Start-up-Serie Hamburg: Machen statt schnacken

In Hamburg gibt es wenige Partypreneure. Denn hier muss sich schnell zeigen, ob eine Geschäftsidee trägt – keine Zeit und kein Geld für wilde Eskapaden à la Berlin. Eine Start-up-Spezialität der Hansestadt sind die zahlreichen Spieleschmieden. Teil fünf der absatzwirtschaft-Serie

 Gamesbranche hat die meisten Mitarbeiter

Und welche Branche ist am stärksten vertreten? Laut „Startup Monitor“ sind die Gamer in Hamburg führend: „Die Gamesbranche ist zwar die Branche mit den meisten Mitarbeitern – derzeit stellt die Gamesbranche mit 25 Prozent die größte Anzahl an Mitarbeitern im Hamburg „Startup Monitor“. Das liegt jedoch an den Flaggschiffen Innogames und Goodgames Studios – aber sie steht auch vor großen Herausforderungen wie wir in den vergangenen Monaten aus der Presse erfahren mussten“, sagt Gritzuhn. Vor Kurzem gaben die Gründer des Hamburger Spieleentwicklers Goodgames Studios die Führung ab – zuvor war bekannt geworden, dass Hunderte Mitarbeiter gehen müssen. Das Hamburger Unternehmen Innogames jedoch zog einen Riesendeal an Land und verkaufte Anteile an den schwedischen Entertainmentkonzern MT. Der gibt der Spieleschmiede 91 Millionen Euro und bekommt dafür 35 Prozent der Anteile, mit einer Option auf die Übernahme der Mehrheit im kommenden Jahr. Innogames wurde von den beiden Brüdern Eike und Hendrik Klindworth sowie Michael Zillmer schon 2003 in Hamburg eher als Hobby gegründet. Innogames ist ein Spieleentwicklerstudio von Onlinespielen, bei dem heute 400 Mitarbeiter tätig sind.

Foodies entdecken Hamburg für sich

Neben dieser Branche steigt noch eine andere gerade das Treppchen bergauf. Die Foodies entdecken Hamburg für sich – als perfekten Standort. Mit dem Hafen als Tor zur Warenwelt und den Obst- und Gemüseanbauflächen im Süden sind sie ihren Rohstofflieferanten sehr nah. Zudem verfügt Hamburg über eine zahlkräftige und experimentierfreudige Verbraucherschaft, die neue Food-Produkte gern testet, weiß Gritzuhn. Nicht ohne Grund ist Hamburg der Eintrittsmarkt für den Getränkemarkt. „Wir vermuten über 90 Food- und Beverage-Start-ups in Hamburg, wovon bereits über 60 bei uns im Monitor verzeichnet sind.“ Obwohl die Finanzierung in allen Branchen eher schleppend vorangeht, haben die Food-Start-ups einen großen Vorteil: Gemeinsam mit der stetig wachsenden Kundencommunity sammeln sie Startkapital gern über Crowdfunding-Aktionen ein. In Hamburg gegründet werden auch Lieferservices wie Frischepost oder Eatclever. Sie sorgen dafür, dass die hochwertigen oder lokal produzierten Nahrungsmittel zum Konsumenten kommen. Doch die große Herausforderung bleibt die Kapitalbeschaffung. Food, Handwerk, und so weiter gelten auf dem Investorenmarkt noch nicht als „sexy“. „Tech-Start-ups haben es hier leichter. Dies liegt zum einen am Hype um erfolgreiche Apps und Plattformen, zum anderen natürlich auch an der Skalierbarkeit. Produzierendes Gewerbe hat es hier immer schwieriger“ sagt Daniel Plötz, Co-Founder von 1337mate, einer „Nerdlimo“, wie er selbst im Interview mit Hamburg-Startups.net sagt.

Ohne anfängliche Finanzierung kein Erfolg

Die Hansestadt hat nur dann eine Chance gegen Städte wie Berlin, wenn Venture Capitals bereit sind zu investieren und in guter Kaufmannstradition neuen Geschäften eine Chance geben. An der Elbe fehlen sowohl engagierte Angels als auch Seed-VCs, meint Karsten Schwaiger, im Medien-Amt der Hamburger Senatskanzlei zuständig für die Entwicklung der Techszene. Gerade Business Angels wollen ihr Geld gut angelegt sehen und investieren gerne in gute Geschäftsmodelle. Sie setzen darauf, dass die erworbenen Unternehmensanteile aufgrund eines guten Geschäftsverlaufs erheblich an Wert gewinnen und sie nach ein paar Jahren ihre Anteile mit Gewinn verkaufen können. Sehen die Business Angels dieses Potenzial nicht, lassen sie lieber die Finger davon.

„Die Suche nach Kapital ist eine Herausforderung. Wenn es mit dem Seed Capital geklappt hat, dann ist die Anschlussfinanzierung noch in weiter Ferne“, erklärt Tobias Seikel, verantwortlich für die operative Führung des Inkubators und das übergreifende Projektmanagement bei Hanse Venture, einer der größten Company Builder in Hamburg. „Unsere Stadt ist noch nicht auf der Landkarte der internationalen VCs. Das heißt, wer hier gründet, will das wirklich. Viele der Hamburger Gründer sind businessgetrieben und denken ganz schnell an ein funktionierendes Geschäftsmodell, weil sie es müssen.“ Gegründet wurde Hanse Venture von Jochen Maaß, Bernd Kundrun und Rolf Schmidt-Holtz. Heute finanziert sich der Inkubator über die Verkäufe der Anteile an den Start-ups, bisher in Form sogenannter Secondaries.

Laut Handelskammer und Gründungsbarometer vom April 2016 gehen die Gründungen in Hamburg leicht zurück. Was sind dafür die Gründe? „Bei den Zahlen stellt sich zunächst die Frage, über welche Art von Gründungen wir hier sprechen? Wenn man die Gründungen von Start-ups nach der Definition des Bundesverbandes Deutscher Start-ups (BVDS) betrachtet (nicht älter als zehn Jahre, innovativen Charakter und spalierfähiges Geschäftsmodell), dann sehen wir für Hamburg, dass sich die Zahl der Gründungen laut Monitor gegenüber dem Vorjahr sogar verstärkt hat.“ Hier müssen digitale Start-ups und klassische Existenzgründungen getrennt werden. Das Gründungsbarometer trennt diese beiden Gruppen nicht voneinander. Das lässt vermuten, dass das Wachstum nicht unbedingt im Bereich der digitalen Start-ups zurückgegangen ist, sondern in traditionelleren Bereichen. Für das nächste Jahr glauben die Start-up-Experten an wachsende Zahlen: „2016 hängt zwar mit 91 Gründungen noch etwas hinterher, aber erfahrungsgemäß tragen sich die Start-ups, die im Vorjahr gegründet wurden, auch immer noch im neuen Jahr ein“, weiß Sina Gritzuhn. Der Trend zeigt daher für 2017 eher Wachstum. Hamburg wird immer sichtbarer auch für internationale Investoren, die Szene arbeitet hart daran, den Mittelstand mit Start-ups in Kontakt zu bringen und Hamburg interessanter für internationale Fachkräfte zu gestalten. Es scheint also voranzugehen