Feelgood Manager – Arbeitszeit ist Lebenszeit

Wer Feelgood Manager als Gute-Laune-Beauftragte abtut, hat das Konzept nicht verstanden: Mitarbeiter, die sich wohlfühlen, sind für Unternehmen das beste Kapital. Darum muss sich jemand kümmern.
Der Feelgood Managers soll kein professioneller Pausenclown sein. (© Unsplash/Jacqueline Munguia)

Feelgood Manager. Klingt so witzig-freundlich, dass sich Ersthörer und Unkundige fragen, ob das ein echter Beruf sein kann. Wenn dann noch jemand den „Chief Happiness Officer“ ins Spiel bringt und dazu das dritte Feierabend-Bier bestellt, endet die Diskussion schnell in der Abteilung „Jux und Tollerei“. „Der Begriff kommt launig daher, aber dahinter steht ein wichtiges Thema“, sagt Jessica Lange, Autorin des Fachbuchs „Feel Good Management“. „Es geht dabei nicht um den Job eines professionellen Pausenclowns. Auch die oft genannte Beschreibung als ,gute Seele des Unternehmens‘ reicht zu kurz.“

Monika Kraus-Wildegger weiß, dass „Feelgood Manager“ rasch missverständliche Assoziationen wie Wohlfühlmanager oder Gute-Laune-Beauftragter auslöst, findet die Bezeichnung aber dennoch gut, „weil sie polarisiert, provoziert, Emotionen auslöst. Menschen denken darüber nach“, sagt die Gründerin von Goodplace. Entscheidender als die Wortschöpfung ist ohnehin: die Wertschätzung. Sie ist der Kern dessen, was Feelgood Management erreichen will: dass Unternehmen den Menschen als wertvollstes Kapital begreifen und ihren Mitarbeitern deshalb ein Umfeld schaffen, in dem sie gern arbeiten, sich wohlfühlen und ihr Potenzial entfalten können. Denn, so Kraus-Wildegger: „Arbeitszeit ist Lebenszeit.“

Mit ihrer 2012 gegründeten Firma will sie Unternehmen und Personen befähigen, Feelgood-Kultur zu gestalten. Die definiert sie als „menschliche Wertekultur-Landkarte eines Unternehmens“ und Feelgood Manager als „Kulturgestalter für wertschätzende menschliche Arbeitswelten“. Goodplace bildet in seiner Akademie zertifizierte Feelgood Manager aus, das Berufsbild wurde gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut entwickelt. Die Fachausbildung findet über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr berufsbegleitend statt und umfasst sechs Module. Bislang haben über 300 Menschen daran teilgenommen.

Es geht nicht um Bespaßung

Zu den Pionieren der Bewegung in Deutschland gehört Jimdo. 2007 gegründet, stellte die Firma, die ihr Geld mit Website-Baukästen für Selbstständige verdient, vier Jahre später die erste Feelgood Managerin ein. Die Geschäfte liefen glänzend, die Belegschaft wurde immer größer. Und da kam die Frage auf, wie Start-up-Mentalität und gutes Arbeitsklima weiterhin gedeihen, wenn das Unternehmen personell so schnell wächst. Jimdo will nämlich, „keine leeren ausgelaugten Arbeitsleichen, sondern frische Kollegen, die Lust auf das haben, was sie tun“, wie das inzwischen rund 70 Millionen Euro Umsatz starke Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern postuliert. Fridtjof Detzner, einer der drei Jimdo-Gründer, begründete die Entscheidung, in Feelgood Management zu investieren, damit, dass sich jeder Mitarbeiter wohlfühlen und seine Ideen frei entfalten können soll. Es gehe aber ausdrücklich nicht darum, „einen Bespaßer zu finden, der die Mitarbeiter bei Laune und möglichst lange im Büro hält“.

Seit zehn Jahren ist Feelgood Management auch bei der Spread Group („Spreadshirt“) ein Thema. Unter anderem deshalb, weil ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl nicht mehr automatisch jeder jeden kennen kann. Der persönliche Austausch ist aber wichtig für ein lebendiges Miteinander. „Das geistige und körperliche Wohlbefinden sowie das Gemeinschaftsgefühl im Team sind die Basis unserer Unternehmenskultur“, betont Theresa Kretzschmar, Personalchefin der Spread Group.

