Fachanwalt Engels ist sicher: Posts mit Verdacht auf Schleichwerbung werden auch „in Zukunft individuell“ geprüft

Immer mehr Influencer müssen sich wegen des Vorwurfs der Schleichwerbung vor Gericht verantworten. Aktuell sind vor allem die Influencer Vreni Frost und Pamela Reif im Fokus. Die absatzwirtschaft hat mit Professor Stefan Engels, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, über die rechtlichen Dimensionen gesprochen.
Instagram-Star Pamela Reif steht wegen angeblicher Schleichwerbung vor Gericht. Fachanwalt Engels ordnet den Fall im Interview ein

Für die Justiz sind die Problematiken um Werbung in Social-Media-Posts immer noch „Neuland“, klare Grundsatzurteile zur Reichweite der Kennzeichnungspflicht gibt es nicht. Für Marken, Blogger und Influencer bedeutet das, sich weiterhin auf nebulösem Terrain zu bewegen. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Klagen, insbesondere durch den Verband Sozialer Wettbewerb. Im Abmahnfall um die Influencerin Vreni Frost beispielsweise hatte das Kammergericht Berlin die einstweilige Verfügung gegen ein Posting zurückgenommen und in der Urteilsbegründung betont: Nicht jeder Instagram-Post ist Werbung. Im Falle der Influencerin Pamela Reif hingegen ist das finale Urteil noch nicht gefallen und der Vorwurf der Schleichwerbung steht weiter im Raum (absatzwirtschaft berichtete). Wir haben Professor Stefan Engels, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei DLA Piper UK LLP, über diese Problematik gesprochen.

In dem Vreni Frost-Urteil heißt es, das „stets der konkrete Inhalt und die besonderen Umstände eines jeweiligen Einzelfalles“ zu prüfen seien. Wenn es demnach keine Grundsatzregel gibt, werden die Gerichte dann künftig von Klagen zur Prüfung von Einzelfällen überhäuft? Wäre eine verallgemeinernde Urteilsbegründung nicht sinnvoller gewesen?

Stefan Engels: Gerichte dürfen allein über den konkreten Streitgegenstand befinden, also nur den Sachverhalt rechtlich bewerten, der und wie er ihnen vorgelegt wird. Das Kammergericht trifft dabei allerdings in Bezug auf die drei Posts der Influencerin ausnahmsweise auch allgemeinere Aussagen zur Abgrenzung von redaktionellen Beiträgen und Werbung. Ob der Informationsgehalt des Beitrags ausreicht und ein Bezug zum jeweiligen Unternehmen besteht, der eine Verlinkung rechtfertigt, hängt nach Ansicht des Gerichts immer vom konkret geposteten Bild samt begleitendem Text ab. Der Inhalt muss danach auch in Zukunft in jedem Fall individuell unter die Lupe genommen werden. Nach meiner Ansicht muss aber wegen des Gewichts der Meinungsfreiheit im Zweifel für die Zulässigkeit entschieden werden.

Auch Pamela Reif wird vor Gericht vorgeworfen, kommerzielle Beiträge nicht korrekt zu kennzeichnen. Reif ist überzeigt, sie müsse nur Posts als Werbung kennzeichnen, wenn sie dafür ausdrücklich bezahlt wurde. Die Justiz widerspricht und ist der Meinung, dass ein Post transparent gekennzeichnet werden muss, sobald sich ein „kommerzieller Zweck“ dahinter verbirgt. Widerspricht dies nicht dem Fall von Vreni Frost, bei der für eines von drei Posting die einstweilige Unterlassung zurückgenommen wurde, weil Frost glaubhaft versichern konnte, dass sie „weder von den in den Tags genannten Unternehmen noch von Dritten Entgelte erhalten“ habe?

Engels: Die Frage, ob ein Post der Förderung des Absatzes von Waren dient, ist aus Sicht eines objektiven Betrachters zu beantworten. Wurden Gegenleistungen versprochen, liegt kein redaktioneller Beitrag, sondern stets Werbung vor – aber nicht nur dann. Der Erhalt einer Gegenleistung ist zwar ein sehr wichtiges Indiz, das Vorliegen von Werbung kann sich jedoch auch aus anderen Umständen wie etwa einer sowohl übermäßig als auch unnötig positiven Darstellung oder – nach neuerer, aber nicht unumstrittener Rechtsprechung – Verlinkungen von Unternehmen ohne erkennbaren redaktionellen Grund ergeben.

Was wäre in Ihrer Ansicht nach eine sinnvolle Regelung, um schnell und effektiv Accounts auf Schleichwerbung hin zu prüfen?

Engels: Bei rein anpreisenden Darstellungen, konkreten Aufforderungen zum Kauf oder Verlinkungen von Unternehmen ohne erkennbaren Bezug zum Inhalt des Posts kann man auch von außen annehmen, dass es sich um Werbung handelt. Bei der bloßen Durchsicht der Posts wird man demgegenüber nicht erkennen, ob eine Gegenleistung versprochen wurde oder konkrete inhaltliche Vorgaben gemacht wurden. Dies muss individuell geklärt werden – gegebenenfalls auch erst in einem Gerichtsverfahren.

Die Fragen an Stefan Engels wurden schriftlich gestellt.