Falsches Marketing gefährdet Apotheken

Klassische Vermarktungsstrategien im Apothekengeschäft sprechen die Bedürfnisse der Apothekenkunden immer weniger an. Die Existenz jeder zweiten Apotheke droht gefährdet zu sein, weil das Kaufverhalten der Kunden unterschätzt wird. Zu diesem Ergebnis kommt Hubert Sichler, Serviceplan Vital, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlands in einer aktuellen Studie.

Der Gesundheitsmarkt und mit ihm auch sein wichtigster Vertriebsweg Apotheke stehen vor einem immensen strukturellen Wandel. Gestern noch Branche mit soliden Umsatzzuwächsen, heute dank jüngster Regulierungen der Gesundheitsministerien auf Einsparkurs am eigenen Umsatz. Und morgen? Versandapotheken, Preisabsprachen zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern, Standesbeschränkungen bei der Sortimentsgestaltung und Werberichtlinien, HWG-Auflagen und Betriebsgrößenordnung. Hier prallen die traditionellen Werte der Vergangenheit und der Zwang zur Veränderung durch das nicht mehr zu finanzierende Gesundheitssystem aufeinander.

Mitten in diesem spannenden Paradigmawechsel, der sicherlich auch eine Veränderung bei der Vermarktung von frei verkäuflichen Arzneimitteln zur Folge hat, stellt sich die Frage, wie in Zukunft der Patient in seiner Rolle als Kunde der Apotheke anzusprechen ist. Verhält sich der Apothekenkunde genauso wie im Supermarkt oder im Kaufhaus? Gilt die klassische Kommunikationskette für die Selbstmedikation ebenso wie für die restlichen Konsumgüter? Sind ”Preise wie in der Apotheke” für den Apotheker ein Risiko mit Nebenwirkungen?

Die qualitative Studie, zu der über 200 Apothekenkunden befragt wurden, führte dabei zu überraschenden Ergebnissen:

  • Der Preis spielt für das Entscheidungsverhalten keine Rolle: Im Gegensatz zum aktuellen Trend in allen anderen Branchen finden die Kunden in den Apotheken ihre Entscheidung nicht in erster Linie über den Preis.
  • Sonderangebote können sich die Apotheker sparen:
    Generell ist der Preis für die Befragten zwar ein wichtiges Argument. Beim rezeptfreien Arzneimittel relativiert sich jedoch die Preisbedeutung. Gut 60 Prozent stufen die Bedeutung des Preises herunter bzw. 75 Prozent geben an, nicht häufig das preisgünstigste Medikament zu kaufen. Sonderangebote kommen dem psychologischen Kaufverhalten der Kunden (”Für die Gesundheit ist nichts zu teuer”) daher nicht entgegen.
  • Marken haben im Apothekenbereich ihre stärkste Bedeutung:
    Ist nicht der Preis die entscheidende Rationale beim Arzneimittel, dann übernimmt um so mehr die Marke und ihr Promoter – in diesem Fall der Apotheker – die Leitfunktion bei der Kaufentscheidung. Der Kunde will beraten sein, denn er informiert sich am liebsten im persönlichen Gespräch beim Arzt oder Apotheker. 68 Prozent der Befragten stehen dem Internet als Einkaufsort kritisch gegenüber.
  • Dreiviertel der Verkaufsförderungs-Konzepte scheitern im Apothekenbereich:
    Klassische Verkaufsförderungs-Maßnahmen, die den Erkenntnissen des Konsumgütermarketing folgend für viele OTC-Präparate adaptiert werden, werden selten überhaupt wahrgenommen, da sich der Apothekenkunde in einer ganz anderen Kaufsituation befindet. Bei Leidensdruck geben ca. 70 Prozent der Apothekenkunden an, der Apothekerempfehlung zu folgen. Dazu dient das persönliche Gespräch, was bedeutet, dass nur wenige die Bereitschaft haben, sich in erster Linie an Aufstellern, Dekorationen oder Regalplatzierungen zu orientieren.
  • Falsches Marketing gefährdet Existenz vieler Apotheken:
    Fast 50 Prozent aller Apotheken können um ihre Existenz bangen. Wo liegen die Überlebenspotenziale? Sicherlich nicht im Bereich der hochethischen und rezeptpflichtigen Medikamente, die wirtschafts- und sozialpolitisch restriktiv behandelt und in ihrer Apothekenspanne heruntergekürzt werden. Hier wird der Apotheker in Zukunft nur noch für seine Verteilerrolle angemessen entschädigt. Sein Potenzial liegt in dem Geschäftsbereich, in dem er durch seine Institution und durch seine Person die ihm zugewiesene und zugestandene Kompetenz ausspielen kann: im OTC-Geschäft und beim Randsortiment. Und da am stärksten, wo er seiner Rolle als Gesundheitsberater gerecht werden kann. Rabattaktionen und Verkaufsförderungs-Konzepte sind nicht geeignet, diese Kernkompetenz zu unterstreichen.

Laut Hubert Sichler, Geschäftsführer der Serviceplan Vital, bestätigen die Studienergebnisse die Sonderstellung der Apotheke als Verkaufsort mit eigenen Gesetzen: ”Apotheker müssen in naher Zukunft neben dem für sie durch Beitragssicherungs-Vorschaltgesetz regulierten Verordnungs- und Erstattungsmarkt, auf dem sie nur noch eine Verteilerrolle haben, viel lieber das Marktsegment nutzen, beim dem man ihre Rolle als Gesundheitsberater fern ab aller Preisargumente erwartet.”

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