Kundenorientierung als Lippenbekenntnis?

Alle Unternehmen schreiben sich Kundenzentrierung auf die Fahnen, aber viele Kund*innen wähnen sich in einer anderen Realität. Eine Studie untersucht, wie Unternehmen Kundenwissen in ihrem Strategieprozess nutzen. Ein Gastbeitrag der Studienmacher*innen.
Wer die Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt stellt, agiert langfristig erfolgreicher. (© Unsplash/Afif Kusuma)

In den meisten Unternehmen herrscht weitgehend Konsens über die Relevanz einer markt- und kundenorientierten Unternehmensführung. Tatsächlich begegnet man auch keinem Unternehmen, das von sich behauptet würde, nicht kundenorientiert zu sein. Gleichzeitig berichten aber immer wieder viele Kundinnen und Kunden von Ereignissen mit Unternehmen, die alles andere als kundenorientiert sind. Offensichtlich besteht also ein deutlicher Bruch zwischen Selbstbild und Fremdbild.

Dieser Bruch beginnt zumeist damit, dass viele Unternehmen keine klare Vorstellung von den Kundenbedürfnissen haben. Dies bezieht sich nicht auf offensichtliche Faktoren wie gute Qualität und ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis. Vielmehr geht es um solche Themen, die die Kundinnen und Kunden in ihrem Alltag beschäftigen und aus denen sich Erwartungen an Unternehmen bilden, die nicht auf den ersten Blick klar sind. Die Frage liegt somit auf der Hand, wie Unternehmen überhaupt die Kundenbedürfnisse erfassen und wie sie diese in für die Gestaltung des Kundenerlebnisses und in die Strategieentwicklung nutzen.

Mit diesen Fragestellungen beschäftigt sich eine Unternehmensbefragung, die Prof. Bruhn & Partner in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer Baselland durchgeführt hat. Zunächst wurden Tiefeninterviews mit Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern von KMUs aus unterschiedlichen Branchen geführt und anschließend 275 Unternehmen in einer Online-Befragung intensiv analysiert.

Orientierung an Kundenbedürfnissen ist zentraler Treiber

Die Ergebnisse bestätigen den Gap zwischen kommunizierter Relevanz von Kundenzentrierung und der tatsächlichen Umsetzung. So sind 90 Prozent der Unternehmen der Überzeugung, dass die Orientierung an den Kundenbedürfnissen für ihren Geschäftserfolg der zentrale Treiber ist. Allerdings nutzen weniger als die Hälfte der Unternehmen Kundenwissen, um Entscheidungen bezüglich des Geschäftsmodells zu treffen oder ihre Strategie weiterzuentwickeln.

Quelle: Studie „Transformation und Kunden­zentrierung“

Zusammengefasst lassen sich fünf zentrale Erkenntnisse aus der Studie ableiten:

  1. Alle Unternehmen befinden sich im Wandel: Die befragten Unternehmen sehen sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Ob Megatrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit oder spezifische Themen wie Kommerzialisierung des Servicegeschäfts und Direct-to-Consumer Vertriebsstrukturen: die strategische Agenda ist gut gefüllt. Bei allen Herausforderungen sehen die Unternehmen aber optimistisch in die Zukunft und sind überzeugt, dass sie die Aufgaben erfolgreich meistern werden, wenn auch mit großen Anstrengungen.
Quelle: Studie „Transformation und Kunden­zentrierung“
  • Kundenwissen ist eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche strategische Entwicklung: Die große Mehrheit der Unternehmen bewertet das Eingehen auf die Kundenbedürfnisse als zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Strategien. Die Studie kann diesen Zusammenhang auch statistisch belegen: Die High-Performer in Punkto Kundenzentrierung sind deutlich erfolgreicher als die Low-Performer.
  • Die Potenziale einer systematischen Erhebung von Kundenwissen werden nicht ausgeschöpft: In vielen Unternehmen wird Kundenwissen jedoch nicht systematisch erhoben und ausgewertet. In erster Linie kommen interne Quellen und klassische KPIs zum Einsatz. Professionelle Kundenbefragungen und statistische Methoden, die strategische Fragestellungen prüfen können, werden nur von wenigen Unternehmen eingesetzt.
  • Kundenwissen fließt nicht in die Organisation zurück: In vielen Fällen geht das erhobene Kundenwissen verloren und verschwindet irgendwo in Abteilungen. Damit geht eine große Chance verloren, unternehmensweit ein Gespür für die Kundenbedürfnisse zu entwickeln und die gesamte Organisation kundenzentriert auszurichten.
Quelle: Studie „Transformation und Kunden­zentrierung“
  • Die meisten Barrieren sind hausgemacht: Die größten Herausforderungen für die Implementierung von Strategien und eine professionelle Auseinandersetzung mit den Kundenbedürfnissen sind zeitliche Engpässe, eine Verzettelung mit zu vielen Projekten und fehlende fachliche Kompetenzen. Die Unterstützung durch externe Experten könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten, wird von einem Großteil der Unternehmen aber nicht in Anspruch genommen.

Die gesamte Studie finden Sie hier.

Prof. Manfred Bruhn ist Mitglied der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel sowie Gründer und Gesellschafter der Prof. Bruhn & Partner AG (Basel und Stuttgart).

Dr. Mareike Ahlers ist Expertin für Kundenzentrierung und Ermittlung von Kundenwissen. Sie ist Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Prof. Bruhn & Partner AG.