Franchising in China? Die Zeit ist reif

Während Systemgastronomen in China bereits erste Erfahrungen mit dem Fanchising sammeln, ist das Konzept im Handel neu. Der Lizenzbetrieb als Markteintrittsform ist attraktiv. Nicht nur aufgrund der neuen Gesetze für ausländische Unternehmen.

Mit einem kontinuierlich hohen Wirtschaftswachstum von prognostizierten jährlich mehr als zehn Prozent in den kommenden Jahren bildet sich in China eine kaufkräftige Mittelschicht mit schätzungsweise 125 Millionen Haushalten im Jahr 2012 heraus. China avanciert damit zu einem der attraktivsten Einzelhandelsmärkte weltweit mit einem jährlichen Volumen von heute schon circa 600 Millionen Euro. Dabei konzentrieren sich sowohl Angebot als auch Nachfrage derzeit hauptsächlich auf die drei großen wirtschaftlichen Zonen mit den Metropolen Beijing im Norden, Shanghai im Osten sowie Guangzhou und Shenzhen im Süden des 1,2 Milliarden Einwohner zählenden Landes. Stadtbewohner bestimmen schon heute mehr als die Hälfte des gesamten Einzelhandelumsatzes mit weiterhin steigender Tendenz. Durch die 2008 stattfindenden Olympischen Spiele in Beijing wird ein deutlicher Schub erwartet – Enthusiasten vermuten, dass Chinas Hauptstadt glatt zehn Jahre an Wirtschaftswachstum auf einmal überspringen kann.

Der fortschreitende Reifegrad des chinesischen Einzelhandels zeigt sich nicht nur in der Verschiebung vom Lebensmitteleinzelhandel zu Gunsten von Non-Food Sortimenten. Hier boomen Bekleidung, Unterhaltungselektronik oder auch Einweg-Papierprodukte. Auch weichen traditionelle Kanäle wie die „Wet Markets“ (Straßenmärkte mit Frischprodukten) heute modernen großflächigen Super- und Hypermärkten. Chainstore-Konzepte spielen mit zirka zehn Prozent Anteil am Einzelhandelsumsatz eine noch verhältnismäßig kleine Rolle. Größter internationaler Player ist Cash-und Carry Gigant Carrefour, der seit 1995 mittels Joint Ventures erfolgreich den Markt bearbeitet, und die 100-Outlets-Marke bald überschritten haben will. In diesem Segment – auch gestützt durch staatliche Förderung – ist großes Wachstum zu erwarten.

Franchising noch unterentwickelt
Seit dem Beitritt Chinas zur WTO in 2001 gewinnt das Unternehmensmodell Franchising in China an Bedeutung, steckt aber noch in Kinderschuhen: Trotz enormer Wachstumsraten von mehr als 50 Prozent pro Jahr stehen Franchise Konzepte für lediglich zwei Prozent Umsatz des gesamten Chainstore Segments. In der Vergangenheit sind nur wenige ausländische Unternehmen mit einem Franchisemodell in den chinesischen Markt eingetreten. Die Angst vor dem Verlust von Handelsgeheimnissen und intellektuellem Kapital aufgrund fehlender rechtlicher Rahmenbedingungen hat dazu geführt dazu, dass bspw. Fast-Food-Restaurants bekannter Systemgastronomen und Franchiser wie McDonald’s bislang weitgehend in eigener oder in der Hand eines Joint Ventures waren. Eine der wenige Ausnahmen ist Kaffeespezialist Starbucks, der 1995 mittels Verkauf von drei Masterfranchiselizenzen in den Markt eintrat, und heute schon mehr als 195 Coffee Shops (Stand: Januar 2006) betreibt.

