Konsumstau: Sparquote in Deutschland auf Rekordniveau

Ökonomisch ist es die Frage aller Fragen: Wann erholt sich die deutsche Wirtschaft von den Folgen der Corona-Pandemie – und wie schlimm sind die Blessuren? Ein Faktor dürfte sich dabei abermals als wichtige Stütze erweisen.
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Verbraucher in Deutschland: Daten zum Sparverhalten und zur Kaufkraft deuten auf einen riesigen Konsumstau hin, der sich im kommenden Jahr auflösen könnte. (© Imago)

Die Verbraucher in Deutschland dürften beim konjunkturellen Aufstieg aus dem tiefen Corona-Tal eine entscheidende Rolle spielen – wie auch in den Boom-Jahren vor der Pandemie, als der private Konsum jahrelang eine der wichtigsten Stützen für Europas größte Volkswirtschaft war. Daten zum Sparverhalten und zur Kaufkraft der Verbraucher in Deutschland deuten auf einen riesigen Konsumstau hin, der sich im kommenden Jahr auflösen könnte.

Sparquote erreicht 2020 Rekordwert

Nach Einschätzung des Bankenverbands BVR dürfte die Sparquote hierzulande im laufenden Jahr den Rekordwert von rund 17 Prozent erreichen. Auf Jahressicht werden die privaten Haushalte in Deutschland demnach von 100 Euro verfügbarem Einkommen etwa 17 Euro auf die hohe Kante legen. Das ist selbst bei den notorisch sparsamen Verbrauchern in Deutschland soviel wie noch nie: Die bislang höchsten Sparquoten in Deutschland wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 1991 und 1992 mit jeweils 12,9 Prozent gemessen. 2019 waren es 10,9 Prozent.

Die gestiegenen Sparguthaben vieler Verbraucher dürften nach BVR-Einschätzung den Konsum nach der Corona-Krise anschieben. „Nach Überwindung der Corona-Pandemie besteht die Chance, dass die Bundesbürger ihre Sparrücklagen verstärkt für Konsum nutzen“, erklärte der Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Martin, Anfang der Woche. Im dritten Quartal 2020 lag die Sparquote nach BVR-Angaben bei 16,2 Prozent und damit deutlich über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Im Sommer des laufenden Jahres war die Sparquote in Deutschland sogar auf 21,1 Prozent geklettert.

Kaufkraft steigt in der Corona-Krise

In die gleiche Richtung zeigen Berechnungen des Nürnberger Konsumforschungsunternehmens GfK, nach denen die Kaufkraft der Verbraucher in Deutschland in der Corona-Krise steigt: GfK prognostiziert für Deutschland für das Jahr 2021 eine Kaufkraftsumme von knapp 1966 Milliarden Euro, mit pro Kopf 23.637 Euro 2,0 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Corona-Krise hat Einfluss auf die Kaufkraft, den Erkenntnissen der GfK zufolge aber unterschiedlich stark in den einzelnen Regionen. So sei Berlin – bezogen auf die Kaufkraft – am wenigsten von der Pandemie betroffen, das baden-württembergische Tübingen dagegen am meisten. Die privaten Konsumausgaben stehen in Deutschland für gut die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung.

Wirtschaftswachstum von vier Prozent

Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird sich die Konjunktur in Deutschland Ende 2021 von der Corona-Krise erholt haben. Für das bald beginnende neue Jahr rechnet das arbeitgebernahe Institut mit einem Wirtschaftswachstum von vier Prozent, nach einem Minus von 5,25 Prozent in diesem Jahr. Voraussetzung sei aber, dass die Impf-Offensive gelingt und Konsumenten und Investoren Zuversicht gewinnen, betonte das IW in seiner am Dienstag veröffentlichten Prognose.

„Wenn das Impfen gut anläuft und die Infektionszahlen sinken, werden die Menschen zuversichtlicher und konsumieren und investieren mehr“, sagte IW-Direktor Michael Hüther laut Mitteilung. „Setzt sich die Entwicklung erfolgreich fort, erreicht die deutsche Wirtschaft schon Ende des kommenden Jahres wieder ihr Vorkrisenniveau.“ Die Hoffnung auf bald verfügbare Corona-Impfstoffe hellt derweil die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten im Dezember deutlich auf. Das Stimmungsbarometer des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW erhöhte sich gegenüber dem Vormonat um 16,0 Punkte auf 55,0 Zähler, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung mitteilte.

Konjunkturprogramm stabilisiert Wirtschaftslage

Bis zur Erholung der Wirtschaft helfen staatliche Finanzspritzen über das Schlimmste hinweg. Nach Einschätzung des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stabilisiert das Konjunkturprogramm der Bundesregierung bereits jetzt die Wirtschaftslage und dürfte mittelfristig das Wachstum anschieben, wie es in einer DIW-Untersuchung im Auftrag des Finanzministeriums heißt. Das Papier liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Die schwarz-rote Koalition hatte sich im Sommer auf ein mehr als 130 Milliarden Euro schweres Paket unter anderem mit geringerer Mehrwertsteuer, Hilfen für Kommunen und Zuschüssen für Familien verständigt. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaftsleistung dadurch in diesem Jahr um 1,3 und im kommenden Jahr um 1,5 Prozent höher liegt als in einem Szenario ohne Konjunkturpaket.

Wirtschaftsminister Altmaier rechnet mit Einbruch um 5,5 Prozent

Die Bundesregierung geht derzeit davon aus, dass die deutsche Wirtschaft 2020 deutlich schrumpft, im kommenden Jahr aber wieder Fahrt aufnimmt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geht für 2020 von einem Einbruch um 5,5 Prozent aus. Dieser wäre mit der historischen Rezession 2009 infolge der globalen Finanzkrise vergleichbar. Damals wurde ein Minus von 5,7 Prozent verzeichnet.

Nach Einschätzung des DIW wird das Konjunkturpaket vor allem mittelfristig helfen. Zwar ziele der Großteil der Maßnahmen wie Überbrückungshilfen und Subventionen darauf ab, Unternehmen kurzfristig zu entlasten. Doch rentiere sich das Programm durch Investitionen in Höhe von rund 45 Milliarden Euro vor allem in den Jahren bis 2024. Bis dahin generiere eine öffentliche Mehrausgabe von einem Euro rund 1,1 Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung.

he/dpa