Geschäftsmodelle innovieren, ohne die Marke zu beschädigen

Die Marke kann für das Geschäftsmodell eines Unternehmens von zentraler Bedeutung sein – man denke nur an Beispiele wie Coca Cola, Nike oder Red Bull. Doch die Marke ist kein Selbstzweck. Sie hat innerhalb eines Geschäftsmodells eine ganz konkrete Funktion – und diese kann zwischen verschiedenen Geschäftsmodellen stark variieren.

Entsprechend gibt es auch bei der Weiterentwicklung oder Neustrukturierung eines Geschäftsmodells kein Patentrezept, wie mit der Marke zu verfahren ist. Vielmehr ist bei jeder Geschäftsmodellentscheidung zu überlegen, welche Rolle und Bedeutung der Marke im bisherigen Geschäftsmodell zukommt und in welcher Weise sich geplante Veränderungen daran auf die Markenrolle auswirken. Nur so wird verhindert, dass man die Marke beschädigt – und im Extremfall dadurch der Erfolg des Geschäftsmodells riskiert wird.

Doch an dieser Stelle wird es oftmals kompliziert: Welche Bedeutung hat die Marke für mein Geschäftsmodell? Und woran kann ich mich bei der Entscheidung zwischen einer Strategieoption und der Marke orientieren? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, ist es hilfreich, sich die strategischen Strukturen – sozusagen die „DNA“ – eines Geschäftsmodells klar zu machen. Denn erst der Blick auf das „große Ganze“ macht auch die Markenrolle transparent. Diese „DNA“ lässt sich als eine Struktur aus im Wesentlichen sieben Elementen (oder: Dimensionen) beschreiben: Da ist zunächst der strategische Kern, der die angebotenen Leistungen, die Strukturlogik des Leistungsangebots sowie die Entscheidungen zu Zielkunden und Zielmärkten umfasst. Um diesen Kern herum kann man sich sechs Strukturelemente vorstellen. Dazu zählen die Kundenschnittstelle (alle Aspekte des direkten Kundenkontakts wie Vertriebskanäle, Preispolitik, Kundendienst etc.) und die Wertkette (Entscheidungen zur Leistungstiefe, zur Organisationsform, zu Standorten). Weitere Dimensionen sind die Kooperationspartner (strategische Allianzen, Beteiligungsstrategien), die Konzepte für die Zukunft (z.B. in welche Technologien investiert wird) und das Humankapital (welche Mitarbeiterstruktur und -kompetenzen das Geschäftsmodell benötigt, um funktionieren zu können).

Und schließlich: die Kundenwahrnehmung. Letztendlich kauft immer der Kunde – und deshalb kommt ihm eine zentrale Rolle in der strategischen Struktur zu. Die Dimension Kundenwahrnehmung umfasst also jene Gestaltungsfelder, die auf die Wahrnehmung des Kunden zielen. Hierzu gehört das übergeordnete Nutzenversprechen des Unternehmens ebenso wie die Positionierung und die Marketing-Kommunikation. Es geht also um Fragen wie diese: Was ist für den Kunden kaufrelevant? Welche Eigenschaften des Nutzenversprechens positionieren wir als Abgrenzung zum Wettbewerb? In welcher Form wird auf das Nutzenversprechen aufmerksam gemacht? Und hierher gehört natürlich auch die Marke – also der Name und das Symbol, unter dem das Nutzenversprechen transportiert wird. Wer also sein Geschäftsmodell innovieren will, ohne die Marke zu beschädigen, tut gut daran, die Dimension der Kundenwahrnehmung besonders in den Blick zu nehmen.

Dabei muss für alle strategischen Optionen stets geklärt werden, inwieweit diese mit der definierten Markenidentität kompatibel sind. Ist der Erhalt der Markenidentität von größerer Bedeutung als die Chancen der strategischen Option, ist diese zu verwerfen. Ein Beispiel zur Option „Ausweitung der Zielgruppe“: Als Hipp nicht mehr nur Babynahrung anbot, sondern auch Produkte für die Mütter selbst, stand das im Einklang mit dem Markenimage. Die Ausweitung der Zielgruppe bei einer „Nobelmarke“ wie Louis Vuitton dagegen könnte die Exklusivität der Marke gefährden. Soweit es die Marke betrifft, läuft also der Entscheidungsweg bei der Evaluierung strategischer Optionen für das Geschäftsmodell im Wesentlichen über bis zu fünf Stufen: Zunächst gilt es, die strategische Option und die aktuelle Markenführung zu beschreiben (Stufe1). Dies führt auf Stufe 2 zu der Frage, ob die strategische Option zur Markenführung passt. Wird die Frage mit „Ja“ beantwortet, kann die Option umgesetzt werden (Stufe 3). Lautet die Antwort „Nein“, so ist zunächst auf Stufe 4 das jeweilige Potenzial der strategischen Option und der Marke zu bestimmen. Je nach dem Gewicht dieser Potenziale erfolgt dann auf Stufe 5 die Entscheidung, entweder die Option anzupassen bzw. zu verwerfen oder die Marke/Markenführung zu überarbeiten.

Dieser „Kompatibilitäts-Check“ zwischen strategischen Optionen und Markenidentität dient letztlich dazu, zwei wesentliche Erfolgsfaktoren eines Unternehmens zu sichern: die Konsistenz und Einzigartigkeit des Geschäftsmodells. Während sich nämlich Produkte und Dienstleistungen immer leichter kopieren lassen, sind konsistente, einzigartige Geschäftsmodelle als Wettbewerbsvorteil relativ stabil. Die Wettbewerbsdifferenzierung der Zukunft liegt also im Geschäftsmodell – und die Gestaltung der Marke kann hierbei eine entscheidende Erfolgskomponente darstellen.

Über den Autor: Tim Wolf ist Leiter Strategische Steuerung und Business Modelling bei der Managementberatung Horváth & Partners in Stuttgart.