Geheimtreffen sorgt für Zündstoff

Es kommt Bewegung in den Ruzicka-Prozess. Die Aussage der Polizeioberkommissarin am Polizeipräsidium Westhessen Silke T. erhellte am Montag erstmals die Umstände der Ermittlungen und der zugrundeliegenden Strafanzeige. Nach Spekulationen darüber wer was wann wusste, ist es nun amtlich: mehrere Aegis-Manager haben den Fall gegen ihren eigenen CEO ins Rollen gebracht.

Ein halbes Jahr vor den Hausdurchsuchungen und Verhaftungen hat es im März 2006 ein informelles Treffen mit Aegis Media CEO und CFO Andreas Bölte, seinem Vorgänger als langjährigem Aegis-CFO Hans-Henning Ihlefeld, Firmenanwalt Johann-Christoph Gaedertz, einem Staatsanwalt und der gestern aussagenden Zeugin der Kriminalpolizei gegeben. Neun Monate nach der ersten „anonymen“ Anzeige kamen die Ermittlungen danach ins Rollen. Eine zweite „anonyme“ Anzeige folgte dem informellen Treffen um die Vorwürfe für die Ermittler greifbarer zu machen, so die Zeugin Silke T. Dieses Treffen wurde im Ermittlungsakt nicht erwähnt.

So konnte sich Aegis Media CEO Andreas Bölte von den Ermittlungen und Hausdurchsuchungen völlig überrascht zeigen, um glaubwürdig Ruzickas Posten einzunehmen. Aegis Media habe erst „letzte Woche Kenntnis von den Ermittlungen“ bekommen, teilte die Mediaagentur der Öffentlichkeit am 22.September 2006 mit. Das Aegis-Trio soll sein Vorgehen im März 2006 gegenüber den Ermittlern damit erklärt haben, dass etwas unter den Teppich hätte gekehrt werden können wenn man nicht anonym agiert hätte, so die Kriminalbeamtin und Zeugin Silke T. Ruzicka ließen Aegis und Staatsanwalt dennoch in seiner Position als CEO von Aegis Media.

Ob dessen damaliger Vorgesetzter und heutige Aegis Global CEO Jerry Buhlmann über die Vorgänge informiert war, wird der Prozess zeigen. Denn allein nach den beiden „anonymen“ Anzeigen soll Ruzicka Aegis-Gelder in Höhe von 30 Millionen Euro veruntreut haben. Andreas Bölte soll als Grund für die Art der Anzeige gegen seinen eigenen Vorgesetzten genannt haben, dass Freispots fehlen würden. Er habe behauptet, dass es gar nicht möglich sei, von der Barterfirma Emerson FF Werbespots zu kaufen. Dennoch wurden die angeblich dubiosen Zahlungsflüsse zu Emerson FF ein weiteres halbes Jahr bis September 2006 weder ausgesetzt noch beendet.

Bei den Hausdurchsuchungen am 12.September 2006 hatte sich die Ermittlerin mehr Kooperation von Aegis Media erwartet. Für die Mediaeinkaufs-Abteilung der Aegis Media Central Services am Kreuzberger Ring in Wiesbaden musste ein weiterer Durchsuchungsbeschluss beigeschafft werden. Andreas Bölte und Anwalt Johann-Christoph Gaedertz hatten trotz des 15 Monate lang gehegten Bedürfnisses nach Aufklärung und Unterbindung einer möglichen Untreue darauf bestanden. Die leitende Ermittlerin dazu: „Ich fand das Verhalten komisch“.

Gegenüber der Fachzeitung Horizont äußerte Gaedertz diese Woche, dass er an jenem Tag bis in den Abend hinein der Polizei geholfen habe Unterlagen zu identifizieren. Dennoch wurde zu Prozessbeginn deutlich, dass vom Gericht für die Wahrheitsfindung als wesentlich erachtete Unterlagen damals nicht sichergestellt wurden. Beispielsweise Kundenverträge, Geschäftsbesorgungsverträge, Share-Deal-Commitments oder Ex-Post-Analysen von Mediaplänen, die das angebliche Fehlen von Freispots hätten transparent machen können. Aleksander Ruzicka soll zudem bei der Durchsuchung seiner Wiesbadener Villa versucht haben, ein schwarzes Buch und einen Laptop „verschwinden zu lassen“, so die Zeugin.

Es wird konkreter: das Landgericht Wiesbaden, unter Vorsitz von Richter Jürgen Bonk, möchte ab 11.Juni die Gründe für die Zahlungsströme zwischen Aegis Media, der Barterfirma Emerson FF und den angeblichen Schein- und Tarnfirmen Camaco, Watson, Ortago, Life2Solutions und Objektgesellschaft Haideweg erörtern.mz