Fast 60 Prozent aller Influencer*innen fühlen sich diskriminiert

Influencer Marketing gehört für zu den wichtigsten Werbetools für Unternehmen. Doch wie sieht es mit Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion im Influencer Marketing aus? Eine Studie zeigt große Probleme auf.
Influencerin macht ein Selfie von sich
Influencer*innen werben für Produkte und werden dafür bezahlt. Wegen ihrer Glaubwürdigkeit soll das wirksam sein. (© Unsplash/Mateus Campos Felipe)

Inklusive Werbung wirkt sich positiv auf das Kaufverhalten aus. Das ist das Ergebnis eines Reports von Deloitte aus dem Jahr 2021. So sollen gerade in jungen Zielgruppen (18-25 Jahre) Gleichberechtigung, Inklusion und Diversität positiv mit dem Kaufverhalten zusammenhängen. Kein Wunder, dass der Fokus auf jene Themen im Influencer Marketing stetig wächst.

Und auch die Loyalität der Kund*innen wird positiv beeinflusst. „57 Prozent der Verbraucher sind loyaler gegenüber Marken, die gegen soziale Ungerechtigkeiten handeln“, schreibt Deloitte. Doch werden Diversität, Integration und Gleichberechtigung im Influencer Marketing wirklich ernst genommen? Der aktuelle „Racial and Gender Inequalities Influencer Report 2022“ bietet Aufschluss über die Ungleichheiten in der Branche. Und die sind gravierend.

Equity, Diversity und Inclusion waren Themen

Über 2000 Influencer*innen mit unterschiedlichem ethischem Hintergrund wurden befragt. 72,1 Prozent der Befragten wurden als Mikro-Influencer*innen mit weniger als 15.000 Follower*innen definiert; 9,5 Prozent als „regular influencers“ mit zwischen 15.000 und 50.000 Follower*innen und 5,5 Prozent mit einer Anhängerschaft zwischen 50.000 und 100.000 Follower*innen als „rising influencers“.

Bei 4,8 Prozent handelte es sich um Mid-Influencer*innen mit 100.000 bis 500.000 Follower*innen. 2,7 Prozent der Befragten waren Makro-Influencer*innen mit 500.000 bis zu einer Million Follower*innen und schließlich sogar 5,5 Prozent, die sich mit mehr als einer Million Follower*innen als Mega-Influencer*innen bezeichnet wurden.

Bei der Themenauswahl standen Equity, Diversity und Inclusion im Vordergrund. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte aller Influencer*innen (58,3 Prozent) gaben an, sich diskriminiert zu fühlen. Bei den Makro-Influencer*innen waren es sogar 80 Prozent. 58,4 Prozent der Influencer*innen erklärten, dass sie die diskriminierende Erfahrung auf Tiktok erlebt hatten. Dabei scheinen vor allem Fat-Shaming und Mobbing in den Kommentaren zu den Videos und Beiträgen vorzukommen. 21,75 Prozent der Influencer*innen gaben an, wegen ihres Äußerungen Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. 

Am meisten diskriminiert werden die gut bezahlten Influencer*innen

Auffällig ist, dass gut verdienende Influencer*innen – also Makro-Influencer*innen (81,25 Prozent) und Mega-Influencer*innen (69,7 Prozent) – besonders häuftig von Diskriminierung betroffen zu sein scheinen. 30,77 Prozent der Makro-Influencer*innen sollen wegen ihres Aussehens diskriminiert worden sein, bei den Mega-Influencer*innen sind es 26,09 Prozent. 

Nicht nur die ethnische Herkunft spielt der Erhebung nach eine Rolle, auch körperliche Merkmale seien Auslöser für Diskriminierungen. Besonders bei Transgender-Influencer*innen sei das der Fall gewesen: 88,89 Prozent der trans-männlichen Befragten gaben an, diskriminiert worden zu sein, unter den trans-weiblichen Befragten waren es 66,67 Prozent.

47,1 Prozent der Influencer*innen erklärten zwar, selbst nicht diskriminiert worden zu sein, das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine Diskriminierungen miterlebt haben. Diese Influencer*innen wurden zusätzlich gefragt, ob sie Diskriminierung in irgendeiner Form in der Influencer*innen-Branche mitbekommen haben. 60,8 Prozent bejahten diese Frage.

Gender-Gap auch im Influencer Marketing

Ungleichheiten bei der Bezahlung sollen außerdem vorherrschen. Wie IZEA-Daten zeigen, ist der Gender-Gap im Influencer Marketing sogar noch größer als in anderen Branchen – und das, obwohl die meisten Influencer*innen weiblich sind. So erklärten auch hier 47,7 Prozent der Influencer*innen, Geschlechterdiskriminierung bezüglich Gagen erfahren zu haben.

Während im Jahr 2020 Männer durchschnittlich 2258 US-Dollar (rund 2173 Euro) pro Post verdienten, waren es bei den Frauen lediglich 1719 US-Dollar (etwa 1654 Euro). Das entspricht einem Unterschied von 24 Prozent! 2021 wuchs der Gender-Gap sogar auf 30 Prozent: Männer bekamen im Durchschnitt 2978 US-Dollar (umgerechnet 2866 Euro), Frauen 2289 US-Dollar (rund 2203 Euro) pro verkauftem Post.

Aussehen in den sozialen Medien enorm wichtig

Eine Ausnahme gibt es jedoch, und zwar bei den Instagram-Storys. Während im Jahr 2020 männliche Influencer im Schnitt 451 US-Dollar (434 Euro) pro Story erhielten, waren es bei den Frauen 421 US-Dollar (405 Euro). Im Jahr 2021 dagegen stieg die Zahl bei den Männern auf 609 US-Dollar (586 Euro) pro Story, während sie bei den Frauen regelrecht in die Höhe schoss: Influencer*innen bekommen nun im Schnitt stolze 962 US-Dollar (926 Euro) pro Story. Dass Frauen bei den Instagram-Storys mehr verdienen, könnte an der höheren Engagement-Rate von weiblichen Influencer*innen liegen.

Einige Influencer*innen kritisierten zudem, dass Social-Media-Algorithmen gutaussehende Menschen bevorzugen, die bestimmte körperliche Kriterien erfüllen. Fast die Hälfte der Influencer*innen (47,8 Prozent) ist auch fest davon überzeugt, dass Social-Media-Plattformen ihre Moderator*innen auffordern, bestimmte Ansichten und Inhalte zu unterdrücken, insbesondere solche, die von dem abweichen, was als Norm betrachtet wird. Dazu gehörten vor allem Beiträge bestimmter Nationalitäten, politischer Ansichten, Behinderungen oder Nutzer*innen aus niedrigeren sozialen Schichten. 70 Prozent der Befragten hatten das Gefühl, dass ihre Beiträge nicht die Reichweite bekamen, die sie normalerweise hätten erreichen sollen.