Hansgrohe-Marketing: „Branding im Bad muss wichtiger werden“

Für ihre Kreativität sind die Duschspezialisten der Schiltacher Hansgrohe Group bekannt – auch im Marketing. Wie die Marke Hansgrohe den Spagat zwischen B-to-B und B-to-C schafft, warum sich die Markenvorstellung von Küche und Bad unterscheidet und was eine app-gesteuerte Dusche bringt, erläutert Marc André Palm, Leiter Global Brand Marketing, im Interview.
Marc André Palm
Handwerker sind für Hansgrohe "im gewissen Sinne auch Markenbotschafter", sagt Marc André Palm. (© Hansgrohe SE)

Im November hat Hansgrohe eine Handwerkerkampagne aufgelegt, um Servicekompetenz zu demonstrieren. In den Spots schießen Ihre Mitarbeiter aber übers Ziel hinaus: Einer dreht den Druck so hoch, dass ihm das Wasser ins Gesicht spritzt, eine Kollegin malt über das Whiteboard auf das Hemd eines Kollegen. Was ist die Botschaft?

MARC ANDRÉ PALM: Wir blicken augenzwinkernd hinter die Kulissen. Das eigentliche Thema ist die Begeisterung der Mitarbeiter – im Service, in den Labors, bei der Entwicklung, im Test von Neuprodukten.

Sind es echte Mitarbeiter?

Nein, aber echte Situationen. Auch ich habe noch vor einer Woche an einem Duschtest teilgenommen …

Kampagnenmotiv von Hansgrohe: „Wir blicken augenzwinkernd hinter die Kulissen.“

… Sie vertauschen den Schreibtisch mal eben mit einer Duschkabine?

Genauso so machen wir das. Im Labor werden die Prototypen eingebaut, und da testen wir dann mal. Währenddessen werden wir durch einen Fragebogen geführt. Das macht das neue Produkt sehr erlebbar. In der Kampagne zeigen wir, dass der Handwerker von unserer Begeisterung profitiert, weil er sichergehen kann, ein Qualitätsprodukt einzubauen und rund um die Uhr Service abrufen zu können: weltweit, 24/7, bei Bedarf global auf Englisch.

Notfallhilfe, Bonusprogramm, Seminare – Sie lassen sich für Handwerker allerhand einfallen. Wieviel Prozent des Markenabsatzes läuft über sie?

Zahlen nennen wir nicht. Aber das Handwerk ist – zusammen mit dem Handel – ein sehr wichtiger Partner. Wir haben in der deutschen Sanitärwirtschaft einen dreistufigen Vertriebsweg und verkaufen an den Großhandel, bei dem sich die Installateure eindecken. Diese wiederum sind Ansprechpartner für die Endverbraucher. Deshalb sind Handwerker für uns im gewissen Sinne auch Markenbotschafter.

Direktverkauf an Konsumenten gibt es nicht?

Nein. Wenn Sie zu uns nach Schiltach in die Aquademie kommen …

Hansgrohe-Marketing: „Das eigentliche Thema ist die Begeisterung der Mitarbeiter.“

… eine rund tausend Quadratmeter große Unternehmenswelt …

… gibt es dort ein kleines Sortiment an Marken- und Fanartikeln wie Handtücher, Regenschirme oder Flip-Flops. Aber wir haben keinen Online-Shop, und es wird auch in naher Zukunft keinen geben. Im Do-it-yourself-Bereich erhält man unsere Produkte über Baumärkte und Badausstellungen.

Was uns zu der spannenden Frage bringt: Definieren Sie hansgrohe als B-to-B- oder B-to-C-Marke?

Die Marke steht für begehrliche Wassererlebnisse, diese Positionierung ist aus meiner Sicht entscheidend. Traditionell gesprochen sind wir eine B-to-B Marke mit einem immer größer werdenden Fokus auf den Endverbraucher, denn wie wir bereits von der Küche wissen, nimmt die Markenwahrnehmung auch im Badezimmer zu. In diesem Jahr rollten wir die Kampagne „My Relaxing Moment“ aus, die diese fantastischen Augenblicke unter der Dusche zeigt, in denen man seine Batterien auflädt. Hier wird das Markenversprechen sehr deutlich: die schönsten Momente mit Wasser. Das auch in Verbindung mit dem Rad-Team, das wir sponsern.

Und was steht 2021 an?

Nur als Beispiel: Wir haben großartige Rückmeldungen für unsere neueste und innovativste Strahlart, Powder Rain. Neun von zehn Konsumenten, die es ausprobieren, sagen: Wir möchten nie mehr unter etwas anderem duschen. Dieses Erleben haben wir verstärkt in die Kommunikation gebracht und werden es noch ausbauen.

Branding im Bad muss wichtiger werden. Wenn sich der Endverbraucher eine Küche einbaut, dann hat er meist eine konkrete Markenvorstellung. Unser Ziel ist, dass wir im Bad genau dahin kommen. Dass der Konsument nicht den Architekten entscheiden lässt oder ein beliebiges Produkt nimmt. Sondern dass er sagt: Es muss ein Hansgrohe-Baderlebnis sein.

Und sich noch deutlicher von der Marke Grohe abzusetzen, Ihrem Erzkonkurrenten?

Wir haben stets den Markt im Blick, konzentrieren uns aber vollumfänglich auf den Kunden und seine Bedürfnisse.

Das Thema Smart Home nimmt einen immer größeren Stellenwert ein. Hansgrohe bietet eine app-gesteuerte Dusche an. Will der Kunde das wirklich?

Kein Verbraucher geht zum Handwerker und sagt: Ich möchte meine Dusche mit der App steuern. Stress abbauen, achtsam mit sich umgehen – das sind große Themen. So ist unser Produkt Rain Tunes entstanden: Neben dem Wassererlebnis habe ich ein multisensorisches Erlebnis. Per App kann ich unterschiedliche Szenarien abrufen: Zum Beispiel eine Gute-Nacht-Dusche, eine energiespendende Morgendusche oder ein Relax-Programm nach dem Workout, das wir in Zusammenarbeit mit Sportmedizinern konzipiert haben. Diese Szenarios lassen sich auch individuell anpassen.

Mit dem Smartphone in der Seifenschale?

Lieber nicht. Das Handy kann gern aus der Dusche draußen bleiben. Man braucht es nur, um ein Programm zu selektieren

Sie haben auch einen digitalen Wassermanager im Programm, der hilft, Leitungsschäden zu erkennen. Ist das nicht zu viel der Markendehnung?

Nein, denn wir kümmern uns um den Fluss des Wassers in Bad und Küche. Pontos ist Teil dieses Ökosystems. Sicherheit – auch der Schutz vor Wasserschäden oder Raumklimaveränderungen – lässt einen entspannter durch den Alltag gehen. Das trifft die Bedürfnisse der Zielgruppe.

Wie wirkt sich Corona bei Ihnen aus?

In dieser schwierigen Zeit wollen es die Menschen wenigstens Zuhause schön haben. Wir haben Produkte, die Wohlfühlmomente schaffen, und wir haben Produkte, die erhöhten Hygieneanforderungen gerecht werden, etwa kontaktlose Armaturen für halb-öffentliche und öffentliche Bereiche. Grundsätzlich sehe ich Hansgrohe als starke, purpose-driven Marke in einer guten Ausgangsposition.

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.