Jubiläum in unruhigen Zeiten: Deutsche Bank wird 150

Viel zu feiern hatte die Deutsche Bank zuletzt nicht. Das 150. Jubiläum wäre endlich mal wieder ein Anlass dazu gewesen. Doch nun musste das Geldhaus seine für den 21. März geplante 150-Jahrfeier in Berlin wegen des Coronavirus absagen und die Aktie ging auf Crashkurs.
Eine Aktie der Deutschen Bank aus dem Jahr 1873 (© Deutsche Bank)

Im Jubiläumsjahr 2020 wollte die Deutsche Bank zu ihren Wurzeln zurückkehren: Mit einem Festakt in Berlin inklusive Grußwort des Bundespräsidenten und Auftritt der Berliner Philharmoniker, so der Plan, sollte Deutschlands größtes Geldhaus am 21. März an die Gründung des Instituts vor 150 Jahren erinnern. Die Konzession erhielt die Bank bereits am 10. März 1870, elf Tage später tagte damals die erste Generalversammlung des neu gegründeten Geldhauses.

Am Montag dann die Absage: Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus könne das Geldhaus nicht am Festakt zum Jubiläum festhalten, hieß es in einem Brief von Konzernchef Christian Sewing und Aufsichtsratschef Paul Achleitner an die Belegschaft. „Zum einen geht es selbstverständlich um die Gesundheit aller Beteiligten. Wir wollen nicht riskieren, dass unsere Gäste oder die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sich anstecken“, heißt es in dem Schreiben. „Zum anderen ist eine verlässliche Planung angesichts der jüngsten Ereignisse in Deutschland und Europa so nicht mehr möglich.“ Man prüfe nun, wie man das Jubiläum in der zweiten Jahreshälfte begehen könne.

Aktienkurs setzt Talfahrt fort

Die Absage war noch nicht einmal die schlimmste Nachricht für das Kreditinstitut an diesem Tag – die kam von der Börse: Sowohl die Papiere der Deutschen Bank als auch die der Commerzbank sackten am Montag zeitweise auf neue Tiefstände in ihrer über 30-jährigen Dax-Zugehörigkeit. Die Deutsche-Bank-Aktie verlor im Tagesverlauf bis zu 17 Prozent und schloss am Ende mit einem Minus von 13,3 Prozent auf 5,85 Euro. Damit setzte sich die Talfahrt der vergangenen zwei Wochen bescheunigt fort. Mitte Februar hatte der Börsenkurs noch an der Zehn-Euro-Marke gekratzt.

Schon in letzter Zeit hatte der Dax-Konzern wenig zu feiern: Die vergangenen fünf Jahre schloss die Deutsche Bank allesamt mit Verlust ab. Die goldenen Zeiten für Banker sind vorerst vorbei. Seit mindestens zwei Jahrzehnten sucht die Deutsche Bank nach der richtigen Balance zwischen eher biederem Privatkundengeschäft und tendenziell riskanterem Kapitalmarkttreiben. Der amtierende Konzernchef Christian Sewing versucht es mit einem radikalen Umbau: Tausende Jobs werden gestrichen, das Investmentbanking wird gestutzt.

Sicherheitshalber spannte Sewing selbst den Bogen zu den Wurzeln der Bank, als er im Juli 2019 seinen über Monate ausgetüftelten Plan präsentierte: „Die Bank fokussiert sich jetzt auf das, was sie wirklich gut kann.“ Kern der Deutschen Bank soll die neue Sparte Unternehmensbank werden, die sich um Mittelständler, Familienunternehmen und multinationale Konzerne kümmert. Damit habe das Institut „endlich wieder eine Firmenkundenbank, die weltweit da ist“, schwärmte Sewing. „Das ist die DNA der Deutschen Bank, das ist das, wofür die Bank vor 150 Jahren gegründet worden ist.“

Commerzbank kurz zuvor in Hamburg gegründet

Die Gründer der „Deutschen Bank Actien-Gesellschaft mit dem Sitze zu Berlin“ schrieben sich 1870 auf die Fahnen: „Bankgeschäfte aller Art zu betreiben, insbesondere die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland, den übrigen europäischen Ländern und überseeischen Märkten zu fördern und zu erleichtern.“

Der Bedarf nach kapitalstärkeren Banken war groß: Kurz zuvor wurde in Hamburg die Commerzbank gegründet. Beinahe hätten die beiden größten deutschen Privatbanken ihren runden Geburtstag zusammen begehen können, doch der Plan einen „nationalen Champion“ zu schmieden, scheiterte vor knapp einem Jahr.

Die Deutsche Bank nahm am 9. April 1870 in gemieteten Räumen im ersten Stock eines unscheinbaren Hauses in der Französischen Straße in der Mitte Berlins ihre Geschäfte auf. Frankfurt am Main wurde erst am 2. Mai 1957 Hauptsitz des Instituts. Einfach waren die Anfangsjahre nicht, wie die Führung des Instituts im Bericht über das Geschäftsjahr 1871 einräumte: „Das commercielle und finanzielle Uebergewicht Englands verweiset den Kaufmannsstand der überseeischen Plätze fast allein auf London.“

Werbeslogan „Wünsche werden Wirklichkeit“ in Wirtschaftswunderzeit

Die Banker der Gründerzeit zeigten sich kämpferisch – und die Ausdauer zahlte sich aus. Die Bank eröffnete schon in den ersten Jahren Filialen in Yokohama, Schanghai sowie London und finanzierte bald nach ihrer Gründung den Aufstieg der heimischen Industrie: Kohle, Stahl, Textil. Im Frühjahr 1914 bezeichnete die „Frankfurter Zeitung“ die Deutsche Bank als „größte Bank der Welt“. Auch das deutsche Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg brauchte starke Finanzierer. Die Deutsche Bank warb: „Wünsche werden Wirklichkeit“.

Über Beteiligungen an allen wichtigen deutschen Konzernen machte sich die Deutsche Bank im Geflecht mit der Industrie über Jahrzehnte hinaus unverzichtbar, der spätere Vorstandschef Rolf Breuer (1997-2002) galt als „Strippenzieher der Deutschland AG“. Auf den internationalen Finanzmärkten spielte Deutschlands größtes Geldhaus über Jahre auch dort mit, wo später Aufseher und Juristen die Scherben zusammenkehren und Milliardenstrafen verhängen.

Bis Sewing die Früchte des Konzernumbaus ernten kann, wird es noch eine Weile dauern. Im laufenden Jahr will der Dax-Konzern wieder Gewinn machen – zumindest vor Steuern.

dpa/tht