Kernmarken können von Ablegermarken profitieren

Große Unternehmen suchen ihr Heil mit neuen Marken, die ihre Herkunft verschleiern. Nach Informationen des Handelsblatts gibt es genug Beispiele für Hersteller, die neue Zielgruppen „undercover“ gewinnen wollen. Denn offenbar stoßen sie mit ihren etablierten Namen und Symbolen zunehmend an die Grenzen des Wachstums.

Danach werden in diesem Herbst bis dahin unbekannte Autos namens „Infiniti“ auf deutschen Straßen rollen. Was völlig neu erscheine, seien in Wahrheit allerdings Fahrzeuge von Nissan. Der japanische Autobauer versuche die bereits seit Jahren in den USA angebotene Luxusmarke nun auch in Westeuropa erfolgreich auf den Markt zu bringen. Wohlweislich werde eher verhalten kommuniziert, dass der Hersteller von Brot-und-Butter-Autos dahintersteckt. „Die Strategie, mit einer neuen Marke einen anonymen Vertriebsweg einzuschlagen, eröffnet vor allem großen Unternehmen die Chance, direkt und für die Kernmarke risikolos neuartige Konzepte zu testen, um sich damit weitere Märkte zu erschließen“, sagt Inga Wermuth, Inhaberin der Online-Datenbank „Slogans.de“. Ihrer Meinung nach brauche man sich über die neue Marktstrategie nicht zu wundern, weil sie in die Zeit passe: „In der Krise sucht jeder nach Nischen und Alternativen. Außerdem zeigt sich, dass Massenmärkte gesättigt sind. Kunden suchen eher nach Individualität und Qualität.“ Daher gelte es, das Know-how, über das ein Konzern verfügt, mit innovativen Ideen zu verknüpfen und eine neue Marke aufzubauen. Im Falle eines Misserfolgs nehme das Image der losgelösten Kernmarke dann nicht einmal Schaden. Ein Beispiel dafür sei die Kaffeehauskette Starbucks, die in Seattle still und leise Kneipen unter dem Namen „15th Avenue Coffee and Tea“ eröffnet hätte. Allein ein feiner weißer Schriftzug im Fenster verrate: „Inspired by Starbucks“. Laut Wermuth befreie das Unternehmen die eigene Marke gewissermaßen von sich selbst. Dabei gehe es nicht nur darum, durch mehr Kundennähe neue zu gewinnen, sondern auch darum, vorsichtig eine neue Markenstrategie zu testen.

Die Marke verstecken, um sie zu erneuern – das scheine gerade in stagnierenden Märkten ein Rezept werden zu wollen, um behutsam mit dem alten Image, mit alten Konzepten zu brechen oder wenigstens der Kernmarke neues Leben einzuhauchen. Ein solches Experiment habe auch Mercedes-Benz mit der Marke „Smart“ gestartet. Lange ein Milliardengrab sollen die sparsamen Kleinstwagen das Image des Konzerns nun als zeitgemäße Ökomobile aufpolieren. „Wenn eine Marke an die Grenzen ihrer Dehnung stößt, muss man zweifelsohne etwas tun“, sagt Henrik Sattler, Direktor des Instituts für Marketing und Medien an der Universität Hamburg. „Eine neue, von der alten losgelöste Marke zu etablieren, wäre eine Möglichkeit“, sagt er. Allerdings sei dies nicht ohne Risiko. Faktisch führe diese Strategie zu einer problematischen Vermehrung von Marken, wobei Verbraucher in dem Wust schnell die Orientierung verlieren könnten. Insofern müsse der Schritt vorher gut überlegt werden.

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