Maggi und O2 zeigen wie digitale Markenführung funktioniert

Namhafte deutsche Marken sind Vorreiter in Sachen digitaler Markenführung und Onlinekommunikation. Von O2, Maggi und der Sparkasse können andere Unternehmen viel lernen. Eine Studie zeigt, wie Manager Marken im digitalen Zeitalter positionieren sollten und vom Austausch mit ihren Kunden profitieren können.

Soziale Netzwerke haben den direkten Kontakt von der Filiale und der Telefonhotline ins Internet gehievt und damit die Massen mobilisiert. Alleine Facebook hat in Deutschland mehr als 24 Millionen Nutzer. Auf Twitter gibt es laut einer neuen Studie des Blogs Webevangelisten in Deutschland 825 000 aktive Accounts – dazu zählen alle, die mindestens einen Tweet pro Woche absondern.

Nur Unternehmen, die dieses Potenzial erkennen und nutzen, persönliche Kundenbeziehungen im Netz pflegen und Inhalte informativ und unterhaltsam aufbereiten, können ihre Marken erfolgreich durch das digitale Zeitalter steuern – so wie O2. Der Mobilfunkanbieter ist Deutschlands digitaler Markenchampion. Das bestätigt die Studie „Digital Brand Champion“ der Strategieagentur diffferent. Sie untersucht im Wesentlichen vier Aspekte: erstens die Kommunikation mit den Kunden, zweitens die Relevanz und die benutzerfreundliche Aufbereitung der Inhalte.

Drittens: Ist die Marken-Botschaft schlüssig und kanalübergreifend vernetzt? Viertens: Erkennt und nutzt die Marke neue Internet-Trends?
Auf Platz zwei landete Automobilhersteller Volkswagen, der vor allem dank dem Aufgreifen neuer Online-Trends punktete, gefolgt von Audi, der mit einer guten Mischung aus Information und Unterhaltung beeindruckte.

Kosmetikmarken abgeschlagen

Auch insgesamt konnten die Branchen Telekommunikation und Automobil am besten abschneiden. Marken aus der Kosmetikbranche tun sich im Internet dagegen weiterhin schwer (siehe Tabelle Seite 86). Zwar konnte zum Beispiel die Haarpflegemarke Schauma beim Kriterium Benutzerfreundlichkeit der Homepage überzeugen, im Gesamtranking reichte es trotzdem nur für Platz 47.

„Professionell geführte Marken vernachlässigen keine digitale Kategorie“, sagt Jan Pechmann, Geschäftsführer der Marken-Agentur diffferent. „Wichtig ist darüber hinaus eine gute Vernetzung aller Situationen, in denen der Konsument mit der Marke in Berührung kommt – also von der Web-Site über das Regal im Supermarkt oder das Werbeplakat an der Bushaltestelle bis hin zu den sozialen Netzwerken.“

Sieger O2 schafft genau das: Die Marke ist auf allen relevanten Online-Kanälen vertreten, für Verbraucher attraktiv, die Web-Site gut zu bedienen. Besonders beeindruckte O2 die Juroren, weil es die Kunden intensiv in seinen Innovationsprozess einbindet.

Auf der konzerneigenen Plattform Ideenforum haben seit ihrem Start im November 2010 Verbraucher mehr als 1300 Vorschläge für neue Produkte oder Dienstleistungen gemacht und Verbesserungen angeregt. Nutzer Cop-Tom schrieb zum Beispiel: „Es wäre sehr schön, wenn man auf dem Handy eine bestimmte Nummer wählt und der Verbrauch der Inklusivminuten und der verschickten SMS wird angesagt.

