Klare Ansage bis nach unten

Lässt sich das Vertriebstraining hierzulande auf den chinesischen Markt übertragen? absatzwirtschaft online sprach mit Personalentwickler Alexander Wacker über die Aussichten, für den chinesischen Markt Top-Verkäufer zu gewinnen und an das Unternehmen zu binden.

Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt

absatzwirtschaft: Herr Wacker, die Dr. Thorsten Bosch AG coacht Geschäftsführer, Bereichs- und Vertriebsleiter, sowie Vertriebsmannschaften, insbesondere deutscher Handelsunternehmen. Nun haben Sie den Versuch unternommen, Ihre Trainingskonzepte auf den chinesischen Markt zu übertragen. Ist das überhaupt ohne weiteres möglich?

Alexander Wacker: Vertriebsverantwortliche von Handelsunternehmen in China stehen häufig vor der Aufgabe große Verkaufsmannschaften mit sehr heterogener Ausbildung in kürzester Zeit auf ein hohes Niveau in der Verkaufsgesprächsführung zu bringen. Durch das chinesische Schulsystem, aber auch historisch-kulturelle Gegebenheiten bringen Kandidaten oftmals keine Vorbildung oder Erfahrung im Verkaufsbereich mit. Dazu kommt, dass Vertriebsmanager mit einer enorm hohen Fluktuation kämpfen. Mit klassischen Trainingsmethoden zum Beispiel Seminaren können Sie hier wenig erreichen.

absatzwirtschaft: Was raten Sie?

Wir setzen seit Jahren in vielen Projekten auf ein Mix in unseren Trainings. Auf Präsenzparts, die die Anwendung trainieren, und auf die Wissensvermittlung in Selbstlernphasen, für die wir eine eigene, sehr spielerische und interaktive Software einsetzen. Damit lassen sich große Verkaufsteams gleichzeitig schulen, und die Trainingszeiten/-kosten um 40 Prozent verkürzen. Über eine Datenbankanbindung ist sogar das Erfolgscontrolling des Lernerfolgs möglich.

absatzwirtschaft: In einer Marktforschungsstudie in Kooperation mit der Chinese Academy of Sciences Peking und der Ludwig-Maximilians-Universität München hatten Sie das Feld zuvor beleuchtet. Welche Erkenntnisse der Studie waren Ihnen neu? Sind chinesische Partner überhaupt bereit für Qualifizierungsmaßnahmen?

Alexander Wacker: Wir hatten unser Konzept zunächst einfach eins zu eins synchronisiert. Die Studie sollte aufzeigen welche Anpassungen gegenüber dem erfolgreichen Konzept in Deutschland notwendig sind. Dazu interviewten wir Vertriebsmanager der obersten Ebene, Verkäufer und Kunden. Anschließend folgten Pilottrainings mit einigen chinesischen Unternehmen im Automobil-, Textil- und Versicherungshandel.

absatzwirtschaft: Haben Sie Unterschiede feststellen können?

Alexander Wacker: Trotz größter sprachlicher und kultureller Unterschiede ist der Ablauf von Verkaufsgesprächen sehr ähnlich. Durch Wissenstest fanden wir heraus, dass chinesische Mitarbeiter durch eine vergleichsweise stärkere Strukturierung der Inhalte und weniger Selbstbestimmung optimal lernen. Allerdings sind in China Investitionen in Humankapital nicht üblich. Vermutlich durch die Austauschbarkeit der Ressource Mensch. Ein „Nichtfunktionieren“ mündet schnell in der Kündigung und Neubesetzung der Position, und ist auch Ursache für die überaus hohe Fluktuation. Zudem ist für Chinesen „Verkaufen“ eine Fähigkeiten, die der Mensch besitzt, die weder explizit zu lernen noch zu verbessern ist.

absatzwirtschaft: Sprechen wir hier auch von Beratung?

Alexander Wacker: Die Person des Verkäufers ist, das belegen unsere Kundeninterviews, oftmals reduziert auf einen reinen „Warenausgeber“, der Kunden bestenfalls noch bei der Suche nach dem gewünschten Produkt hilft. Das Verkaufspersonal übernimmt dabei aber keinerlei Ratgeberfunktion. Das Potential einer kundenorientierten Verkaufsgesprächsführung im Hinblick auf eine mögliche Steigerung des Umsatzes, das Potential von Zusatzverkäufen, Cross-Selling oder Kundenbindung scheinen Verkäufer im chinesischen Markt noch nicht zu kennen.

absatzwirtschaft: Wir hören in Deutschland immer von einem „chinesischen Führungsstil“, von einem eher militärischen Ton, quasi „top-down“. Ist das so? Und was bedeutet das für den Vertriebsleiter einer deutschen Firma und seinen Versuch Verkaufspersonal zu qualifizieren?

Alexander Wacker: Der militärische Führungsstil in vielen chinesischen Unternehmen existiert tatsächlich. Er täuscht aber darüber hinweg, dass die Führungsstrukturen oftmals unklar sind, die damit verbundene Definition der Zuständigkeiten und Aufgaben nicht vorhanden ist und sich Führungskräfte für ihre Mitarbeiter im Sinne von Qualifizierung nicht verantwortlich fühlen.
Einem Vertriebsleiter können wir nur empfehlen, für klare Verhältnisse bis in die unterste Ebene zu sorgen. Nur so kann sichergestellt werden, dass es zu einem erfolgreichen Transfer der trainierten Inhalte in die tägliche Verkaufspraxis kommt.

absatzwirtschaft: Welche Handlungsempfehlungen geben Sie Managern und Vertriebsverantwortlichen, die mit der Ausbildung von Verkaufspersonal in China, betraut sind?

Alexander Wacker: In einem ersten Schritt sollten sie die Organisationsstrukturen definieren und Organigramme, Stellenbeschreibungen und Aufgabenprofile festlegen. Die Besonderheiten im Lernverhalten chinesischer Verkäufer machen eine sehr starke Strukturierung der Trainingsinhalte notwenig. Dabei sollte das operative Vertriebsmanagement die Durchführung der Trainings ebenso wie den Transfer in den Verkaufsalltag eng begleiten. Und es hat sich bewährt, bei Entlohnungssystemen neben den monetären Größen auch den Lernfortschritt als Bewertungsgrundlage einzubeziehen. Das sichert den kontinuierlichen Lernerfolg und bindet Mitarbeiter.

absatzwirtschaft: Wie erreichbar ist das Ziel, im chinesischen Personalumfeld „Verkaufstalente“ zu qualifizieren?

Alexander Wacker: Der Wettbewerbsdruck und die Erwartungen der Kunden werden auch in China schnell die serviceorientierte Beratung im Verkaufsgespräch entwickeln. Unsere Studie und die Ergebnisse unseres Pilottrainings zeigen, dass es auch in China gelingen kann, Personal im Verkaufsbereich zu qualifizieren. Klare Organisationsstrukturen, strukturierte Trainingsmaßnahmen und ein sensibles, operatives Managements sind kritische, aber nicht unlösbare Variablen, um die Verkaufsperformance zu steigern. Dabei bleibt es notwendig, die Leistung des Vertriebsteams kontinuierlich zu analysieren und Verkaufstrainings dementsprechend anzupassen.

Alexander Wacker ist Leiter Vertrieb und Marketing bei der Dr. Thorsten Bosch AG, einem Beratungsunternehmen mit Fokus auf Personalentwicklung und Qualifizierungsmaßnahmen.

www.bosch-ag.com