Im Shop-Marketing sind Bewertungen mehr als Bewertungen

Alle Welt sucht nach dem Return on Investment von Social Media. Für E-Commerce-Unternehmen und Markenartikler liegt er vielleicht gar nicht auf Facebook oder Twitter, sondern mitten in den eigenen Webseiten. Zum Beispiel in Form von Hilfesystemen, die von Nutzern befüllt werden.

Von Frank Puscher

Tine und Berta wissen nicht genau, wie sie die City Walk Pumps aus dem Baur-Onlineshop bewerten sollen. Der Schuh gefällt ihnen, aber er ist für beide zu eng ausgefallen. Tine gibt fünf, Berta vier Sterne. Für Baur müsste das ärgerlich sein. Schuhe, die kleiner ausfallen, als die Normgröße verspricht, verursachen teure Retouren. Es besteht die Gefahr, dass Kundinnen den Schuh aus Unsicherheit in zwei Größen bestellen und eine zurückgehen lassen.

Vielleicht freut man sich bei Baur aber auch über die Kritik von Tine und Berta. Es steckt nämlich ein wichtiges Produktdetail in den Bewertungen der beiden. Und vielleicht werden künftige Kundinnen aufgrund dieser Aussagen den Schuh einfach eine Nummer größer bestellen. Dann passt er. Baur hat den Wert dieses Ansatzes erkannt und blendet ganz oben in den Bewertungen Vor- und Nachteile des Produktes ein. Der Passform-Index, gebildet aus 70 Bewertungen, deutet nicht darauf hin, dass die Schuhe generell eng ausfallen., Für eine Kundin war er auch viel zu weit. Immerhin zehn Kundinnen beschweren sich darüber, dass der Schuh unbequem sei. Aber in puncto Design ist man sich recht einig: 42 Bewertungen halten den Schuh für elegant.

Abbildung 1: Baur macht aus den Inhalten der Bewertungen eine zusätzliche Produktbeschreibung.

Aussagekraft der Produktbeschreibungen wird größer

Die Kundinnen von Baur tragen also zur Präzisierung der Produktbeschreibung bei. Das tun Bewertungen häufig, doch meistens geschieht das auf externen Community-Plattformen, bei Preisvergleichern oder in einer versteckten Bewertungssektion der Website des Anbieters. Damit ist nun Schluss. Immer mehr Anbieter gehen dazu über, die Bewertungen und sogar eine Questions-and-Answers (Q&A)-Sektion für Fragen und Antworten direkt auf der Produktseite zu veröffentlichen.

Dieses Verfahren hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen darin, dass die Nutzer die Information zum richtigen Zeitpunkt direkt dort erhalten, wo sie sie benötigen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass Kundinnen und Kunden über Wissen verfügen, das der Händler gar nicht hat, zum Beispiel über die Langzeitnutzung eines Produkts. Die Aussagekraft der Produktbeschreibung wird also größer. Und drittens sind Kundenmeinungen natürlich ein Vertrauensanker, vor allem dann, wenn man explizit kommuniziert, dass man auch negative Berichte unzensiert zulässt.

Das wiederum kann ein Nachteil eines solchen Systems sein: Bewerter berichten natürlich auch Negatives und das kann den nächsten Kunden abschrecken. Außerdem könnte die zusätzliche Information auch User von ihrem eigentlichen Ziel, dem Produktkauf, abbringen.

Dem muss man allerdings entgegenhalten, dass viele Nutzer vielleicht gerade wegen der Bewertungen und Kommentare auf ein Produkt aufmerksam werden. Die Bewertungen sorgen nämlich für Aktion auf der ansonsten statischen und langweiligen Produktseite. „User generated content macht aus statischen Produktseiten dynamische Websites und das steigert das Ranking bei Google“, meint Börge Grothmann, der zur Geschäftsführung vom Bewertungsspezialisten Ekomi gehört.

Fertige Module und ihre Implementierung

Dienstleister wie das amerikanische Unternehmen Powerreviews bieten inzwischen fertige Module zum Einbau in die eigenen Seiten ein. Neben dem normalen Register für „Bewertungen“ gibt es je nach Bauart eines für „Discussions“ oder „Q&A“.