Mit Wirkung zum 1. Februar 2005 sind in China erstmals detaillierte Regelungen festgeschrieben worden, die u.a. Voraussetzungen und Vertragsinhalte regeln, und damit den Startpunkt zur weit reichenden Etablierung von Franchising in China legen. Trotz dieser verbesserten legalen Rahmenbedingungen existieren nach wie vor Einschränkungen und rechtliche Unsicherheiten. Ausländischen Franchisegebern ohne rechtliche Einheit in China (mit Ausnahme des Bezirks Beijing) ist es nicht möglich, Lizenzen an einen chinesischen Franchisenehmer zu verkaufen. Darüber hinaus müssen Franchisegeber vor der Möglichkeit zur Vergabe von Lizenzen für die Dauer von mindestens zwölf Monaten im Minimum zwei eigene Geschäfte direkt in China betreiben. Als „eigene Geschäfte“ gelten dabei Geschäfte des ausländischen Unternehmens selbst oder Tochter- und Muttergesellschaften, des Weiteren auch Geschäfte eines Joint Ventures, an dem das ausländische Unternehmen mehrheitlich beteiligt. Bekanntestes Beispiel für dieses Modell ist Burger King, der 2005 als eigenständiges Unternehmen mit selbst betriebenen Restaurants in den Markt eingetreten ist und mittels Franchising ambitionierte Expansionspläne realisieren will.

Zwischen kulturellen Unterschieden und Markenpiraterie
Darüber hinaus existieren nach wie vor rechtliche Grauzonen, die gewisse Risiken für den Franchisegeber in sich tragen. So hat der Franchisegeber beispielsweise die Pflicht, den Franchisenehmer mit allen „notwendigen Informationen zum Geschäftsbetrieb“ zu versorgen. Im Falle eines Versagens des Franchisenehmers ist daher unklar, ob dieser den Franchisegeber verklagen kann. Die bislang sehr dynamische Entwicklung der legalen Rahmenbedingungen lässt jedoch erwarten, dass in Kürze weitere Hemmnisse für ausländische Interessenten wegfallen werden.

Die geringe Erfahrung mit Franchising in China hat dazugeführt, dass bisher nur kurzfristige Verträge zwischen Frachisegebern und –nehmern abgeschlossen wurden. Zum einen zeigen sich chinesische Franchisenehmer oftmals illoyal, sobald sie glauben, für sich keinen Lerneffekt mehr aus der Partnerschaft ziehen zu können. Zum anderen scheuen Franchisegeber aufgrund unzureichender Kontrollmöglichkeiten Verträge mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Monaten abzuschließen.

Think global, act regional! Westliche Unternehmen unterschätzen immer wieder die kulturellen, gesellschaftlichen, sozialen sowie politischen Unterschiede gegenüber Europa oder den USA. Darüber hinaus zeichnet sich der chinesische Markt auch in sich durch seine Heterogenität in punkto Marktreife, Pro-Kopf-Einkommen, Konsumpräferenzen und Morphologie aus. Wichtige notwendige Adaptationen des Marketing-Mix, Go-To-Market Ansatz oder Positionierung unterbleiben oftmals aus Unkenntnis. Beispielsweise musste IKEA sein Do-it-yourself Konzept nach Startschwierigkeiten adaptieren- Produkte werden nun zum chinesischen Kunden geliefert und dort vor Ort aufgebaut.

Auch Verstöße gegen intellektuelles Kapital stellen mit circa 13 000 Fällen jährlich – trotz verschärfter Gesetze und strafrechtlicher Verfolgung – noch immer eine große Hemmschwelle für viele ausländische Investoren dar. Franchiser im Speziellen sehen sich dabei zum einen der Gefahr gegenüber, dass ihr Geschäftsmodell kopiert wird, zum anderen, dass der Franchisenehmer die Marke auch nach Beendigung des Vertrages weiterhin benutzt. So musste die US-amerikanische Restaurantkette TGI Friday’s kurz nach ihrem Markteintritt erfahren, dass ein lokaler Wettbewerber ein ähnliches Konzept unter dem Namen „TGI Saturday’s“ betrieb.

Für eine schnelle räumliche Expansion in China kommt erschwerend hinzu, dass etablierte Infrastrukturen und Distributionsnetzwerke für funktionierende Warenwirtschaftssysteme fast ausschließlich in den Metropolen existieren. Mit dem „Zehnten 5-Jahresplan“ hat die chinesische Regierung jedoch massiv Investitionen in den Infrastrukturaufbau forciert. Die Rahmenbedingungen auf diesem Gebiet beginnen sich also zu verbessern. Lieferantenwahl sowie schlecht kalkulierbare Lieferzeiten können dennoch weiterhin zum Stolperstein werden.

