Geld bei Aegis Media. Geld floss ab. Untreue. Punkt.

Auf diese einfache Formel beschränkt sich wohl die Hauptverhandlung im Prozess gegen Aleksander Ruzicka und David Linn. Am Montag war vor dem Landgericht Wiesbaden alles für das Plädoyer von Staatsanwalt Wolf Jördens vorbereitet. Nach mehr als 60 Verhandlungstagen während 15 Monaten wurde mit einem Ende der Beweisaufnahme gerechnet. Prozessbeteiligte, Presse, Zuschauer und Fotografen warteten auf das Plädoyer und das beantragte Strafmaß gegen Ruzicka. Aber es kam anders. Aleksander Ruzicka ließ sich erneut zur Sache ein.

In einer einstündigen Erklärung, die er selbst vortrug, versuchte er sowohl die Abläufe bei Aegis Media als auch die Position einer Mediaagentur zwischen Kunden und Medien zu präzisieren. Keineswegs neue Fakten. Jedoch Fakten, die seiner Meinung nach bislang ignoriert oder unrichtig eingeordnet werden. Dennoch hat die Kammer unter Vorsitz von Richter Jürgen Bonk die Meinungsbildung offenbar längst abgeschlossen. Ruzickas Beweisanträge wurden abgewiesen. Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft Wiesbaden soll nun in der kommenden Woche folgen.

Diversen Begründungen bei der Ablehnung verschiedener Beweisanträge will Ruzicka entnommen haben, dass die Kammer eine Mediaagentur wie Aegis Media nach wie vor als Vermarkter von Werbezeiten wahrnimmt. Kunden würden von Aegis Media Werbezeiten kaufen. Die Kammer habe teilweise nicht realisiert, dass eine Mediaagentur an Honoraren verdient, aber nicht am Verkauf von Werbezeiten. „Viele der Annahmen der Kammer treffen auf die Funktion eines Vermarkters von TV-Werbezeiten wie IP oder Seven One Media zu, widersprechen aber der Position einer beratenden Mediaagentur, die gegenüber Medien und Dritten nie für sich selbst aktiv wird. Die Tätigkeit von Aegis Media, wie auch jeder anderen Mediaagentur, besteht nicht in der Beschaffung, dem Kauf oder Verkauf von Werbeschaltungen. Die Tätigkeit besteht neben der Beratung der Kunden darin, Aufträge der Kunden bei den Vermarktern und Drittunternehmen zu platzieren“, so Ruzicka.

Aleksander Ruzicka versuchte damit erneut zu verdeutlichen, dass Aegis Media ein Beratungsunternehmen im Auftrag der Kunden und kein Großhändler ist. Die 6. Strafkammer hatte in verschiedenen Beschlüssen geäußert, dass sie Aegis Media als Handelsunternehmen wahrnimmt. Geht es nach dem Verlauf der Hauptverhandlung, lässt sich diese Auffassung einfach auf den Punkt bringen: Geld war bei Aegis Media vorhanden. Scheinrechnungen kamen. Geld floss deshalb zu Emerson FF. Untreue. Punkt.

Warum das Geld zu Aegis Media kam, ob es ohne das Rechnungsvehikel Emerson FF auch von den Kunden hätte abgerufen werden können, und was mit dem Geld tatsächlich gemacht wurde, bezeichnete die Kammer wiederholt als „irrelevant“ und „bedeutungslos“ für Schuldfrage und Strafzumessung. Die Kammer unterstellt damit, dass die Werbekunden auch ohne den Einsatz von Emerson FF für Freispots bezahlt hätten, und die zu Emerson FF geflossenen Gelder bei Aegis Media hätten verbleiben müssen. Die Anklage geht noch einen Schritt weiter: Aegis Media hätte mit diesen Freispots 100 Prozent Gewinn machen müssen, heißt es darin.

