Genfer Auto-Salon 2014: Gute Laune bei langfristigem Risiko

Beim Internationalen Auto-Salon vom 6. bis 16. März 2014 in Genf läuft die Branche mit konventionellen Neuerungen zu neuer Höchstform auf. Die Premiumhersteller setzen verstärkt auf hochmotorisierte Modelle. Die Massenproduzenten stellen neue konventionelle Kleinwagen vor, die mit premiumorientierten Designakzenten mehr Attraktivität schaffen sollen. Auf der Strecke bleiben alternative Antriebe.

Von Prof. Ferdinand Dudenhöffer

Verwässerte Umweltvorschriften, mangelnde politische Unterstützung und geringes Käuferinteresse machen die alternativen Antriebe zum Auslaufmodell. Dabei waren im März 2011 die alternativen Antriebe auf dem Genfer Salon zu Hochform aufgelaufen. Bereits 2012 war erkennbar, dass die Einschätzungen verhaltener wurden und 2013 wurde zwar der Salon Vert – also das grüne Zelt vor den Messehallen – noch von den Veranstaltern gepriesen, die Einschätzungen für alternative Antriebe waren aber abgekühlt. Viele Versprechungen, auch aus der Politik, haben sich als falsch erwiesen.

Die Genfer-Realität im März 2014 lautet: Alternative Antriebe sind zur Randerscheinung geworden. Die Autobauer haben konventionellen Autos wieder fest im Fokus und sie verdienen gut damit. Genf dürfte ein neues Rekordjahr beim Absatz und Gewinn der deutschen Premiumhersteller einleiten. Selbst die Massenhersteller mit hoher Europaabhängigkeit wie Fiat, Renault, Peugeot-Citroen, Opel und Ford Europa können durch die schrittweise Verbesserung der Märkte in Südeuropa dem Ende der Verlustjahre entgegen sehen. Wachsende Märkte, gute Geschäfte und keine weiteren Experimente mit hohen Investitionen in alternative Antriebe bereiten auch den Aktionären Freude.

Elektroautos so gut wie unsichtbar

In China, das nach den Ideen der chinesische Regierung mit einer Leap Frog-Strategie versuchen wollte, die westliche Autowelt zu überflügeln, wurden im letzten Jahr nicht mal 18.000 Elektroautos verkauft. Das sind 0,11 Prozent der in China im Jahr 2013 verkauften 16,3 Millionen Pkw. Nicht anders sieht es in Ländern wie Deutschland aus. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 6.379 Elektroautos zugelassen. Das entspricht einem Marktanteil von 0,2 Prozent.

Bei den alternativen Kraftstoffen Erdgas und Flüssiggas sehen die Neuzulassungen ähnlich aus: 0,5 Prozent aller Neuwagen waren 2013 in Deutschland mit diesen beiden Kraftstoffarten ausgestattet. Der letzte große Schub bei den Elektroautos kam mit dem Innovationsträger BMW i3. Modelle wie der auf Elektromotor umgebaute VW Golf zum Preisen von knapp 35.000 Euro habe keine Chancen im Markt. Ähnliches kann man für Plug-In Hybride erwarten. Dies belegen die Verkäufe des Opels Ampera. In seinem zweiten vollen Verkaufsjahr 2013 wurden gerade 335 Opel Amperas in Deutschland neu zugelassen. Das entspricht einem Anteil von 0,16 Prozent an allen Opel Pkw-Neuzulassungen in Deutschland.

Chinesen mit Qoros wieder mit hoher Beachtung in Genf

Das Marktumfeld für die Autobranche ist gut. Das spürt man in Genf. Die Branche steht vor einem neuen Verkaufsrekordjahr mit 74,9 Millionen Pkw Verkäufen im Jahr 2014. Das wäre ein Plus von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In Europa, definiert als EU 28 plus die EFTA-Staaten Norwegen, Island Schweiz, kann mit einem Ansteigen der Pkw-Verkäufe um vier Prozent oder knapp 490.000 auf 12,78 Millionen Fahrzeuge gerechnet werden. Das sind zwar immer noch fast drei Millionen Fahrzeugverkäufe weniger als im Jahr 2000, aber der Erholungsprozess ist eingeleitet.

