Flip-Flops an, Laptop auf

Wie passen Arbeit und Urlaub zusammen? Workation ist gerade ein Megathema, wird aber oft falsch verstanden. Eine kleine Aufklärung.
Der Anbieter The Hub Ibiza bietet Unternehmen und Selbstständigen moderne Working-Spaces auf der Baleareninsel an. (© the.HUB Ibiza)

Homeoffice war gestern. Jetzt machen wir alle Workation. Das Arbeiten mit Poolblick oder Alpenpanorama ist mächtig „in“, denn es sorgt bei von Heimarbeit- und Bürofrust geplagten Mitarbeitenden für gute Laune und neue Kreativität. Und es beschert Arbeitgebern neue Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung und Produktivitätssteigerung. Laut einer Studie der Plattform workation.de vom Juni 2022 bevorzugen bereits 51 Prozent aller Befragten beim Jobwechsel einen Arbeitgeber, der ihnen im Arbeitsvertrag eine Workation anbietet. In einem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis ziehen sogar 40 Prozent der Befragten eine 14-tägige Workation einer Gehaltserhöhung vor. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) glaubt zudem an einen Produktivitätszuwachs der eigenen Arbeitsleistung während einer Workation. Da wundert es kaum, dass immer mehr Arbeitgeber*innen ihren Mitarbeitenden Remote Work auch fern von zu Hause ermöglichen wollen.

Allerdings: Mit zunehmendem Hype um das Thema steigt auch die Verwirrung. Denn anders, als es das Wortgebilde nahelegt, meint Workation gerade nicht einen Mix aus Arbeit (Work) und Urlaub (Vacation), sondern einen Mix aus Arbeit und Urlaubsort. Für Selbstständige und Digitalnomaden, die den Workation-Trend einst ins Rollen brachten, mag das gleich sein. Für Festangestellte und deren Arbeitgeber ist es ein gewaltiger Unterschied. Denn wer in Festanstellung arbeitet, muss für die Workation keinen Urlaub nehmen. Wenn doch, müsste der Hashtag dazu nicht #workation, sondern #Ausbeutung oder #ArbeitenImUrlaub lauten. Dass das keine Petitesse ist, zeigt die wachsende Zahl an Social-Media-Posts, in denen sich Menschen dafür feiern, NICHT in #workation, sondern in #vacation zu sein.

Drei Varianten von Workation

Für Festangestellte gibt es also grundsätzlich drei Workation-Varianten. Variante 1: An einen normalen Urlaubsaufenthalt werden ein paar Tage bezahltes Arbeiten drangehängt. Variante 2: Man bricht zu einer mehrtägigen bis mehrwöchigen Auslandsreise ausschließlich zum Remote-Arbeiten auf. 3.: Man arbeitet generell remote aus einem anderen (Urlaubs-)Land. Und genau diese drei Varianten können smarte Arbeitgeber als ziemlich gutes HR-Instrument zur Mitarbeiterbindung nutzen – und tun dies auch heute schon.

Bei der Allianz etwa steht es den weltweit mehr als 155.000 Mitarbeitenden seit 2021 frei, bis zu 25 Tage im Jahr ihr Büro und/oder Homeoffice zu verlassen, um aus dem Ausland zu arbeiten. Ohne Urlaub zu nehmen und rechtlich sowie arbeitsorganisatorisch voll abgesichert. Dafür hat der Konzern eigens neue Tools entwickelt, die Remote Work im Einklang mit den jeweiligen Firmenbestimmungen ermöglichen. „Hybrides Arbeiten ist das New Normal“, heißt es dazu bei Allianz.

