Gender-Pricing: Frauen zahlen mehr als Männer

Frauen zahlen in Deutschland im Schnitt 25 Prozent mehr für ein Parfüm derselben Marke wie Männer. Von Benachteiligung kann jedoch keine Rede sein, sagt Nina Scharwenka, Pricing-Expertin bei Simon-Kucher & Partners. Clevere Anbieter nutzen lediglich ihren Spielraum

Laut einer Analyse der Times werden Frauen von Händlern bei deren Preissetzung systematisch benachteiligt: ‚Frauenversionen‘ ansonsten gleicher Produkte seien bis zu 37 Prozent teurer als entsprechende Produkte für Männer. Einwegrasierer kosten beispielsweise in pink doppelt so viel wie in blau. Ähnlich bei Jeans: Levi’s 501 haben bei gleicher Bundweite einen fast um die Hälfte höheren Preis für Damen als für Herren.

Ein Skandal? Nein: „Ein absolut gängiger und legitimer Pricing-Ansatz, den es in ähnlicher Form schon seit Ewigkeiten gibt. Wir sprechen hier weniger von Diskriminierung als von Differenzierung“, sagt Nina Scharwenka, Partnerin der globalen Marketing- und Vertriebsberatung Simon-Kucher & Partners. Pricing-Expertin Scharwenka nahm die britische Untersuchung zum Anlass, um anhand eines Stichprobenvergleichs zu analysieren, wie es auf dem deutschen Markt um das vermeintliche ‚Gender-Pricing‘ bestellt ist.

Gender-Pricing: Benachteiligung oder logische Folge?

Die beobachteten Preisunterschiede gibt es auch hierzulande – und zwar sehr auffällig bei Kosmetikartikeln, insbesondere Parfums: Hier bezahlen Frauen für dieselbe Packungsgröße unter demselben Produktnamen durchschnittlich 25 Prozent höhere Preise als Männer (Beobachtung beim Normalpreis, Aktionspreise waren in der Stichprobe ausgenommen).

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Preisvergleich Kosmetik, Stichprobenanalyse Simon-Kucher, Februar 2016 (Auszug)

„Jetzt kann man natürlich heftig lamentieren über Benachteiligung von Frauen. Man kann aber auch einfach faktisch festhalten, dass Frauen für diese Produkte offenbar eine systematisch höhere Zahlungsbereitschaft aufweisen“, sagt Scharwenka. Händler, die diese Situation für sich nutzen, täten dies völlig zu Recht. Oft übernehmen sie auch die unverbindlichen Preisvorschläge der Hersteller, welche mit ihren Empfehlungen dann natürlich ebenfalls richtig lägen. Wie auch immer hat dieses Vorgehen laut Simon-Kucher den Akteuren in der Vergangenheit einen enormen zusätzlichen Profit beschert: eine durchschnittlich um ein Viertel höhere Marge je Artikel und einen Umsatz mit Frauenparfum allein im vergangenen Jahr in Deutschland von knapp über einer Milliarde Euro.

Scharwenka merkt jedoch an, dass es im Rahmen der Preisvergleichsanalyse – abgesehen von der Kosmetik – recht schwierig war, gleiche Produkte zu finden, die sich aufgrund ihrer reinen Mann/Frau-Zuteilung preislich, aber ansonsten kaum voneinander unterscheiden. So ergaben die Stichprobenuntersuchungen bei beispielsweise Standard-Bekleidung und Sportartikeln keine Ungleichheiten: Die Preise sind hier für gleiche Produkte in Männer- und Frauenversionen vielfach identisch. Ein Umstand, der die Konsumenten laut Expertin sicherlich beschwichtigen dürfte.

Preisdifferenzierung ist gängiges Mittel

Das systematische Abschöpfen von Preisbereitschaften zwischen ansonsten homogenen Kundengruppen ist indes nicht neu. Preisdifferenzierung ist ein wesentliches Instrument zur Profitoptimierung und wird entsprechend gerne genutzt. Vor allem Dienstleister etwa im Transport, Reise oder Logistik, wenden es regelmäßig an. „Tatsächlich ist es aber bemerkenswert akzeptiert, wenn der eigene Sitz im Flugzeug teurer ist als der des Nachbarn – oder das gebuchte Hotelzimmer“, sagt Scharwenka. „Allerdings muss der Grund des Preisunterschieds erklär- und argumentierbar sein, also in dem Fall etwa ein früherer Zeitpunkt der Buchung.“ Keinesfalls sollte der Eindruck enstehen, dass eine Differenzierung – weder zeitlich noch zielgruppenbezogen – absichtlich verschleiert wird, da sonst schnell der Eindruck von Abzocke bei den Konsumenten entsteht.

Richtig umgesetzt und offen kommuniziert machen die Händler oder Hersteller laut der Preisexpertin mit dieser Art der Preisdifferenzierung im Prinzip alles richtig. Der Aufschrei diverser Medien sei daher eher voreilig. Keiner werde hier über den Tisch gezogen, im Gegenteil. Es bleibe festzuhalten, dass ‚Frau‘ immer noch die freie Wahl hat, ob sie nun einen pinken oder einen blauen Rasierer wählt – ein Umstand, der differenzierenswert ist. Das Ganze spreche vielmehr für Professionalität: „Wer systematische Unterschiede in den Preisbereitschaften seiner verschiedenen Kundengruppen erkennt und nutzt, ist exzellent im Pricing.“