I have a plan … ?

Unternehmen sind häufig näher an der Planwirtschaft als an der Marktwirtschaft. Denn mit dem Drang, alles akribisch zu planen, entfernen sie sich meilenweit von Marktrealitäten
Vince Ebert

Obwohl bisher jede Form von Planwirtschaft in den Ruin führte, sind wir ganz vernarrt in den Gedanken, die Geschicke einer Organisation, eines Unternehmens, ja sogar eines ganzen Landes mit „intelligenten“ Eingriffen flächendeckend zu planen. Besonders Politiker möchten mit der Einführung von Mindestlöhnen, Renten mit 63, Mietpreisbremsen und Frauenquoten das Land gerechter, besser und konkurrenzfähiger machen.

Maßnahmen, die meist genau von den Leuten durchgesetzt werden, die selbst ihre liebe Not hätten, in der freien Wirtschaft ihr eigenes Geld zu verdienen. Man stelle sich nur mal vor, Andrea Nahles oder Anton Hofreiter müssten einen Kiosk oder einen Friseurladen am Laufen halten. Gleichzeitig sehen sie kein Problem darin, eine ganze Volkswirtschaft mit unzähligen Regelungen, Gesetzen und Verordnungen durchzuorganisieren. Was freilich nicht immer nur Nachteile hat. Sollte Deutschland irgendwann mal wieder auf die Schnapsidee kommen, einen Weltkrieg anzuzetteln, muss man nur Klaus Wowereit als Projektplaner einsetzen.

Auch in vielen Konzernen herrscht der Drang, alles akribisch zu planen. Seit längerer Zeit besitze ich als Vielreisender eine BahnCard 50. Eine wirklich sinnvolle Sache, die sich die Leute von der Deutschen Bahn da ausgedacht haben. Damit kann ich zum halben Preis und außerdem noch klimaneutral mit Ökostrom durch Deutschland fahren. Bahnreisende ohne eine solche Bahn-Card reisen laut DB einerseits teurer – andererseits leider auch nicht ganz CO2 -frei. Wer allerdings ein Umweltgewissen hat und partout nicht mit Kohlestrom durch das Land gurken möchte, der kann selbstverständlich auch ohne BahnCard für einen Euro mehr die Option „Umwelt-Plus“ wählen und so ebenfalls in den Genuss von CO2 -freiem Bahnfahren kommen.

Ist das nicht phänomenal? Irgendwie ist es den Bahn-Ingenieuren gelungen, die Stromversorgung in einem ICE so zu individualisieren, dass jeder einzelne Reisende abhängig von seinem Ticket wahlweise mit Öko- oder Kohlestrom reist. Und das sogar auch noch innerhalb eines jeden Waggons! So etwas Perfektes kriegen meines Wissens nur wir Deutschen hin. Weil wir fasziniert sind von 100-prozentiger Planbarkeit. Wäre Martin Luther King Deutscher gewesen, hätte er höchstwahrscheinlich nicht gerufen „I have a dream“, sondern „I have a plan“.

Damit meine ich keinesfalls, dass wir überhaupt nicht planen sollten. Ganz im Gegenteil. Pläne sind extrem wichtig. Sie dienen als Orientierungshilfen. Wenn die Deutsche Bahn keinen Fahrplan hätte, wüssten wir nicht, wie groß die Verspätung wäre. Aber Pläne nutzen überhaupt nichts, wenn man sie nicht permanent mit der Realität abgleicht.

Doch statt sich flexibel und offen Veränderungen anzupassen, kleben wir gerne an einem starren, allumfassenden Konzept. Wenn das große Projekt dann den Bach runtergeht, lag es wenigstens nicht an uns, sondern daran, dass sich diese blöde Realität aus unerfindlichen Gründen nicht an die penibel ausgearbeitete Theorie gehalten hat.

So ist jede planwirtschaftliche Idee im Kern eine Utopie. Das klingt im ersten Moment gar nicht so negativ. Das Gefährliche an utopischen Ideen jedoch ist, dass sie eben nicht realisierbar sind. Fast alle Utopien ignorieren grundsätzliche menschliche Verhaltensweisen und meist sogar fundamentale physikalische oder ökonomische Gesetze. Utopische Projekte genügen sich dadurch, dass sie unerreichbare Ziele setzen, an die viele Menschen dennoch glauben: Weltfrieden, kostenlose Energie, das Ende des Kapitalismus, der Mensch im Gleichgewicht mit der Natur.

So gesehen sind Utopien ein bisschen so, wie wenn eine Gruppe von Personen sich zu einer gemeinsamen Reise nach Australien entschließt, ohne sich über das Fortbewegungsmittel Gedanken zu machen. Und nach fünf Jahren wundern sich alle, dass man immer noch im Odenwald herumsteht.