerpunkt liegt auf der B-to-B-Kommunikation: Das Nischenprodukt Schlafsack muss dem Outdoor-Fachhandel gut verständlich gemacht werden. Hinzu kommen die Kontaktpflege zu Bloggern, Gewinnspiele, Händler-Events und kreative Posts in den sozialen Medien – unter anderem wurden schon über 50 Youtube-Videos gedreht. Und auf Instagram zählt die Marke knapp 2700 Follower.

Massig PR gab’s vor allem, als Wiesböck mit seinem Konzept 2016 in der Vox-Start-up-Show „Die Höhle der Löwen“ auftrat. Die Juroren waren sehr angetan und wollten sich auch beteiligen, Ralf Dümmel verdoppelte sogar sein Angebot. Aber der Grüezi-Gründer entschied sich doch dazu, das Unternehmen allein weiter voranzutreiben.

Und er hat immer wieder neue Ideen: Aktuell wird der erste Stoff aus Maisblättern entwickelt. Dabei behält Wiesböck immer seine Mission im Blick: „Wir machen Schlafsäcke für Menschen, für einen besseren Schlaf“, sagt er. Und betont: „Nachhaltige Schlafsäcke machen wir für mich. Ich mag die Erde.“

*Der Artikel wurde am 18.5. veröffentlicht und am 29.5. geändert.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.