„Diese Idee fand in der Internet-Gemeinde viele Fürsprecher. Etwa 330 Kommentare und Anregungen später verkündete der O2-Forenmoderator: „Heute ist es so weit. Die Umsetzung steht vor der Tür.“

Damit ist sie eine von 74 verwirklichten Kundenideen, die das Ideenforum bislang hervorgebracht hat. Der Initiator bekam zur Belohnung ein elektronisches Gerät im Wert von etwa 100 Euro, und auch die Verbraucher sind zufrieden. „Diese Beteiligung bringt die Kunden dazu, sich mit der Marke zu identifizieren, weil sie die Angebote aktiv mitentwickeln“, sagt O2-Marken-Manager Alexander. „Das schafft Nähe und bindet den Verbraucher an die Marke.“

Nischen in der Kommunikation besetzen

Kein einfacher Job, denn „Kunden haben vielleicht ein inniges Verhältnis zu ihrem Handy, aber nicht zu ihrer SIM-Karte“, sagt Marketingprofessor Skibicki von der Cologne Business School. Deshalb positioniert sich O2 als Experte für alle Fragen rund um den Mobilfunk. „Dadurch“, sagt Skibicki, „schafft die Marke beim Verbraucher Vertrauen.“

Etwa über die Internet-Videos der sogenannten O2-Gurus – junge Mitarbeiter des Konzerns, die neueste Handymodelle oder Apps vorstellen. Die erklären, wie man das Datenroaming im Ausland abschaltet oder wie Handynutzer drahtloses Internet auf verschiedenen Endgeräten installieren. Die Angebote von O2 spielen dabei oftmals nur eine untergeordnete Rolle.

„Platte Werbebotschaften bringen eine Marke nicht ins Gespräch. Menschen reden mit Freunden und Verwandten über wahrhafte und unterhaltsame Informationen und suchen diese im Internet“, sagt Alexander. Zum Beispiel über Google: Durchschnittlich eine Million Anfragen pro Monat bei der Suchmaschine im Beobachtungszeitraum von Juli 2011 bis Juni 2012 sprechen für Mobilfunkanbieter O2. Damit spielen die Münchner laut der Studie von diffferent in einer Liga mit Apple.

Umso erstaunlicher ist es, dass der kalifornische High-Tech-Gigant beim Gesamtranking unterdurchschnittlich abschneidet. Geschlagen von Florena, einer Marke für Körperpflege aus dem Hause Beiersdorf, und ganze 30 Plätze hinter Dauerkonkurrent Samsung. Doch dass eine der wertvollsten Marken der Welt es im Internet nur auf Platz 46 schafft, ist nicht auf schieres Unvermögen zurückzuführen, sondern Ergebnis einer bewussten strategischen Entscheidung. Apple verzichtet nicht nur auf eine eigene Facebook-Seite, der Elektronikkonzern erteilt Verbrauchern, die sich mit vermeintlichen Verbesserungsvorschlägen ans Unternehmen wenden, per se eine Abfuhr.

„Viele Menschen, die Apple-Produkte besitzen, haben eine Art religiöses Verhältnis zu der Marke“, sagt der Kölner Marketingprofessor Skibicki. „Apple gibt sich exklusiv, geradezu mysteriös. Die Verbraucher sollen den Produkten hinterherlaufen, nicht umgekehrt.“

Mach es wie Maggi

Traditionsmarke Maggi ist da weitaus offener: Für sie ist das Internet ein Segen, denn übers Kochen reden die Menschen viel und gerne. Dank der Maggi-Kochstudios vor Ort kennt sich das Unternehmen mit direktem Kundenkontakt bestens aus. „Social Media ist für uns nur ein neuer Weg des Dialogs – mit dem Vorteil, dass die einzelnen Dialoge auf einmal für viele sichtbar werden“, sagt Ingo Schäfer, Leiter Marketing Kommunikation bei Maggi.