Discussions sind zum Beispiel beim Schuhverkäufer Sketchers zu sehen. Dort gibt es bei einigen Schuhen recht lebhafte Diskussionen, zum Beispiel fragen viele Nutzer bei Sportschuhen nach, ob sie ihrem jeweiligen Einsatzzweck dienen. In dieser Implementierung von Powerreviews gibt es einen Button, der Usern erlaubt, direkt auf die Fragen anderer Nutzer zu antworten. Hier nutzt das System also einen Crowdsourcing-Ansatz für den Support.

Crowdsourcing allein reicht aber in der Regel nicht. Es muss stets ein Produktmanager sein Ohr am Puls der Diskussion haben und im Zweifel selbst Antworten beisteuern. Bei manchen Produkten kommen auch einfach gar keine Fragen auf. Marcel Licht, Conversion Consultant bei der Bad Homburger Agentur Webarts, betont: „Der Ansatz der Social Questions funktioniert natürlich am besten bei erklärungsbedürftigen Produkten.“

Abbildung 2: Möbelhändler Room&Board nutzt die klassische Bezeichnung „Q&A“ als Hinweis auf die Funktion.

Die „Q&A“-Implementierung sieht man beispielhaft bei Staples. Dort darf der Nutzer einfach Fragen stellen, die ihm vom Support oder Marketing beantwortet werden. Der Ansatz ist zwar etwas restriktiver, aber dafür hat der Rubriktitel „Q&A“ mehr Aussagekraft und Zugvermögen. Auch „FAQ“ würden die Nutzer sofort verstehen.

Philips geht bei dem Lasersystem ReAura noch einen Schritt weiter und stattet das Produkt mit einer eigenen Community aus. Diese wird nicht unmittelbar zum Abverkauf beitragen, da sie zunächst hinter einer Registrierung verschlossen ist. Offensichtlich geht es Philips stärker um eine langfristige Kundenbindung. Man versucht, ein Service-Layer über das Produkt zu legen und ermuntert die Nutzerinnen, ihre Anwendungsergebnisse zu veröffentlichen.

Das Feedback auswerten

Social Questions haben tolles Potenzial, Wissen der Nutzer in sehr einfache Form ins Unternehmen zu tragen. Es wäre natürlich wichtig, dass die Unternehmen das Feedback auswerten und damit die eigene Wissensbasis stärken. Eine inhaltlich hilfreiche Bewertung kann ja auch in die separate „FAQ“-Sektion überspielt werden, wenn man daran festhalten will.

Viele Fragen sind Produkt- oder Supportfragen, also sollte eine Schnittstelle zu den entsprechenden Abteilungen existieren. In jedem Fall muss ein Mitarbeiter innerhalb von 24 Stunden antworten, wenn die Nutzer das selbst nicht tun. Er sollte sich dabei als Mitarbeiter zu erkennen geben, meint Marcel Licht. „Im Idealfall würde ich beides tun (User-Antworten und Expertenantworten, die Red.) und klar unterschiedlich kennzeichnen. Man kennt das ja zum Beispiel von Foren, dass die Administratoren klar als solche zu erkennen sind. Die haben dann ein bestimmtes Icon am Namen oder einen Stern und der Nutzer sieht sofort, dass das jemand ist, der sich damit auskennt“.

Wenn die Umsetzung klappt, winken bessere Google-Rankings, reduzierte Retouren und Mehrerlöse. Sketchers gibt an, auf Seiten, auf denen diskutiert wird, eine um 32 Prozent höhere Konversionsrate zu erreichen. Das überraschendste Ergebnis kam für die Schuhverkäufer aber aus einer anderen Ecke. Da sich die Nutzer mit einer E-Mail-Adresse registrieren, um Fragen oder Antworten zu veröffentlichen, erhalten sie automatisch E-Mails, wenn neue Kommentare hinzugefügt werden. „80 Prozent Öffnungsrate erzielt diese Reminder-E-Mail und die Conversionrate liegt bei sensationellen 51 Prozent, freut sich Timothy Lakin, der E-Commerce-Manager von Sketchers.