Kommentar zu Online-Retouren: Von wegen bequem

Natürlich kann man im Netz auch am Sonntagabend einkaufen, wenn die meisten Geschäfte geschlossen sind. Aber die Lieferung kommt doch frühestens am nächsten Tag. Und wenn niemand zu Hause ist, steigt der Aufwand für den Kunden noch einmal. Warum das schöne Shopping-Erlebnis manchmal trügerisch sein kann.
Einkaufen im Internet kann bequem sein. Das ändert sich, wenn das Paket bei der Post abgeholt oder als Retoure zurückgebracht werden muss. (© imago/Westend61)

Onlineshopping kennt keine Öffnungszeiten. Wirklich nicht? Die kleine gelbe Karte im Briefkasten beweist das Gegenteil: „Sie können Ihre Sendung am nächsten Werktag im Paketshop abholen“, steht darauf. Darunter die Öffnungszeiten, zum Beispiel Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr, Samstag von 10 bis 13 Uhr. Ganz schön weit weg von 24/7  – also 24 Stunden an sieben Tagen die Woche verfügbar.

Die Frage der Paketshop- oder Post-Öffnungszeiten stellt sich den Kunden oft noch ein zweites Mal: wenn sie ihre Retouren zurückbringen müssen. Wie eine aktuelle Studie der Uni Bamberg zeigt, sind die Deutschen wahre Retourenweltmeister. Jedes sechste Paket tritt die Rückreise zum Versender an; bei Bekleidung und Schuhen sogar fast jede zweite Bestellung. Im vergangenen Jahr waren das insgesamt 280 Millionen Pakete oder fast 500 Millionen retournierte Artikel.

Rücksendungen belasten das Klima erheblich

Das ist eine enorme Belastung für das Klima – und auch eine zusätzliche Herausforderung für die Logistikbranche. Es ist längst überfällig, dass die Politik bessere Arbeitsbedingungen für die Paketfahrer durchsetzt.

Dadurch werden sich zwangsläufig auch die Kosten für die Versandhändler erhöhen. Schon heute müssen sie mehr als fünf Milliarden Euro allein für die Retouren aufwenden. Sie holen sich einen Teil dieses Geldes vom Kunden zurück: durch höhere Preise oder Versandkosten. Die Retouren sind meist kostenfrei – vor allem bei den großen Händlern wie Amazon oder Otto. Doch das muss nicht auf ewig so bleiben.

Am Ende spielt es keine Rolle, ob es nun das ökologische Gewissen oder ökonomische Interessen sind, die Verbraucher nachdenklich werden lassen. Vielleicht steht am Ende die Einsicht, dass es in diesem oder jenem Fall bequemer ist, statt zweimal zum Paketshop lieber einmal in die Innenstadt zu gehen. Dort kann man nach wie vor Artikel anschauen, anfassen und anprobieren und hat am Ende die große Freiheit: kaufen oder einfach im Laden liegen lassen.

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Er hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.