Ist die eine oder andere Maßnahme doch zulässig?

Am ersten April diesen Jahres hat der Bundestag die Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) beschlossen. Auch wenn das Verfahren noch nicht endgültig verabschiedet ist, sollten sich Marketeers mit der Rechtslage auseinandersetzen.

Inhaltlich soll die durch die Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung im Jahre 2001 begonnene Modernisierung des Wettbewerbsrechts fortgesetzt werden. Nach Einschätzung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries wird dadurch nicht nur der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt, sondern auch ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Verbraucher gewährleistet. Abzuwarten bleibt, ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden können.

Gekennzeichnet ist das neue Gesetz dadurch, dass verschiedene restriktive Verbote der alten Gesetzesfassung ersatzlos gestrichen und Regelungen aufgenommen wurden, die die Interessen der Verbraucher schützen sollen. Dementsprechend enthält das neue Gesetz erstmalig eine Regelung dahin, daß das UWG ausdrücklich auch dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher dient. Allerdings sind – wie bisher – einzelne Verbraucher nicht berechtigt, Wettbewerbsverstöße auch zu verfolgen. Diese Befugnis steht nach wie vor den Wettbewerbern, aber auch Verbänden, insbesondere Verbraucherschutzverbänden und den Industrie- und Handelskammern zu.

Sonderveranstaltungen grundsätzlich zulässig

In der Öffentlichkeit fand zunächst die Abschaffung der bisherigen Regelung über die sogenannten Sonderveranstaltungen, das heißt der Schlußverkäufe, Jubiläumsveranstaltungen und weiteren außerge-wöhnlichen Verkaufsveranstaltungen (Räumungsverkäufe etc.) große Aufmerksamkeit. Während früher breite Preissenkungen nur alle 25 Jahre zur Feier eines Betriebsjubiläums, aus bestimmten Zwangslagen heraus zur Räumung eines vorhandenen Warenvorrates oder im Schlußverkauf und dann auch nur innerhalb genau bestimmter Zeiträume möglich waren, werden solche Aktionen nach der Neuregelung grundsätzlich zulässig sein.

Es dürfte dann ohne weiteres möglich sein, etwa zum Beginn der Gartensaison ganze Sortimente von Gartenmöbeln oder -geräten zu Sonderpreisen anzubieten, aus Anlaß von Betriebsjubiläen in jährlichen Abständen oder auch zu anderen Ereignissen (Fußball-Europameisterschaft; Olympiade) besondere Aktionen durchzuführen. Auch ohne solche Anknüpfungspunkte werden neben den auch weiterhin möglichen Sonderangeboten in bezug auf einzelne Waren Preissenkungen in breitem Umfang grundsätzlich nur noch von der freien Entscheidung des Unternehmers abhängig sein.

Zu beachten ist natürlich das auch weiterhin geltende Verbot der irreführenden Werbung, so daß kein „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ erfolgen kann, wenn das Geschäft tatsächlich fortgeführt wird. Aus dem gleichen Grund wird auch nicht mit „Preissenkungen“ geworben werden können, wenn es bei den „gesenkten“ Preisen um die Normalpreise handelt und die angeblich reduzierten Preise nicht tatsächlich für einen angemessenen Zeitraum verlangt worden sind.

Wie lange aber tatsächlich ein „angemessener Zeitraum“ ist, ist gesetzlich nicht festgelegt und wird im Einzelfall durch die Gerichte geklärt werden müssen. Weiterhin gilt auch das Verbot, Wettbewerbshandlungen vorzunehmen, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer durch unangemessenen unsachlichen Einfluß zu beeinträchtigen, so daß jede einzelne Maßnahme im Zweifel auch an dieser Regelung zu messen ist.

Cold Calling bei Privatpersonen weiterhin unzulässig?

Aktuell sorgt besonders das jetzt gesetzlich verankerte Verbot des Telefonmarketing gegenüber Pri-vatpersonen, die nicht zuvor ihr Einverständnis dazu erklärt haben, für Aufmerksamkeit. Nach der Begründung des Gesetzgebers waren Gründe des Verbraucherschutzes das tragende Motiv der Regelung, die das Telefonmarketing der strengen sogenannten „Opt-In“-Regelung unterwirft. Dies bedeutet, daß Privatpersonen nur dann zu Zwecken des Telefonmarketing angerufen werden dürfen, wenn sie zuvor ausdrücklich eingewilligt haben.

In den meisten anderen EU-Staaten gilt allerdings die liberalere und wirtschaftsfreundlichere Regelung des sogenannten „Opt-Out“, nach der zunächst jeder angerufen werden kann. Derjenige, der solche Anrufe nicht wünscht, kann dies im Verlaufe des Telefonats kundtun. Dieser Wunsch ist sodann zu respektieren, so dass nicht bereits der erste Telefonanruf zur Kontaktaufnahme mit dem potentiellen Kunden wettbewerbswidrig ist, sondern erst die folgenden, die sich über den erklärten Willen des Verbrauchers hinwegsetzen. Allerdings dürfte der erklärte Wille des Angerufenen stets nur gegenüber demjenigen wirken, dem gegenüber die Erklärung auch abgegeben worden ist, so daß im Zweifel gegenüber jedem anderen Anrufer erneut erklärt werden muß, daß solche Anrufe nicht erwünscht sind.