Den größten Schub im Jahr 2014 bringt erneut die Region Asien. In Asien steigen die Pkw-Verkäufe im Jahr 2014 um knapp zwei Millionen auf 29,4 Millionen Pkw. In China können im Jahre 2014 mit zusätzlichen 1,6 Millionen Pkw-Verkäufen gerechnet werden. China bleibt mit erwarteten 17,9 Millionen Pkw-Verkäufen die Lokomotive und der wichtigste Markt im Weltautomarkt. In Genf zeigt die neue Marke Qoros die Fließheckversion ihres ersten Fahrzeugs Qoros 3. Qoros wird in Genf erneut mit großer Beachtung auftreten, obwohl die Marke sich zunächst auf den Heimatmarkt China konzentriert und erst im Jahr 2015 die ersten Gehversuche in Deutschland machen wird.

Qoros ist spannend, weil mit deutschen Management und einer größeren Gruppe deutscher Ingenieure erstmals ein chinesischer Autobauer hohe Qualität, Fahrzeug-Sicherheit in gutem Design bei Mittelklasse-Fahrzeugen zu Preisen unter 20.000 Euro anbietet. Nachdem es den Chinesen bisher nicht gelungen ist, in den Joint-Ventures mit westlichen Automarken auch Know-how für eigenständige Produktionen aufzubauen, scheint der Qoros-Weg erfolgreicher für die Chinesen zu werden. Mit dem Qoros-Konzept haben die Chinesen die Möglichkeit, ihre Rolle im Weltautogeschäft eigenständig zu definieren.

Gutes Umfeld für PS-starke Premiumfahrzeuge

Audi stellt seinen neuen Audi TT und mit dem Audi S3 Cabriolet ein Premiumprodukt in der Golf-Klasse vor. Im Segment der Kleinwagen zeigt Audi seinen S1 als Premiere. Zusätzlich bietet Audi für die Interessenten von noch mehr PS den Audi RS 4 Avant Nogaro Selection. Ferrari stellt in Genf den California T mit 530 PS vor. Lamborghini zeigt den Nachfolger des Gallardo, der auf den Namen Huracán hören soll. Der Sportwagen leistet mit seinem 5,2 Liter V-10 Motor 610 PS. Genf-Premiere feiert BMW mit seinem BMW 4er Gran Coupé. Mercedes präsentiert das neue S-Klasse Coupé. Zum Marktstart in der zweiten Jahreshälfte 2014 tritt das Mercedes S-Klasse Coupé zunächst nur als S 500 Coupé mit 4,7-Liter-V8-Biturbo Motor mit 455 PS an. Für später können mit Sicherheit noch der S 600 mit V12-Motor sowie die AMG-Varianten S 63 und S 65 erwartet werden. Was die Autobauer jedoch brauchen, sind neue Emotionen für junge Kunden jenseits von PS-Zahlen, die eher die älteren Autofahrer begeistern. Ansonsten wird die Brache zum Auslaufmodell.

Wichtige Premieren: Renault Twingo und PSA-Toyota Kleinstwagen

Die wichtigsten verkaufsstärkeren Premieren-Modelle kommen in Genf 2014 nicht von den deutschen Autobauern. Die neue Mercedes C-Klasse und der GLA wurden bereits in Detroit vorgestellt. Bei Ford, Opel und VW gibt es kaum Premieren in Genf, die in größeren Verkaufsvolumen laufen. VW stellt den facegeliftete VW Scirocco vor, der überschaubar in seinen Verkaufsvolumen bleibt. Die interessanteste Neuerscheinung der deutschen Autobauer ist der BMW 2er Active Tourer. Erstmals ein BMW mit Frontantrieb, der gegenüber der Mercedes B-Klasse das BMW-Angebot abrunden soll.

