Manipuliert die ARD ihre Markenchecks?

Die ARD hat eine einstweilige Verfügung kassiert. Der Sender soll in seiner Dokumentation über den Onlinehändler Amazon Fakten gedreht und Beweise gefälscht haben. Mit seinen Markenchecks macht sich die ARD regelmäßig zum Anwalt der Verbraucher und überprüft die Machenschaften großer Konzerne. Shitstorms und Aufrufe zu Kaufboykotten sind oftmals die Folge der Dokumentationen. Sollten die Vorwürfe gegen die ARD stimmen, ist ihr Image nachhaltig beschädigt.

Im Februar hat die ARD in ihrer Fernseh-Doku „Ausgeliefert! Leiharbeit bei Amazon“ die Arbeitsbedingungen beim Online-Versandhändler Amazon angeprangert. Die Reporter berichteten über Wachpersonal aus dem rechtsradikalen Umfeld, über Arbeitnehmer ohne Kündigungsschutz und Mitarbeiter, die in überfüllten Baracken leben müssen. Es folgte ein Sturm der Entrüstung im Internet und in den Medien. Selbst Arbeitsministerin Ursula von der Leyen nahm sich dem Fall an.

Jetzt steht die ARD selbst im Kreuzfeuer. Das Leipziger Job-Touristikunternehmen CoCo hat am vergangenen Freitag eine einstweilige Verfügung gegen die ARD erwirkt. Das Unternehmen ist für die Unterbringung der Amazonmitarbeiter zuständig. Ihr Vorwurf: Die ARD habe unzulässige Schmähkritik an CoCo geübt. In der Doku verwendeten die Redakteure die Aussage, die Mitarbeiter von Amazon würden in ihren Unterkünften „abgefertigt wie Schweine“, die Unterkünfte seien heruntergekommen. Der Keller eines Hotels, der in der Doku gezeigt wurde, um diese Aussagen zu untermauen, existiere jedoch gar nicht, so das Touristikunternehmen.


Die absatzwirtschaft berichtet regelmäßig über die Markenchecks bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern.

Unter anderem sind folgende Artikel erschienen:

>>>Der „i“-Virus – Wie Apple uns emotional herausfordert

>>>Tui wehrt sich gegen ARD-Markencheck
>>>Der ADAC – kein gelber Engel, aber guter Pannenhelfer und Berater in der Not
>>>Edeka und Rewe im Markencheck: Ein besseres Gefühl beim Einkaufen?
>>>Wie Philip Morris mit Marlboro, L&M und Chesterfield die Jugend verführt
>>>NDR-Matratzencheck – Schlechte Beratung bei Ikea, Matratzen Concord und Co.


Die ARD darf nun ihre Doku in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr zeigen, urteilte das Landgericht Hamburg. Die Kritik an der ARD geht allerdings deutlich weiter. Bereits kurz nach der Ausstrahlung kamen Zweifel an der Recherche der Redakteure auf. Die Fakten seien zu einseitig. Eine Protagonistin sagte bereits einen Tag nach Ausstrahlung, sie sei bewusst mit falschen Aussagen zitiert worden.

Vor dem Landgericht soll die ARD nun selbst eingeräumt haben, manipuliert zu haben. „Eine im Film als Beweis für die behaupteten Missstände als Screenshot gezeigte E-Mail war fingiert, die angebliche polnische Zeugin frei erfunden“, werden die Anwälte von Coco zitiert. Zudem habe der Hessische Rundfunk, bei dem die Dokumentation entstanden ist, mitgeteilt: „Dass eine Frau Agnieszka Lewandowska niemals als Leiharbeiterin bei Amazon beschäftigt war, ist richtig“.

Zweifel an Qualitätsjournalismus

Die ARD-Markenchecks waren echte Quotenbringer für die ARD. Jedoch nahm auch immer mehr die Kritik an dem Format zu. Der Reiseveranstalter Tui, der ebenfalls im Zentrum einer Dokumentation stand, wehrte sich gegen die Reporter. Diese hätten gezielt Schwachpunkte gesucht und Tatsachen falsch dargestellt. Kunden sprangen Tui bei. Bei anderen Markenchecks wie dem „Apple-Check“ wurde vor allem kritisiert, dass die Dokumentation flach und letztlich nicht informativ sei. Verbraucher stellten im sozialen Netz die Frage, wie qualitativ hochwertig es beispielsweise sei, wenn Reporter iPhones zum Test in Biergläsern versenken würden nur um zu sehen, ob es danach noch ginge.

Für die ARD könnte die Abmahnung für die Amazon-Dokumentation schwerwiegende Folgen haben. Es geht um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit des Formates und des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Sender. De Facto gibt es inzwischen nur noch wenige Inseln des engagierten, verbrauchergetriebenen, aufgeklärten Journalismus im deutschen Fernsehen. Die öffentlich-rechtlichen Sender unterscheiden sich in diesem Punkt wenig von privaten Programmen.

Nun hat ein Autorenteam offenkundig angefangen Fakten zu drehen, Falschaussagen zu verbreiten, E-Mails und Protagonisten zu erfinden und somit das gesamte Genre in Verruf gebracht. Damit bedienen die Autoren lediglich Klischees, die mancher Zuschauer gegen Internetunternehmen, wie Amazon, hat, manipuliert allerdings gleichzeitig das Marktgeschehen. Die Dokumentationen hatten bisher eine hohe Glaubwürdigkeit. Darum rannten auch nach der Amazonfolge die Verbraucher Sturm gegen das Unternehmen und schadeten diesem. Das Vertrauen zwischen Zuschauern und dem Sendeformat ist nun erschüttert. Es bleibt die Frage, wo siriöser und objektiver Verbraucherjournalismus demnächst stattfinden wird – eigentlich ist dies eine der Kernaufgaben der öffentlich-rechtlichen Programme.. (ak)