Die „Opt-In“-Regelung schützt die Verbraucher, indem deren Privatsphäre höher bewertet wird als die wirtschaftlichen Interessen der Anrufer. Gegen diese politische Entscheidung könnte eingewendet werden, daß inländische Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen, insbesondere EU-Nachbarländern benachteiligt werden. Andererseits betrifft die Neuregelung des UWG den Bereich des Telefonmarketing unabhängig davon, von welchem Ort aus der Anruf erfolgt. Auch wenn in anderen Ländern in das „Opt-Out“-Modell besteht, folgt daraus nicht, daß dies auch für vom Ausland aus erfolgende Anrufe bei Privatpersonen gilt. Ganz im Gegenteil ist für Wettbewerbshandlungen im Inland das deutsche UWG anzuwenden, nach dem solche Anrufe genauso unzulässig sind wie solche aus dem Inland.

Es handelt sich bei dieser Regelung auch nicht um eine Verschärfung des bisher geltenden Rechts. Vielmehr wird in der Neufassung des UWG lediglich der bisherige Stand der Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs zu Fragen des Telefonmarketing festgeschrieben. Auch bisher ist es nach deutschem Recht unzulässig, Verbraucher ohne deren vorangegangenes Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen.

In der vor der Erstellung des Gesetzesentwurfs geführten politischen Diskussion, die zum Teil bis heute andauert, wurde angeregt, auch im Bereich des Telefonmarketing die staatliche Regulierung auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Daher wurde auch vorgeschlagen, die nach der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation zulässige Möglichkeit der „Opt-Out“-Regelung im Bereich des Wettbewerbsrechts auszuschöpfen. Dies ist bisher aber nicht erfolgt und es ist zweifelhaft, ob die jetzt beschlossene Fassung des UWG in diesem Punkt noch einmal geändert wird. Der Bundesrat, der schon zuvor für ein Opt-Out-Modell plädiert hatte, hat den vorgelegten Entwurf in diesem Punkt jedenfalls abgelehnt und den Vermittlungsausschuß angerufen.

Irreführung weiterhin untersagt – maßgebend aber ist der aufmerksame Kunde

Im Bereich der irreführenden Werbung hat der Gesetzgeber zwar an dem bisherigen Verbot festgehalten, aber eine gewisse Liberalisierung dadurch vorgesehen, daß nicht mehr auf den flüchtigen Durchschnittsbeobachter abgestellt wird, wenn beurteilt werden muss, ob eine konkrete Werbeaussage irreführend ist oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass etwa der Käufer eines hochpreisigen Artikels die Aussagen in der Werbung mit größerer Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt, eine Irreführung also nicht schon dann angenommen werden muss, wenn ein bestimmtes Fehlverständnis der Aussagen nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Derzeit wird eine Irreführung relativ schnell angenommen. Unter Zugrundelegung eines aufgeklärteren Verbraucherverständnisses dürfte sich dies in Zukunft aber ändern, weil die Gefahr eines Mißverständnisses bei nur flüchtiger Betrachtung deutlich höher sein dürfte als bei sorgfältiger Prüfung der betreffenden Aussagen. Dies sollte allerdings nicht dazu ermutigen, bei der Verwendung vollmun-diger Werbeaussagen großzügiger zu verfahren als bisher. Nicht zuletzt aufgrund der Änderungen des Gewährleistungsrechts vor rund zwei Jahren ist in diesem Bereich erhöhte Aufmerksamkeit geboten, da danach eine verkaufte Ware unter anderem dann mangelhaft ist, wenn Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften in der Sache erwarten kann, nicht vorliegen. Im Kfz-Handel gehören dazu möglicherweise Angaben über den Kraftstoff-verbrauch oder im Bereich der Telekommunikationsgeräte die Standby-Zeit eines Handys.

