„Jeder sollte sich die Black List anschauen“

Das neu gefaßte Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nennt 30 Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen wettbewerbswidrig sind. Etwa der direkte Kaufappell an Kinder. Was Marketer sonst noch seit Jahresbeginn berücksichtigen sollten, erklärt Rechtsanwalt Dr. Matthias Schröder in einem Gespräch mit absatzwirtschaft-online.

Dr. Matthias Schröder ist Rechtsanwalt und Partner bei Menold Bezler Rechtsanwälte in Stuttgart.

Herr Dr. Schröder, noch kurz vor Jahresbeginn setzte der Gesetzgeber die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in deutsches Recht um. Betroffen sind Vertriebs- und Werbemaßnahmen von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. Definiert die neue Richtlinie wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken anders?

Dr. MATTHIAS SCHROEDER: Die gute Nachricht ist: Die Beurteilung, welche Werbung zulässig ist, ändert sich nicht grundlegend. In einigen Punkten sind die Maßgaben der EU aber strenger als das bisher geltende Wettbewerbsrecht: Wichtigste Neuerung ist die sogenannte „Black List“ im Anhang zum neuen UWG. Sie zählt 30 Geschäftspraktiken auf, die unter allen Umständen wettbewerbswidrig sind.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Danach liegt beispielsweise ein Wettbewerbsverstoß vor, wenn sich ein Kaufappell unmittelbar an Kinder richtet, was bislang nicht grundsätzlich der Fall war. Abzuraten ist deshalb jetzt etwa von Werbung in einer Jugendzeitschrift, die Kinder direkt dazu auffordert, selbst Klingeltöne zu kaufen oder ihre Eltern dazu zu veranlassen.

Wo sehen Sie weitere Verschärfungen?

Dr. MATTHIAS SCHROEDER: Eine Verschärfung bedeuten auch die weitergehenden Informationspflichten. Wettbewerbswidriges Verhalten besteht nicht nur im aktiven Tun, sondern auch im Unterlassen, insbesondere wenn Informationen vorenthalten werden, die wesentlichen Einfluss darauf haben, ob der Verbraucher ein Produkt kauft. So ist es beispielsweise unlauter, wenn ein Gartencenter nicht darauf hinweist, dass Pflanzen und Sträucher, die in unserem Umfeld nicht heimisch sind, nicht im Garten angepflanzt werden dürfen.

Was sollten Entscheider in Werbung und Marketing wissen, damit sie ihre Aktionen und Kampagnen rechtskonform gestalten?

Dr. MATTHIAS SCHROEDER: Jeder sollte sich die „Black List“ anschauen, die konkret aufzählt, was in jedem Fall verboten ist. Zwar führt die Auflistung zu mehr Transparenz, sie beschreibt unlautere Geschäftspraktiken aber nicht abschließend. Auch ist die Rechtsunsicherheit groß, weil noch offen ist, wie die neuen Regelungen und Begriffe, etwa die „fachliche Sorgfalt“ von Unternehmern, auszulegen sind. Klarheit wird es erst geben, wenn Gerichtsurteile diese näher definieren. Fragen, die Marketingverantwortliche künftig bei jeder Aktion beantworten müssen, sind: Welche Informationspflichten müssen wir wie erfüllen? Welche Eigenschaften sind wesentlich für die Kaufentscheidung und müssen somit zwingend erwähnt werden?

Sie beraten große und mittlere Unternehmen bei Marketing- und Werbekampagnen. Wie bewerten Sie die Neuerungen aufgrund der Richtlinie? Werden sie die kreativen Freiräume der Akteure in Marketing, Werbung und Vertrieb einschränken?

Dr. MATTHIAS SCHROEDER: Ja. Dafür werden vor allem die weitergehenden Informationspflichten sorgen. Sie entsprechen dem meines Erachtens bedenklichen und rückschrittlichen Trend im Verbraucherschutz zu immer mehr Belehrungen und Warnhinweisen, die ohnehin niemand liest. Um auf Nummer sicher zu gehen, werden die Unternehmen vorsichtiger formulieren. Der Kreativität und Spontaneität der Werbung dürfte das nicht dienlich sein.

Sehen Sie auch Vorteile?

Dr. MATTHIAS SCHROEDER: Ein wesentlicher Vorteil für international tätige Unternehmen ist die EU-weite Vollharmonisierung des Wettbewerbsrechts im Verhältnis zum Verbraucher (B2C). Von einigen Ausnahmen wie Finanzdienstleistungen oder Immobilien abgesehen, gibt es keinen Flickenteppich aus länderspezifischen wettbewerbsrechtlichen Regelungen mehr. Wenn Werbeaktionen im B2C-Bereich in Deutschland zulässig sind, dann sind sie es künftig prinzipiell auch in Frankreich oder Dänemark. Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt

Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen wettbewerbswidrig sind