20 Arbeitstage in zwei EU-Ländern mobil arbeiten

Genauso normal ist das Thema bereits beim Reifenhersteller Continental. Seit März 2022 hat das Unternehmen eine neue Konzernbetriebsvereinbarung zum hybriden Arbeiten und eine Richtlinie zu „Cross-Border Mobile Work“. So können jetzt alle Mitarbeitenden jeweils bis zu 20 Arbeitstage in zwei Ländern der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder in der Schweiz mobil arbeiten. Zunächst gilt das Pilotprojekt nur für Beschäftigte in Deutschland. Doch parallel dazu arbeitet die Projektgruppe daran, „die neue Möglichkeit auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in weiteren europäischen Ländern anbieten zu können“, schreibt Ariane Reinhart, Mitglied des Vorstands Group Human Relations (HR) und Nachhaltigkeit bei Continental, auf LinkedIn.

Zunehmend beliebt ist Workation naturgemäß auch bei Agenturen. Gerade die kreative und meist recht junge Klientel findet derlei Arbeitgeberangebote extrem wichtig. Laut einer YouGov-Studie vom Mai 2022 würden 23 Prozent der 18- bis 24-Jährigen das Homeoffice gerne einmal ins Ausland verlegen. Bei den über 55-Jährigen seien es hingegen nur fünf Prozent. Jan Bechler, Gründer und Chef der Agentur Finc3, mietet schon seit vier Jahren für jeweils drei Monate im Sommer spezielle Workation-Locations: 2019 eine Finca auf Mallorca, 2021 (nach der Pandemiepause 2020) einen Bauernhof in Norddeutschland und 2022 eine Wohnung plus Co-Working-Space in Barcelona. Bis zu zehn Finc3-Mitarbeitende können jeweils gleichzeitig vor Ort sein. Bis Ende August sollen so schon etwa 100 der insgesamt rund 150 Agenturmitarbeitenden das Angebot wahrgenommen haben. Die meisten von ihnen blieben zwischen drei und sieben Tage vor Ort.

Keine Video-Calls per Handy vom Pool

Auch Bechler selbst stattete bislang jeder Workation-Location einen Arbeitsbesuch ab. „Die Zeit in unserem Workation-Office werden die Kolleginnen und Kollegen ihr Leben lang mit Finc3 verbinden. Es ist also eine Investition in die langfristige Bindung“, sagt er und räumt mit einem Vorurteil auf: „Das Tagesgeschäft für Kunden leidet darunter nicht. Das haben uns Kundenbefragungen gezeigt.“ Damit das so ist, hat Finc3 klare Regeln definiert: Remote Work muss immer vorher mit dem Team besprochen werden, die Teilnahme an internen und externen Meetings muss sichergestellt werden, grundsätzlich darf die Qualität der Arbeit nicht leiden, und auch remote müssen schnelles Internet und eine ruhige Arbeitsumgebung sichergestellt sein. Bechler: „Videocalls mit dem Kunden per Handy vom Pool wird es nicht geben – bei aller Liebe zu Workation.“

Längst ist rund um die Workation eine neue Reiseindustrie entstanden. Immer mehr Destinationen und Locations bieten moderne Working-Spaces inklusive Catering und Entertainment aller Art an. Einer dieser Anbieter ist The Hub Ibiza. Für ihn hat sich Adone Kheirallah entschieden. Der Gründer und Chef der Düsseldorfer Agentur Stagg & Friends setzt für seine rund 30 Mitarbeitenden schon lange auf Remote first. Jetzt bietet er ihnen auch die Möglichkeit, ganzjährig von Ibiza aus zu arbeiten. „Wir versuchen weiterhin herauszufinden, inwiefern in Sachen Remote Work noch mehr geht“, sagt Kheirallah. „Dazu passen auch die Work-Spaces auf Ibiza.“ Was ihn das neue Angebot konkret kostet, verrät er nicht. Nur so viel: „Weniger, als man denkt. Der Mehrwert dieses Invests lässt sich eigentlich gar nicht in Geld messen: Unsere Mitarbeitenden sind glücklicher. Und wer glücklicher und ausgeglichen ist, leistet bekanntlich auch mehr.“

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.