Jagd auf digitale Top-Talente: Müssen Unternehmen heute völlig transparent sein?

Kontrollierte Transparenz ist in den Augen junger Top-Talente ein wichtiger Erfolgsfaktor. Unternehmen mit einer Kultur, in der Informationen frei fließen können und Vertraulichkeit die Ausnahme ist, profitieren ihrer Meinung nach langfristig. Leaders of Tomorrow fordern nicht völlige Offenheit, sondern wägen ab, welche Informationen nutzbringend geteilt werden können. Das „Global Perspectives Barometer 2017“ zeigt: Junge Top-Talente leben und erwarten kontrollierte Transparenz.
Wie wollen die Top-Talente von morgen arbeiten?

Mit der digitalen Revolution ist eine neue Gruppe entstanden, die mit der digitalen Welt aufgewachsen ist – die „Digital Natives“. Diese Generation wird auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger und hat vielfach andere Vorstellungen als vorherige Generationen. So fordern die jungen Top-Talente von Unternehmen ein offenes Arbeitsumfeld mit einem hohen Maß an Transparenz. Auf ihrer persönlichen Online-Präsenz geben sie eher kontrolliert Informationen preis, um sich auch für die Berufswelt zu positionieren. Das zeigt die Studie „Global Perspectives Barometer 2017 – Voices of the Leaders of Tomorrow“, die vom GfK Verein und dem St. Gallen Symposium durchgeführt wurde. Aus den Ergebnissen lassen sich vier Thesen ableiten:

These 1: Junge Top-Talente setzen auf kontrollierte Transparenz

Oft ist zu lesen, dass die junge Generation sehr naiv mit ihren persönlichen Daten im Internet umgeht. Das Global Perspectives Barometer zeigt für die Leaders of Tomorrow aber ein anderes Bild: Zwar teilt und verbreitet fast jeder der Befragten persönliche Informationen online. Sie sind dabei allerdings nicht sorglos, sondern entscheiden bewusst, welche Details sie veröffentlichen und welche nicht. Die Art der geteilten Informationen deutet auf den kontrollierten Aufbau eines professionellen Online-Auftritts hin. Neben (mindestens) einem fast obligatorischen Foto, das 93 Prozent der Befragten veröffentlichen, stehen berufliche Informationen im Vordergrund: 87 Prozent zeigen online ihren Bildungsweg, 76 Prozent ihre aktuelle Stelle und 71 Prozent Informationen über ihre berufliche Karriere. Intimere Informationen – etwa zur religiösen oder politischen Weltanschauung – werden sehr viel weniger mit der Online-Öffentlichkeit geteilt. Dabei achten die Leaders of Tomorrow darauf, die Kontrolle über ihre Daten zu behalten. Dazu legen 81 Prozent aktiv die Privatsphäre-Einstellungen für ihre Online-Profile fest, 74 Prozent unterscheiden bei ihren Online-Profilen zwischen persönlichen und professionellen Profilen.

These 2: Junge Top-Talente treiben die Machtverschiebung voran

Der Führungsnachwuchs teilt seine Erfahrungen als Arbeitnehmer ähnlich wie Kunden ihre Bewertungen zu Produkten oder Dienstleistungen abgeben. Mehr als die Hälfte der Befragten zeigt Bereitschaft, sich online über den Arbeitgeber zu äußern: 35 Prozent der Top-Talente mit Berufserfahrung haben sogar bereits ein online zugängliches Statement über einen ihrer Arbeitgeber verfasst, weitere 24 Prozent wären bereit dazu.

Auch die Informationsbeschaffung zu einem potentiellen Arbeitgeber verändert sich: Um sich über ein ihnen unbekanntes Unternehmen als Arbeitgeber zu informieren, ziehen die Leaders of Tomorrow vor allem die Meinung anderer Arbeitnehmer heran. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Nachwuchskräfte würden aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter kontaktieren oder Plattformen zur Arbeitgeber-Bewertung wie beispielsweise Kununu oder Glassdoor nutzen, um sich zu informieren. „Unternehmen haben damit teilweise die Kontrolle über ihr Image als Arbeitgeber verloren. Die relevantesten Informationen über einen möglichen Arbeitgeber werden heute durch die aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter geliefert, nicht durch die PR-Abteilung. Eine Arbeitgeber-Marke wird ganz klar durch die Mitarbeiter geprägt, also sollten diese gute Gründe haben, Positives zu ihrem Arbeitgeber zu erzählen“, erklärt Dr. Fabian Buder, der für die Studie zuständige Projektleiter beim GfK Verein.

These 3: Junge Top-Talente sehen Transparenz als Grundlage für zukünftigen Unternehmenserfolg

Die Führungskräfte von morgen schätzen ein transparentes Arbeitsumfeld mit freiem Zugang zu Informationen. Um diese Transparenz herzustellen, sind sie auch bereit, Informationen über sich und ihr Team zu teilen. Mehr als drei Viertel (77 Prozent) sagen, dass Unternehmen, die Informationen und ihr Wissen grundsätzlich intern offen teilen und nur explizit gekennzeichnete Informationen unter Verschluss halten, langfristig erfolgreicher sind. Fast zwei Drittel befürworten zudem eine offene Fehlerkultur und sind bereit dazu beizutragen: 65 Prozent geben an, Informationen zu Fehlern ihres Teams Mitgliedern der Organisation über das eigene Team hinaus zugänglich zu machen. 75 Prozent würden die Organisation auch über die Leistung ihres Teams informieren.

These 4: Junge Top-Talente als Whistleblower fordern

Trotz aller geforderten und gelebten Transparenz und der beachtlichen Bandbreite an Kommunikationsmitteln, um ein Unternehmen öffentlich bloßzustellen, würde ein Großteil (59 Prozent) der jungen Top-Talente unethisches Verhalten im Unternehmen zunächst nur intern zur Sprache bringen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) ist aber durchaus bereit, Informationen z. B. über ein selbst erlebtes schlechtes Arbeitsumfeld zumindest anonym zu veröffentlichen.

Zur Studie: Für das „Global Perspectives Barometer 2017 – Voices of the Leaders of Tomorrow“ wurden von Oktober 2016 bis Februar 2017 insgesamt 1.017 junge Talente aus 83 Ländern befragt. Die Teilnehmer der Online-Umfrage wurden aus dem weltumspannenden Netzwerk des St. Gallen Symposiums generiert und persönlich zur Studie eingeladen (Auswahl ist nicht repräsentativ). Das St. Gallen Symposium ist eine bald 50-jährige globale studentische Initiative zur Förderung des generationenübergreifenden Dialoges zwischen aktuellen und künftigen Führungskräften. Der Großteil der Befragten sind Studenten, die restlichen Teilnehmer sind z. B. Entrepreneure oder berufstätig. Die Studie ist eine Kooperation des GfK Vereins und des St. Gallen Symposiums.