Beispiele für Feelgood-Aktionen dort sind eine Lunch-Lotterie, durch die Leute zusammenkommen und dann auf Firmenkosten zusammen Mittag essen. Es gibt auch C-Level-Lunches, bei denen sich eine kleine Gruppe von Mitarbeitern mit Führungskräften zum Essen trifft. Freiwillige Gesprächsrunden unter Kollegen, zu denen man sich am Abend trifft, sind ebenfalls Teil der organisierten Kommunikation.

Vier Rollen des Feelgood Managers

Ein Feelgood Manager nimmt laut Monika Kraus-Wildegger vier Rollen ein. Er ist Manager des Feelgood-Management-Systems, das heißt, er kümmert sich um Aufbau, Entwicklung und Strukturen einer Feelgood-Kultur. Als Stimmungs-Seismograf ist er Vertrauensperson und Ansprechpartner für Kollegen; aus der Vielzahl von Gesprächen und Beobachtungen kann er Befindlichkeiten, Stimmungen und Kommunikationsbedarf erkennen und präventiv handeln. Das schließt einen regelmäßigen Jour fixe mit dem Management ein. Als Schnittstellenpartner und Multiplikator vernetzt er sich im Unternehmen und arbeitet mit unterschiedlichen Experten zusammen, von der Personalabteilung bis zum Coach, vom Eventmanager bis zum Organisationsentwickler, von der internen Kommunikation bis zur Geschäftsführung.

Zudem agiert der Feelgood Manager als Impulsgeber, der zum Beispiel neue Lern- und Wissensaustauschformate anstößt wie Vorträge und Diskussion während der Mittagspause. Nach eigenen Beobachtungen in den Business-Netzwerken Xing und LinkedIn schätzt Kraus-Wildegger die Zahl der hierzulande aktiven Feelgood Manager auf gut 500, mit deutlich steigender Tendenz. „Das ist kein Trend, der wieder geht. Unternehmen entdecken zunehmend, wie wichtig das Thema und diese Position sind“, sagt die Goodplace-Inhaberin.

So jung das Jobprofil ist, trifft es in Unternehmen bereits auf hohe Zustimmung der Beschäftigten. Laut einer Umfrage unter 350 deutschen Xing-Mitgliedern wünschen sich rund 60 Prozent einen Feelgood Manager, der sich um die aktive Gestaltung der Unternehmenskultur kümmert. Ein starkes Votum, um „eine explizite Position für die Kulturentwicklung zu schaffen. Und zwar nicht zur Bestellung von Obst und um Sprüche an die Wände zu kleben, sondern als Organisationsentwicklung“, folgert Xing-Geschäftsführerin Sabrina Zeplin.

Gerade die jüngere Generation achtet auf die Atmosphäre

Mitunter wird in Stellenanzeigen zwar ein Feelgood Manager gesucht, aber anders genannt, vom Kulturgestalter bis zum Chief Happiness Officer (CHO) oder Culture Transformation Officer. Nicht immer ist die Position als Vollzeit-Job angelegt, sondern Teil eines Aufgabengebiets, zum Beispiel in der Personalabteilung oder direkt an der Geschäftsführung angedockt. „Wichtig ist, dass der CEO und die gesamte Führungsriege ein tiefes Verständnis davon haben und das Konzept auch wirklich umsetzen wollen“, betont Jessica Lange, Beraterin für werteorientiertes Management.

Für Unternehmen werde sich das auszahlen, in mehrerlei Hinsicht. Zum Beispiel im Wettbewerb um Mitarbeiter. In vielen Teilen des Arbeitsmarkts dreht sich der Trend vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt. „Je mehr eine Branche mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat, desto aktiver müssen sich Firmen um Bewerber bemühen. Gerade die jüngere Generation achtet sehr darauf, welche Atmosphäre und Kultur in einem Unternehmen herrschen“, so Lange.

Kein Zufall, dass Feelgood Manager oft in Digitalfirmen und Start-ups anzutreffen sind. Dort ist man offen für moderne Führungsmethoden und hat erkannt, dass gerade kreative Köpfe und Wissensarbeiter eine wertschätzende Wohlfühlatmosphäre goutieren. „Glückliche Mitarbeiter sind keine sozialromantische Spinnerei“, sagt Monika Kraus-Wildegger. Ergebnisse aus Studien und Praxis zeigen: „Jede Feelgood-Investition generiert einen vielfachen Return of Investment und sichert die Zukunft von Unternehmen.“

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.