„Fail but fail fast“: Das Potenzial vom virtuellen Erlebnis entdecken und 50 Prozent der Deutschen für sich gewinnen

Virtual Reality hat das Potenzial, das Einkaufserlebnis für Kunden neu zu definieren - vorausgesetzt Mehrwert siegt über Technikverliebtheit. Gastautor Martin Rothhaar analysiert, welche Faktoren bei einem Einsatz von Virtual Reality im (Online-)Handel erfolgsentscheidend sind.

Von Gastautor Martin Rothhaar, Managing Partner bei Elaboratum

Virtual Reality (VR) könnte schon bald die Art der Nutzung digitaler Inhalte und insbesondere unser Einkaufsverhalten stark verändern. Insbesondere der stationäre Handel kann profitieren, denn er kann mit VR zwei grundlegende Probleme lösen: Er hat oft nicht genug Fläche, um sein gesamtes Sortiment zu zeigen. Darüber hinaus ist es vor allem bei besonders komplexen und beratungsintensiven Produkten bislang kaum möglich, diese dem Kunden am POS ausreichend zu vermitteln. Technische Details, individuelle Konfigurationen oder spezielle Ausprägungen, die einen erheblichen Preisunterschied ausmachen können, bekommt der Kunde im stationären Handel bestenfalls durch den Verkäufer erklärt – wirklich „erleben“ kann er komplexe Produkte nicht.

Zusatznutzen vor Ort mit Beratung koppeln

Wie mit VR Produkterlebnisse am POS klar verbessert werden können, zeigt das Beispiel Möbelkauf. Wer die neue Küche schon bei der Planung virtuell begehen kann, kann leichter eine Kaufentscheidung treffen. „VR sollte aber nicht um der Technik willen eingesetzt werden, sondern so, dass damit konkrete Ziele verfolgt und Mehrwerte für den Kunden geschaffen werden“, sagt Andreas Brosche. Er hat für elaboratum in der unabhängigen Studie „Virtual Reality im (Online-)Handel“ das Potenzial von VR-Anwendungen im Handel untersucht und dazu rund 1.000 deutsche Internetnutzer befragt*. Das Ergebnis: 54 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sie sich durch VR ihr gewünschtes Produkt besser vorstellen können.

Je komplexer, desto eher VR

50 Prozent geben an, dass ihnen dadurch auch wichtige Entscheidungen zum Produkt leichter fallen würden. 36 Prozent würden einen Händler bevorzugen, der eine VR-Anwendung anbietet. Und 39 Prozent sind überzeugt, die Nutzung der VR-Anwendungen hätte auch direkten Einfluss auf ihre Kaufentscheidung. Die Chancen, die sich bei einem Einsatz von VR für Händler ergeben, gehen also weiter als die Unterstützung beim Kauf an sich.Wie groß der potenzielle Nutzen durch VR tatsächlich sein kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Zunächst sollten Händler, die den Einsatz von VR erwägen, überlegen, ob das Sortiment und die Produkte dafür geeignet sind. Als Faustformel gilt dabei „Je komplexer und beratungsintensiver das Produkt, desto eher eignet es sich für den Einsatz von VR“.

Das zweite wesentliche Entscheidungskriterium ist dann, wie gut Beratungs- und Informationsbedarf des Kunden bereits durch bestehende verkaufsunterstützenden Tools (bspw. Produktdaten, Tests, Beschreibungen, Videos, Kundenbewertungen, Konfiguratoren, etc.) gedeckt werden können. Je größer der Mehrwert, den VR in Ergänzung oder alternativ dazu bieten kann, desto eher lohnt es sich eine VR-Lösung zu implementieren.

„Fail but fail fast“

Bislang werden VR-Implementierung aber noch zu oft zu technisch angegangen, ohne die Kundenbrille aufzusetzen und zu hinterfragen, welchen Mehrwert die Technologie am POS aus Sicht des Kunden bringt und ob dieser Mehrwert verständlich und in der Anwendung für den Kunden vor Ort wirklich intuitiv ist. Eine zu komplizierte oder schlecht umgesetzte virtuelle Präsentation kann im schlimmsten Fall sogar eher verkaufsverhindernd wirken. Nicht zuletzt müssen auch Verkäufer auf einen höheren Informationslevel gehoben – sprich: digital ausgerüstet und geschult werden.

Getreu dem Motto „Fail but fail fast“ sollten sich Händler schnell mit dem Thema auseinander setzen, um für sich festzustellen, ob bzw. wo es im eigenen Unternehmen Potenziale und Einsatzmöglichkeiten von VR gibt, wo die Akzeptanzhürden aus Kundensicht liegen und in welchen Fällen das virtuelle Erlebnis die Anbieter- und Kaufentscheidung beeinflusst. Denn wer die Technologie jetzt zielgerichtet einsetzt, hat einen Wettbewerbsvorteil, weil er sich damit von der Konkurrenz differenzieren kann.

* Die Befragung wurde vom 17.11.2016 – 23.11.2016 durchgeführt. Repräsentativ ist die Befragung nach Geschlecht, Alter und Bildung.

Zum Autor: Martin Rothhaar ist seit Anfang 2012 bei Elaboratum und hat dort als Manager und Mitglied der Geschäftsleitung die Beratungseinheit rund um die Themen Strategie, Business- & Requirements-Analyse, Konzeption, User Experience, IT-Architektur und Systemauswahl auf- und ausgebaut. Seit Anfang 2015 führt Rothhaar als Managing Partner und Gesellschafter gemeinsam mit Thorsten Harras und Klaus Gutknecht die operativen Geschäfte von Elaboratum. Vor seiner Zeit bei Elaboratum war Rothhaar von 2007 bis 2011 bei der Verlagsgruppe Weltbild verantwortlich für die strategische Weiterentwicklung der Online-Aktivitäten der Marken Weltbild, Hugendubel, Jokers und Kidoh in der DACH-Region.