„Keine ferngesteuerten Wesen“: Rentenversicherung darf Influencerin nicht als Arbeitnehmerin einstufen

Die Rentenversicherung wollte die Tätigkeit einer Youtuberin als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einstufen. Eine Kanzlei empfand diese Einstufung als ungerechtfertigt und legte Widerspruch ein – mit Erfolg.

Das Szenario klingt – für die heutige Zeit – ganz „normal“: Eine Youtuberin wird für eine Marketingkampagne engagiert und erscheint hierfür zu den Dreharbeiten. Dass sie für diese Tätigkeit finanziell entlohnt wird, scheint berechtigt. Nicht aber für die Deutsche Rentenversicherung Bund. Die witterte in der Social Influencerin eine neue Einnahmequelle und qualifizierte die Tätigkeit daher als abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Dies begründet die Rentenversicherung unter anderem damit, dass die Aufnahmen für die Kampagne in einem Studio des Auftraggebers erstellt wurden und die Youtuberin dem Auftraggeber während der Drehzeit exklusiv zur Verfügung stehen sollte.

Kanzlei legt Widerspruch ein

Die Kanzlei Höcker empfand diese Einstufung als ungerechtfertigt und legte Widerspruch ein. Mit Erfolg: Denn die Rentenversicherung nahm ihren Bescheid jetzt zurück und folgt somit der Auffassung der Kanzlei, dass eine Selbständigkeit nicht schon durch die Abhängigkeit vom technischen Apparat und die Einbindung in das Produktionsteam des Auftraggebers ausgeschlossen werden könne. Entscheidend sei, dass die Youtuberin im Rahmen der Produktion programmgestaltend tätig geworden sei. Sie sei aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und ihrer Persönlichkeit beauftragt worden. Außerdem sei die Produktion auch durch ihre Persönlichkeit geprägt worden. Eine Exklusivität während der Drehzeit führe überdies nicht dazu, dass eine ständige Dienstbereitschaft erwartet werde.

„Mit der Entscheidung folgt die Rentenversicherung Bund letztlich den Grundsätzen, die auch im Bereich der Film-und Fernsehproduktion gelten. Dies ist ebenso konsequent wie richtig“, sagt Sven Dierkes, Rechtsanwalt bei Höcker. Anzunehmen, Social Influencer seien ferngesteuerte Wesen, die willenlos den Vorgaben ihres Auftraggebers folgen, würde deren Tätigkeit dagegen nicht gerecht. „Der Erfolg von Influencern begründet sich regelmäßig gerade auf ihrer Authentizität. Authentizität kann aber nur vermitteln, wer die eigene Persönlichkeit einbringt, nicht wer sklavisch den Anweisungen Dritter folgt“, so Dierkes. Und auch, wenn die Tätigkeit von Influencern für Dritte nicht per se als selbständig zu qualifizieren sei, greife das Argument der Authentizität dennoch in den meisten Fällen. „Wenn im Vordergrund die Einbringung der eigenen Persönlichkeit steht, dürfte die Annahme einer abhängigen Beschäftigung meist ausscheiden. Das wird bei Influencern regelmäßig der Fall sein, da der Zweck ihrer Beauftragung zumeist in der Nutzung ihres authentischen Auftretens liegt“, so die Begründung.

Frei oder weisungsabhängig?

Auch Martin Gerecke, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS, kann aus Erfahrung bestätigen, dass Influencer in der Regel selbstständig arbeiten. Maßgeblich sei nicht, was die Parteien vertraglich vereinbart haben, sondern wie die Zusammenarbeit faktisch gelebt werde: „Hierbei spielen verschiedene Kriterien eine Rolle, vor allem aber die Frage, ob der Influencer weisungsabhängig agiert. Häufig sollen Influencer das Unternehmen nur per Hashtag einbinden, verlinken oder deren Produkt in irgendeiner Weise im Post positiv darstellen. In der restlichen Gestaltung des Beitrags sind sie frei. Wenn der Influencer dann auch noch die übrigen Umstände der Erstellung des Posts frei bestimmen kann – wie die Zeit oder den Ort –, spricht viel für eine selbstständige Tätigkeit“, erklärt Gerecke. Allein die exklusive Tätigkeit für ein Unternehmen sorge seiner Ansicht nach jedenfalls nicht für eine Arbeitnehmerstellung.