Beschränkung von Gewinnspielen gelockert

Soweit nach bisherigem Recht die Veranstaltung von Preisausschreiben oder Gewinnspielen nur unter eingeschränkten Bedingungen möglich war, insbesondere gegenüber Endverbrauchern nicht durchgeführt werden durften, wenn die Teilnahmemöglichkeit nur bei gleichzeitigem Kauf einer Ware oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung bestand, gilt dieses Verbot nach der Neuregelung nur noch für den geschäftlichen Verkehr mit Privatkunden. Im rein geschäftlichen Verkehr, das heißt zwischen zwei Unternehmen, kann die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel grundsätzlich ohne weiteres von dem Kauf der Ware beziehungsweise der Inanspruchnahme einer bestimmten Leistung abhängig gemacht werden. Grenzen zieht insoweit das Verbot des psychologischen Kaufzwangs, das heißt das Verbot, durch eine attraktive Gewinnchance den Geschäftskunden dazu zu veranlassen, praktisch ohne sachliche Prüfung des Angebotes die Ware oder Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, allein, um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können. Ob eine solche Situation im Verkehr zwischen Gewerbetreibenden tatsächlich ernsthaft angenommen werden kann, erscheint zumindest als fraglich. Auch im Bereich des Verkehrs mit privaten Endkunden scheint es eher unwahrscheinlich zu sein, dass ein Kunde die Preiswürdigkeit der angebotenen Ware oder Dienstleistung nicht mehr prüft, sondern die Ware erwirbt, um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können. Im Einzelfall muß dies aber gerichtlich geprüft werden.

Verbraucherschutz durch Gewinnabschöpfung?

Eine echte Neuerung ist der sogenannte Gewinnabschöpfungsanspruch, aufgrund dessen Gewerbetreibende, die vorsätzlich gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstoßen und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern Gewinne erzielen, auf Herausgabe dieses Gewinns in Anspruch genommen werden können. Wer also Verbraucher durch vorsätzlich unlautere Wettbewerbshandlungen finanziell schädigt, wird daraus keinen dauerhaften Gewinn ziehen können. Abzuwarten bleibt aber zunächst, ob die Novelle in diesem Punkt tatsächlich in geltendes Recht umgesetzt werden wird, da der Bundesrat die Regelung für praxisuntauglich hält und dem Entwurf auch insoweit nicht zugestimmt hat.

Wenn die Regelung so umgesetzt würde, wie dies in dem bisherigen Entwurf verankert ist, muß die Praxis zeigen, ob durch diese Regelung tatsächlich das gesetzgeberische Ziel erreicht werden kann, unseriösen Geschäftemachern das Handwerk zu legen. Im Vergleich zu der bisherigen Regelung stellt dieser Anspruch eine Fortentwicklung dar, weil derzeit sogenannte Streuschäden, das heißt Konstellationen, in denen im Einzelfall nur geringe Schäden entstehen, aber eine Vielzahl von Abnehmern geschädigt wird, nicht adäquat erfaßt werden können. Als geradezu klassische Streuschäden erwähnt die Gesetzesbegründung unter anderem Vertragsschlüsse aufgrund irreführender Werbung.

Im übrigen enthält das jetzt vorliegende UWG eine Reihe von Bestimmungen, die den aktuellen Stand der Rechtssprechung zu bestimmten Bereichen wiedergeben, etwa der Regelung unzulässiger Pro-duktnachahmungen, der vergleichenden Werbung oder der Verwertung geschützter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Konsequenzen auch für Altlasten

Von Bedeutung sind die vorgestellten Änderungen der Rechtslage in erster Linie für den zukünftigen Marktauftritt. Aber auch mit Blick auf wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen der Vergangenheit sind Konsequenzen der Gesetzesänderung nicht auszuschließen. Üblicherweise werden Wettbewerbsverstöße durch Abmahnungen verfolgt und dann, wenn keine entsprechende Unterlassungsverpflichtung erklärt wird, gerichtliche Schritte eingeleitet. Wenn ein Gerichtsurteil vorliegt oder eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde, wirken diese in die Zukunft und zwar grundsätzlich zeitlich unbeschränkt. Wenn aber eine Änderung des Gesetzes erfolgt, sind Unterlassungserklärungen, die rechtlich gesehen Verträge zwischen dem Verletzer und dem Verletzten darstellen, aufgrund dessen sich der Verletzer verpflichtet, ein bestimmtes Verhalten nicht zu wiederholen, unter Umständen kündbar. Gerichtsurteile können möglicherweise durch entsprechende Rechtsbehelfe in ihrer Durchsetzbarkeit bekämpft werden.

Aufgrund dessen mag es sich für den ein oder anderen Unternehmer lohnen, auch die wettbewerbrechtlichen Altlasten dahin überprüfen zu lassen, ob die ein oder andere Verkaufsveranstaltung oder Werbemaßnahme aus der Vergangenheit in Zukunft nicht doch zulässig sein könnte. Im Einzelhandel betrifft dies möglicherweise in der Vergangenheit durchgeführte vorgezogene Schlussverkäufe, andere Sonderveranstaltungen oder Verkaufsförderungsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Durchführung von Gewinnspielen.

Diese allgemeinen Informationen sind nicht auf konkrete Sachverhaltsgestaltungen übertragbar und ersetzen nicht die anwaltliche Beratung im Einzelfall.


Autor: Christian Musiol ist Partner der Sozietät Loschelder Rechtsanwälte , Köln, und berät hauptsächlich mittelständische Mandanten in den Bereichen des Gewerblichen Rechtsschutzes, dem Medien- und Urheberrecht.

eingestellt am 25. Juni 2004