Ruzicka beharrt auf seinem Standpunkt. Für jeden Einsatz von „Sonderdeals“ mit Emerson FF habe es eine Freigabe der Kunden gegeben. Dieser Auftrag sei ebenso bindend gewesen wie die Bezahlung der Leistungen von Emerson FF. Das Mediahonorar einer Mediaagentur errechne sich prozentual vom Schaltvolumen. Nach demselben Prinzip seien die Rechnungsbeträge von Emerson FF berechnet worden: prozentual auf Basis des Schaltvolumens, das sich gemäß Preisliste für die Freispots ergab.
„Da sowohl der Zugang als auch der Abgang der anklagerelevanten Gelder innerhalb der Anweisung Emerson FF liegen, wäre ohne die Anweisung weder Geld zugegangen noch abgegangen“, so Ruzicka. Und weiter erläuterte er: „Da Zugang und Abgang gleiche Beträge aufweisen, kann durch den Einsatz von Emerson FF keinerlei Vermögensnachteil für Aegis Media entstanden sein. Der Einbehalt der zugegangen Gelder als Einkommen in der Hauptbuchhaltung wäre eine widerrechtliche Aneignung von Kundengeldern gewesen. Wäre eine Rechnung von Emerson FF nicht gestellt worden, hätte Aegis Media keinerlei Anspruch auf die Bezahlung der Fremdkosten gehabt. Auch die Zeugin M. von Campari hatte darauf hingewiesen, dass sie in diesem Fall mit einem Verbleib der vorausgezahlten Gelder bei Aegis Media nicht einverstanden gewesen wäre“.

Erneut schilderte Ruzicka auch die zweckgebundene Verwendung der vermeintlich veruntreuten Gelder. Seine Firmen Camaco und Watson hätten mindestens 15 Großveranstaltungen mit jeweils mehr als 200 Gästen, 15 Veranstaltungen mit rund 100 Gästen, und weitere 100 Veranstaltungen in kleinerem Rahmen organisiert, durchgeführt und bezahlt. Hinzu kämen rund 100 Charter- oder Linienflüge, eine Vielzahl von Hotelbuchungen, Mieten für Gästehäuser, Jagdreviere, Autos und Veranstaltungsorte. In Summe sollen Ruzickas Firmen Kosten in Höhe von 46 Millionen Euro bezahlt haben.

Mit keinem Punkt ging Ruzicka jedoch darauf ein, ob er bei den Ausgaben auch Dinge berücksichtigt hat, die ihm privat mindestens auch zugute kamen: eine üppige Fahrzeugflotte im Gesamtwert von mehr als einer Million Euro, das sich etagenweise selbst via Camaco vermietete Haus am Wiesbadener Sonnenberg, Uhren, Jagdwaffen oder Gemälde. Kein Wort dazu, ob er es mit dem Ausgabeverhalten auch zu seinen eigenen Gunsten übertrieben hat. Aegis Media hatte behauptet, dass dies der ursprüngliche Anlass gewesen sein soll, Ruzicka anonym getarnt anzuzeigen. Auch die Geldflüsse von Aegis Media zur Werbeagentur ZHP, die die Fälle 1 bis 38 der Anklage ausmachen, blieben unerwähnt.

„Hätte es Zweifel an den Relationen der Kosten oder den tatsächlich erbrachten Leistungen gegeben, so hätte CFO Andreas Bölte die Zahlungen umgehend stoppen können. So wie dies im Fall Warsteiner auch gemacht wurde. Hier wurden die Zahlungen an Emerson FF durch den CFO gestoppt, bis eine Klärung der offenen Fragen herbeigeführt werden konnte. Der Einsatz von Emerson FF diente einzig der Argumentation gegenüber den Kunden, zur Erzielung höherer Gewinne durch die Vermeidung von Kosten für Aegis Media“, führte Ruzicka aus. Dies sei im German Executive Board GEB von Aegis Media gemeinsam besprochen und beschlossen worden. Wie ein präsentiertes Foto beweisen soll, auch gemeinsam auf der Mziki Safari Lodge in Südafrika. Pikant: auch dieser „Betriebsausflug“ soll von Ruzickas Firma Watson mit vermeintlich bei Aegis Media veruntreuten Geldern bezahlt worden sein. Dies soll sich aus vorliegenden Abrechnungen und Flugtickets für die Mitglieder des GEB ergeben.