Das richtige Geschäftsmodell wählen

Entscheidend für den Erfolg beim Markteintritt als Franchisegeber sind neben der Auswahl der adäquaten Rechtsform und gegebenenfalls. der richtigen regionalen Partner, auch die Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung zum Franchiser. Darüber hinaus spielen die Adaption des Marketing Mixes und des Marktauftritts an chinesische Konsumpräferenzen und spezifische Gegebenheiten sowie der rechtzeitige Kontaktaufbau zu nationalen und regionalen Behörden eine entscheidende Rolle.

Abb. 1: Erfolgsfaktoren im Überblick

Bei der Wahl der passenden Rechtsform stehen dem künftigen Franchisegeber grundsätzlich drei Alternativen zur Verfügung: Die Gründung eines zu 100 Prozent in Eigenbesitz befindlichen Unternehmens, Aufbau eines Joint Ventures mit einem chinesischen Partner oder Cross Border Franchising (dieses ist aktuell nur in Beijing möglich, Stand April 2006). Neben selbst betriebenen Outlets kann als Franchiseform zwischen Masterfranchising (Vergeben einer Masterlizenz an einen regionalen Investor, der wiederum in Eigenregie Verträge mit lokalen Franchisenehmern abschließt) oder Direct Franchising (Franchisegeber schließt direkt Verträge mit Franchisenehmern) gewählt werden. Die adäquate Rechtsform und Franchisemodell sind abhängig von der konkreten Situation und den Zielsetzungen des jeweiligen Franchisers. Vereinfacht gilt, dass bei geringer Marktkenntnis und einem kaum etablierten Netzwerk an Kontakten ein Joint Venture, und bei einem hohen Bedürfnis an operativer Kontrolle des Geschäfts das Direct Franchising zu präferieren ist.

Abb. 2: Rechtsformen und Franchisemodell im Überblick

Den richtigen Partner finden
In den frühen 1990er Jahren gingen viele der ausländischen Franchisegeber über Partnerschaften mit in Hongkong basierten oder taiwanesischen Investoren in den Markt. Heute sind verstärkt chinesische Geschäftspartner aktiv vertreten. Bei deren Auswahl sollten vor allem Kriterien wie solide finanzielle Ressourcen, langjährige Erfahrung im regionalen Einzelhandel, etabliertes Beziehungsnetzwerk zu staatlichen Behörden sowie vorweisbare Erfolge Anwendung finden. Starke Partner mit hohem Einfluss reduzieren außerdem das Risiko des Missbrauchs von intellektuellem Kapital durch Dritte. Potenzielle Joint Venture Partner bzw. Masterfranchisenehmer, die alle drei großen Wirtschaftsregionen Chinas abdecken, gibt es jedoch bislang kaum. Ein Markteintritt in alle drei Wirtschaftsregionen kann daher in der Regel nur mit mehreren Partnern erfolgen wie das Beispiel Starbucks zeigt, die mit je einem Masterfranchisee für die drei Regionen in den chinesischen Markt gestartet sind.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Die Ausgestaltung der Geschäftsbeziehung mit dem Franchisenehmer insbesondere zu Serviceumfang und Kontrollmechanismen kann entscheidend zum Erfolg beitragen. Zum einen wird das Risiko des Missbrauchs von intellektuellem Kapital reduziert, zum anderen die Loyalität des Franchisenehmers erhöht. Bisher erfolgreiche Franchisekonzepte stellen den Franchisenehmern eine Vielzahl von Services zur Verfügung stellen. In der Startphase gehören dazu Services wie Design des Geschäfts, finanzielle Unterstützung und detaillierte Handbücher. Wichtigste laufende Services sind eine aktive Managementunterstützung, Trainings und Unterstützung bei Vertriebs- und Marketingmaßnahmen. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass vermeintlich selbstverständliche Aktivitäten wie die Reinigung von Geschäften dem Franchisenehmer im Detail beschrieben werden müssen. Zur Absicherung einer effektiven Franchisebeziehung sollten ferner einige Kontrollmaßnahmen getroffen werden. Dazu gehört vor allem die Registrierung der Marke im Vorfeld des Markteintritts, die individuelle Prüfung und Autorisierung jedes Franchisees sowie die Installation von Kontrollmechanismen wie Kennziffern, unangekündigte Store Checks oder auch Kundenbefragungen.