Citroen sorgt mit dem C4 Cactus dafür, dass auch eine SUV-Neuvorstellung in Genf Premiere hat, nachdem der Porsche Macan seit kurzem seinen Produktionsstart hatte. Einen deutlichen Neuanfang gerade im Design setzt Renault mit dem neuen Twingo. Das Fahrzeug kommt mit emotionalerer Anmutung als sein Vorgänger und Design-Elementen, die an die Premium-orientierten Kleistwagen wie etwa den Fiat 500 oder Opel Adam erinnern. Der Renault Twingo verfügt über eine völlig neue Fahrzeug-Architektur als Heckmotor-Fahrzeug. Der Heckmotor erlaubt ein Karosseriekonzept mit nur winzigen Karosserieüberhängen, ähnlich zum Fiat 500, was einerseits die „knuffigen“ Proportionen unterstützt und zum zweiten den Charakter eines „Stadtflitzers“ prägt. Die Zeiten des rationalen und „kühleren“ japanischen Einflusses sind mit dem neuen Twingo vorbei. Die Twingo-Architektur wurde gemeinsam mit Daimler als Twingo-Smart-Plattform entwickelt und ist Basis für den zukünftigen Smart ForTwo und Smart ForFour.

Hohe industrielle Bedeutung: Twingo-Smart-Architektur

Die neue Twingo-Smart-Fahrzeug-Architektur hat auch für Daimler große Bedeutung. Es ist das erste industrielle Großprojekt zwischen Renault-Nissan und Daimler. Durch die neue Twingo-Smart Plattform hat der neue Smart ForTwo und Smart ForFour, Fahrzeuge die gegen Ende des Jahres 2014 vorgestellt werden, die Möglichkeit nach langen Durstjahren, die Marke Smart ökonomisch zu gestalten. Bei voller Produktverfügbarkeit der Fahrzeuge können im Jahre 2015 auf der neuen Twingo-Smart-Plattform bis zu 350.000 Neuwagen vom Band laufen, davon knapp 200.000 Twingo.

Sowohl Renault, die jährlich bis zu 150.000 Twingo verkauft haben und Smart mit zuletzt im Jahr 2013 knapp 100.000 Fahrzeugverkäufen, realisieren durch die Gemeinschaft-Plattform erhebliche Scale Economies und damit Kostenvorteile, die sich in den Betriebsergebnissen beider Konzerne bemerkbar machen werden. Genf stellt damit das Ergebnis des ersten großen Schritts der industriellen Zusammenarbeit zwischen Daimler und Renault-Nissan.

Premiere in Genf hat auch das Kleinstwagen-Trio Peugeot 108, Citroen C1 und Toyota Aygo. Wie beim Renault Twingo holen sich auch Peugeot, Citroen und Toyota mit ihrem Gemeinschaftsprodukt Anleihen bei den Premium-Akzenten des Opel Adam und Fiat 500. Das Trio soll stärker in Richtung Spaß-Auto und weniger als günstiger Kleinstwagen positioniert werden. Mit dem Renault Twingo und dem PSA-Toyota Kleinstwagen Trio setzt sich der Trend fort, Kleinstwagen in Richtung Spaßfahrzeug mit Premiumaspekten statt preisgünstigen Kleinfahrzeugen zu entwickeln. Auch das ist eine Trendaussage aus Genf.

Fazit: Eine kurzfristige Erfolgsgeschichte

Genf ist ein guter Auftakt für das Autojahr 2014 und verspricht bei den Autobauern überwiegend gute Laune. Die weltweiten Automärkte setzen ihr Wachstum fort. Das wirtschaftliche Klima für ein gutes Autogeschäft im Jahr 2014 ist vorhanden. In Genf entfaltet sich die Renaissance der konventionellen Fahrzeugtechnik zu neuer Blüte. Kurzfristig ist das eine Erfolgsgeschichte. Die Risiken von Genf könnten im langfristigen Versäumnis liegen, Strom als Antriebskonzept aufs Abstellgleis zu stellen.

Über den Autor:
Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.