Ruzicka verwies erneut auf den Rückgang der TV-Volumen bei Aegis Media in den Jahren 2003 bis 2007. Dennoch sei der Anteil an Naturalrabatten in demselben Zeitraum von 8,6 Prozent auf 12,5 Prozent gestiegen. In Summe würde das alleine bei Seven One Media einem Volumen von 57,4 Millionen Euro entsprechen. Den von Aegis Media behaupteten geldwerten Schaden von 51,2 Millionen Euro könne es allein deshalb nicht geben. Da keine anderen Aktivitäten entfaltet worden sind, um Nachverhandlungen mit den TV-Werbezeiten-Vermarktern erfolgreich führen zu können, führt Ruzicka dies mindestens mittelbar auf das Beziehungsmanagement und die dabei gewonnenen Informationen zurück.

Nach Ruzickas zusammenfassender Einlassung äußerte Staatsanwalt Jördens, dass man auf die Idee kommen könne, dass ein gewerbsmäßiger Betrug vorliegen könne. Insbesondere dann, wenn Kunden von Aegis Media geschädigt worden sein sollten, wovon Jördens derzeit jedoch nicht ausgehe. Ob neue Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, um zu prüfen, ob Werbekunden bei der Vertragsgestaltung über das wahre Ausmaß von Naturalrabatten getäuscht worden sein könnten und daraus ein geldwerter Vorteil für Aegis Media entstand, wollten sich die Ermittler nicht äußern. Gemäß Erkenntnissen in der Hauptverhandlung soll Emerson FF den Werbekunden als externer Spotlieferant bei Barter-Deals präsentiert worden sein.

Die Kammer bleibt auf dem Standpunkt, dass Emerson FF Scheinrechnungen für etwas gestellt hat, das man weder besaß noch hätte verkaufen können. Wären diese Scheinrechnungen nicht zu Aegis Media gekommen, wäre das Geld dort verblieben, äußerte die Kammer zuletzt in der Begründung eines abgelehnten Beweisantrages. Nach mehrstündiger Beratung wies die Kammer auch am Montag zwei neue Beweisanträge Ruzickas ab.

Am nächsten Verhandlungstag, am 30.März, soll ein neuer Versuch unternommen werden, die Beweisaufnahme zu schließen und das Plädoyer von Staatsanwalt Jördens zu hören. Zeitlich getrennt davon sollen auch die Verteidiger von Aleksander Ruzicka und David Linn ihre Plädoyers halten. Ob nach der neuerlichen Verzögerung vor Ostern ein Urteil gesprochen werden kann, ist fraglich.

Jedoch haben Prozessbeobachter den Eindruck, dass die Meinungsbildung der Kammer längst abgeschlossen ist, und das Urteil zu großen Teilen bereits feststeht. Insbesondere auch aufgrund des wachsenden zeitlichen Drucks: die seit 30 Monaten andauernde U-Haft von Aleksander Ruzicka kann ohne ein Urteil in erster Instanz nicht beliebig oft verlängert werden.

Staatsanwalt Jördens zog am Ende des Prozesstages sechs von 86 Fällen der Anklage zurück. Es handelt sich dabei um Geldflüsse „in die Privatsphäre der Angeklagten“ bis zu einer Höhe von 100 000 Euro. Das lässt die Vermutung zu, dass Staatsanwalt Jördens am kommenden Montag eine Verurteilung wegen schwerer Untreue fordern wird. Der heutige Untreuetatbestand wurde am 26. Mai 1933 „im Kampfe gegen Schiebertum und Korruption“ novelliert.

Bei der Strafzumessung muss berücksichtigt werden: Beweggründe und Ziele des Täters, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wieder gut zu machen. Das Strafmaß reicht in schweren Fällen der Untreue von 6 Monaten bis zu 15 Jahren Haft. Angeklagt war eine Summe von 51,2 Millionen Euro. Diese hat sich nach Rücknahme einzelner angeklagter Fälle nur geringfügig nach unten verändert. mz