Haben Marken in unserer digitalisierten Shopping-Welt noch eine Berechtigung?

Das Shopping wird immer stärker von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuert, die Folge: Für den Konsumenten wird das Shoppingerlebnis so stark vorsortiert, dass Marken es schwer haben, da überhaupt noch herauszustechen. Warum Händler deswegen jetzt Erfahrung mit Voice Shopping sammeln sollten, weiß Stefan Wörnle von Wunderman.
Woman using digital interface to shop online (© Fotolia 2015)

Ein Gastbeitrag von Stefan Wörnle, Head of Strategic Planning bei Wunderman

Die sprachbasierte Suche nach Produkten mit smarten Assistenten wie Alexa, Google Home und Co. verändert das Einkaufserlebnis der Menschen zunehmend. Denn schließlich sortiert die Künstliche Intelligenz (KI) hinter diesen Devices die Produkte für den Verbraucher vor und bietet dann nur noch den einzig passenden Artikel. Für den Nutzer mag das schnell und unkompliziert sein, Marken und Retailer stellt dies vor die Herausforderung, die Nummer eins der Suchtreffer zu sein und beraubt sie zugleich der Möglichkeit, den Verbraucher mit Brandingmaßnahmen, wie Bildwelten, Slogans oder anderen visuellen Mitteln an eine Marke heranzuführen. Brands müssen also reagieren, wollen sie auch künftig beim Konsumenten „gehört“ und gekauft werden.

Das Problem auszusitzen, ist keine Option. Denn die sprachbasierte Suche und auch das Shopping mittels Sprache wird von den Deutschen angenommen. Laut einer aktueller Studie des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) haben drei von vier Deutschen bereits Erfahrungen mit digitalen Sprachassistenten gesammelt oder können sich vorstellen, diese zu nutzen.

KIs kontrollieren den Shoppingprozess

Alexa und Google Home werden also in naher Zukunft immer selbstverständlicher werden und damit auch die Nutzungsintensität von Voice Search weiter vorantreiben. Die Anbieter reagieren und haben inzwischen auch Shopping-Apps für ihre Geräte im Angebot. Die schlechte Nachricht für Marken und Retailer: Beim sprachbasierten Shopping fällt das gelernte Interface weg, was bedeutet, dass es keine visuelle Schnittstelle und keine starken Bilder mehr gibt, die Aufmerksamkeit erregen. Dafür rücken aber Sound Design und Brand Language mehr in den Vordergrund. Die Perspektiven sind also nicht ausweglos.

Besonders FMCG-Marken müssen ihre technischen Hausaufgaben machen

Die KI in den smarten Assistenten ist in der Lage, zur Auswahl der besten Antwort auf eine Produktanfrage verschiedene Faktoren abzuwägen wie den Preis und Produktbewertungen. Dazu kommen die persönlichen Präferenzen des Nutzers. Bei Produkten des täglichen Bedarfs wie Toilettenpapier oder Wasserflaschen verlassen sich die Nutzer inzwischen schon auf die Empfehlungen der KI. Denn hier es geht um Convenience zum besten Preis.

Daher müssen sich insbesondere FMCG-Marken und Retailer bewusstmachen, dass einige ihrer Kunden in Zukunft KIs sein werden, die ganz anders mit Informationen gefüttert werden müssen, als der Mensch. Zuerst gilt es, seine technologischen Hausaufgaben zu machen. Nur wenn die KI alle aktuellen Produktinformationen zur Verfügung hat, kann sie die Marke in die Auswahl des besten Treffers einbeziehen. Zudem sollte die Preisgestaltung angepasst werden, um mit den Wettbewerbern preislich mitzuhalten. Oberste Priorität hat es, von Preisvergleichsplattformen und Suchmaschinen gefunden zu werden. Außerdem sollten Marken und Retailer den Anwendungsfall und den jeweiligen Kontext berücksichtigen, in dem ein Nutzer eine verbale Shoppinganfrage stellt. Content-Konzepte müssen auf die Sprache ausgerichtet werden, um als Marke die entscheidende Information zu liefern, die den Kaufimpuls beim Konsumenten auslöst.

Marken und Retailer erhalten durch die sprachbasierte Suche aber auch die Chance, mit ihren Konsumenten auf ganz neuen Wegen zu interagieren. So genannte Voice Apps, also nützliche Skills für Alexa oder Actions für Google Home, sind ein neues interessantes Terrain, um beim Konsumenten präsent zu sein. Denn sie geben Marken die Chance, Content zu vermitteln, neue Möglichkeiten für Bestellungen zu bieten oder auch den Funktionsumfang ihrer Produkte zu erweitern. Der Dreh- und Angelpunkt für die Marken-Konsumenten-Beziehung und damit auch für den erfolgreichen Verkauf seiner Produkte bleibt die Customer Experience.

Wem es gelingt, seine Marke mit einem einzigartigen voice-basierten Serviceangebot zu verknüpfen, wird bei den Konsumenten punkten. Wie auch bei Mobile Apps und anderen Services, ist das Wissen über die Kunden und ihre Erwartungen der Ausgangspunkt für die Entwicklung eines solchen Angebots. Nur dann wird es für den Kunden auch so relevant, dass es seine Beachtung findet.

Fazit: Jetzt Erfahrungen mit Voice Shopping sammeln

Sprachassistenten verdichten die Customer Journey, in dem sie den Einkauf auf einen einzigen Sprachbefehl reduzieren. Marken und Händler sollten daher die Chance nutzen, jetzt zu üben und zu lernen. Noch ist beim Nutzer Toleranz dafür vorhanden und Marken können Positionen besetzen. Hat sich die sprachbasierte Suche als Interface erst einmal etabliert, werden gute Plätze teuer und Fehler nicht mehr so leicht verziehen.

Über den Autor: Stefan Wörnle ist als Head of Strategic Planning bei der Digitalagentur Wunderman für die CRM- und Digital-Marketing-Projekte bekannter Marken verantwortlich. Vor seiner Zeit bei Wunderman arbeitete der Kommunikationsexperte u.a. bei namhaften Werbeagenturen wie Springer & Jacoby und Grey.
Stefan Wörnle ist zudem Gastdozent an der Hochschule der Medien HdM in Stuttgart und an der macromedia Hochschule in München.