Der chinesische Schnäppchenjäger schaut nach der 8
Für die Adaption des Marketing Mixes ist eine genaue Kenntnis der Konsumpräferenzen und finanziellen Möglichkeiten der chinesischen Zielgruppe unerlässlich. Das stark gestiegene verfügbare Haushaltsnettoeinkommen chinesischer Metropoliten macht die „Chinese new middle class“ zum Ziel vieler westlicher Unternehmen. Nicht nur Offenheit und Interesse an westlicher Kultur, sondern auch die boomende Nachfrage nach westlichen Produkten und Marken zeichnen die eher jüngeren Konsumenten aus. Jedoch bestehen nach wie vor in vielen Bereichen deutliche Unterschiede gegenüber westlichen Konsumenten. Eine klare Positionierung als westliche Premium-Brand hat in Vergangenheit zum Erfolg vieler westlicher Unternehmen in China beigetragen. Preislich können westliche Markenprodukte daher teilweise durchaus auf europäischem oder US-amerikanischem Niveau platziert werden. Bei der Sortimentszusammenstellung sollten lokale Geschmacksrichtungen unbedingt berücksichtigt werden – bspw. hat Marktführer Nike speziell für den chinesischen Markt im Jahr des Hundes einen Sportschuh mit dem entsprechenden Sternzeichen entwickelt. Generell gilt, dass auch die spezifischen regionalen Gegebenheiten in der Produktadaption zu berücksichtigen sind. So verkaufen sich BMX Räder für den südchinesischen Markt besser, wenn die Größe der Physiognomie des Benutzers entspricht.

Auch ist die Promotion und Kommunikationslogik in China eine andere. Promotions finden vor und während den chinesischen Feiertragen statt, insbesondere vor dem chinesischen Neujahr Ende Januar. Preisreduzierungen werden beispielsweise nicht durch Streichpreise kommuniziert, sondern gerne durch die chinesische Glückszahl „Lucky 8“, welche eine Reduzierung des Preises auf 80 Prozent des Originalpreises bedeutet.

Value Added Services wie Verkaufsberatung, zusätzliche Garantieleistungen oder Online Kundenservices sind in der lokalen Handelslandschaft bislang weitestgehend unbekannt, können aber gute Chancen zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern darstellen. Darüber hinaus erschweren diese Services ein Kopieren des Geschäftsmodells.

Innenstadtlage statt grüner Wiese
Chinesen bevorzugen es in prominenten Lagen in der Innenstadt, am liebsten in gigantischen Shopping Malls, einkaufen zu gehen. Geschäfte in Wohngegenden sind dagegen eher unüblich. Die Knappheit an geeigneten Lagen für Geschäfte hat die Mieten in der Vergangenheit auf westliches Preisniveau steigen lassen. Monomarken-Vertriebskonzepte im Non-Food-Bereich, die es schaffen ein aufregendes westliches Einkaufserlebnis zu vermitteln und idealer Weise dabei mit westlichen Celebrities werben, erfreuen sich großen Erfolgs in China.

Nicht nur die Systemgastronomie sollte vom Konzept Franchising profitieren. Auch für expansionswillige Einzelhändler bietet sich hier eine interessante Möglichkeit – unter Berücksichtigung der genanten Erfolgsfaktoren – mit geringerem Kapitaleinsatz am chinesischen Marktswachstum zu partizipieren.

Autoren:
Die Autoren Ulrike Boeckers und Martin Sondenheimer sind Berater bei Capgemini Consulting in Deutschland. Ni Yun Hua ist Berater des Unternehmens in China.

eingestellt am 23. November 2006