Der Fertigsuppenspezialist bietet seinen Fans die Möglichkeit, sich auf der Homepage zu registrieren und darüber personalisierte Angebote abzurufen. Hobbyköche können zum Beispiel eine eigene Rezeptsammlung erstellen oder Zutaten, die sie nicht mögen, auf eine schwarze Liste setzen, um manche Gerichte von vorneherein auszuschließen. Das Social-Media-Team des Unternehmens kann seinen Kunden außerdem Rezeptvorschläge schicken, die genau zu deren personalisierten Profilen passen – und so eine Art persönliche Beziehung zu den Interessenten aufbauen.

Auf Kundenanfragen via Internet reagiert Maggi überdurchschnittlich schnell. Jeder kann Rezepte und Produkte bewerten oder kommentieren und sofort via Facebook oder Twitter mit all seinen Freunden teilen. Da sich Menschen bekanntlich selten zu Wort melden, solange es ihnen schmeckt, sondern eher, wenn die Suppe zu salzig ist oder der Dosierverschluss der Soßenflasche tropft, scheint diese Transparenz gefährlich. „Mir ist es aber lieber, die Leute meckern auf unserer Homepage über Maggi, und wir bekommen es mit, als wenn sie am Stammtisch schimpfen, unser Produkt nicht mehr kaufen und ich die Gründe dafür nicht kenne“, sagt Maggi-Markenmann Schäfer.

Sparkasse kommuniziert in Rekordzeit

Dass sie auf die digital geäußerte Meinung ihrer Kunden Wert legt und unter guter Kundenbindung nicht nur den Plausch in der Filiale, das Verwalten von Sparbüchern oder das Aufstellen von Geldautomaten versteht, beweist auch die Sparkasse.

Kein Unternehmen beantwortet die Fragen seiner Kunden so schnell wie das Finanzinstitut mit dem roten „S“. Zwei Stunden brauchte sie, um auf eine Anfrage zu reagieren, die sie über die Web-Site ereilte. Über den Twitterkanal dauerte es vier Stunden – beides Bestwerte.

Volle Punktzahl gab es bei diesem Indikator für alle klassischen E-Mails, die innerhalb der ersten zwölf Stunden nach der Anfrage den Kunden erreichten. Auf Facebook oder Twitter musste die Marke innerhalb von sechs Stunden antworten, um die volle Punktzahl abzuräumen. Denn auf den sozialen Plattformen ticken die Uhren doppelt so schnell.

Der Lohn: Mit Platz 15 im Gesamtranking muss die mit einem eher biederen Image behaftete Sparkasse von den Konkurrenten aus der Finanzbranche nur der Deutschen Bank den Vortritt lassen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken landen dagegen abgeschlagen auf Rang 48.

Flott war die Sparkasse auch beim Erkennen neuer Online-Trends. Schon im Jahre 2006 eröffnete sie einen eigenen YouTube-Kanal, 2008 kam Twitter hinzu.

Passende Kanäle erkennen

Bebe Young Care setzt im Kontakt mit seinen Kunden neben Facebook vor allem auf das Netzwerk SchülerVZ. Was für viele andere Unternehmen keinerlei Mehrwert hätte, passt bestens zur Kernzielgruppe des Kosmetikherstellers: stark internetaffine Frauen zwischen 13 und 25 Jahren. So gelingt es der Kosmetikmarke so gut wie keiner anderen, zur Markenbotschaft passende Inhalte zu präsentieren und auf den digitalen Kanälen einen hohen Wiedererkennungswert zu kreieren. Dafür sorgt zum Beispiel der einheitliche Auftritt auf Facebook, SchülerVZ und der eigenen Web-Präsenz.

Dort werden regelmäßig Erlebnisse einer Mädchenwohngemeinschaft weitergesponnen, die seit Jahren über die Mattscheibe flimmern. Für die Bebe-WG können sich junge Kundinnen bewerben. Einmal eingezogen, testen sie Bebe-Produkte und tauschen sich mit anderen darüber aus. „Die WG spiegelt unsere Markenwerte optimal wider“, sagt Bebe-Marketing-Managerin Myriam Thiel. „Und das Format ist emotional sehr positiv besetzt.“

Auch die Verbindung zwischen realer Welt und Online-Marketing funktioniert bei der rosa Kosmetikmarke aus dem Hause Johnson & Johnson hervorragend. Neueste Marketingmasche, mit der Bebe potenzielle Kundinnen in die Läden lockte: eine App, mit der über 10 000 Produkte verlost wurden.

Wer mit seinem Smartphone bestimmte Bebe-Produkte einscannte, erhielt anschließend auf seinem Display ein virtuelles Rubellos. Mit nur einem Klick konnten die Gewinnerinnen ihr Glück sogar via Facebook teilen. In diesem sozialen Netzwerk hat die Bebe Young Care immerhin etwa 56 000 Fans.

Social Media verjüngt Image

Zahlen, die Audi längst hinter sich gelassen hat: 720 000 Facebook-Fans hat der sportliche Autobauer – so viel wie keine andere der untersuchten Marken. Ein nicht zu unterschätzender Faktor, wie eine Studie der Agenturen Pilot und Zucker. Kommunikation ergab: Demnach bewerten Facebook-Fans ihre Lieblingsmarke sympathischer, vertrauenswürdiger und moderner als Menschen, die dort nicht aktiv sind.

Der Blick auf die Audi-Gemeinde belegt die Vermutung: Etwa zehn Prozent der auf Facebook registrierten Audi-Fans posten regelmäßig Fotos, kommentieren Pinnwandeinträge und stellen Fragen an das Audi-Team. Der Grund laut Markenexperten der Agentur diffferent: Audi bereitet die Inhalte im Netz hervorragend auf.
Die dort vom Unternehmen verbreiteten Informationen sind top-aktuell, haben einen hohen Informationsgehalt, und das Lesen macht nebenbei auch noch Spaß. Interessierte finden sowohl technische Details, Preise oder mögliche Sonderausstattung für alle aktuellen Modelle vom A1 bis zum R8, aber auch spielerische Elemente.

Virtuelles Händchen beweisen

Die Vorstellung des neuen Audi A3 auf der Homepage beispielsweise lässt sich per Web-Cam steuern. Die Hand des Users wird von der Kamera erfasst, und mit einer seitlichen Bewegung kann der silberne A3 auf dem Bildschirm gedreht werden. Legt der Nutzer seine Hand virtuell auf den Türgriff, geht es in den Innenraum des Fahrzeugs, wo es noch weitere Details zu entdecken gibt.

Um zu wissen, was bei den Besuchern der digitalen Kanäle ankommt, untersucht Audi ihr Verhalten genau. Wie kommunizieren sie auf den verschiedenen Plattformen? Wo halten sich die Nutzer besonders lange auf? Welche Seiten klicken sie kaum an? Je nachdem wie die Antworten ausfallen, ändern Lothar Korn, Leiter Marketing Kommunikation bei Audi, und sein Team Inhalte oder bauen die Homepage um.

Seit einigen Monaten etwa finden Internet-Nutzer alles rund ums Thema Motorsport direkt in der horizontalen Navigationsleiste auf der Startseite von Audi. Früher war diese beliebte Rubrik in Unterkategorien versteckt, die Kunden konnten die für sie so attraktiven Informationen nur nach langer Suche finden.

„Die Web-Site ist enorm wichtig“, sagt Audi-Markenexperte Korn. „Denn sie ist zu 90 Prozent der erste Kontaktpunkt zwischen Audi und unseren potenziellen Kunden.“ Was nicht nur für Audi gilt. Auch Unternehmen, deren Zielgruppen heute noch wenig mit E-Mail-Marketing, Online-Gewinnspielen und webbasierten Kundenbefragungen zu tun haben, müssen sich umstellen. „Tun sie das nicht“, prognostiziert Marketingprofessor Skibicki, „sterben sie gemeinsam mit ihrer Zielgruppe aus.“

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