Facebook-Nutzer scheibchenweise adressieren

Die meisten Werber zielen via Facebook auf Kundenbindung und virale Effekte. Doch mit dem richtigen Einsatz der Bordmittel ist Facebook auch ein perfektes Medium für Zielgruppensegmentierung und Marktforschung.

Von Frank Puscher

Widersprüchlicher könnten die Meldungen bezüglich Facebook aus den letzten Wochen kaum sein. Zuerst meldete die USA, dass die Publikumszahlen auf Facebook kaum mehr weiter wachsen. Eine Sättigungsgrenze sei erreicht. Wachstum ist nur noch in den sich entwickelnden Ländern zu erwarten.

Wenig später wurde das Szenario noch etwas drastischer. Millionenfach kehren ausgerechnet junge Leute dem Dienst den Rücken und widmen sich Snapchat oder Whatsapp. Natürlich ließ das Medienecho nicht lange auf sich warten: „Facebook vor dem Aus?“, fragte zum Beispiel Yvette Schwerdt auf diesem Portal.

Mehr als zwei Milliarden Dollar Werbeeinnahmen

Und vergangene Woche? Da vermeldete Facebook selbst einen Jahresgewinn in Höhe von 2,8 Milliarden Dollar und einen Nutzeranstieg um 16 Prozent – und in der Folge wurde Mark Zuckerberg der reichste Amerikaner unter 30 Jahren, den es jemals gab.

Den größten Beitrag zum Gewinn leistete die Onlinewerbebranche mit allein 2,34 Milliarden Dollar im vierten Quartal. Interessant ist die Aufteilung dieser Gelder, wie Statista sie ermittelt hat: Mit Werbung auf stationären Endgeräten erzielte man knapp unter einer Milliarde, mit mobil ausgespielten Anzeigen aber bereits 1,23 Milliarden US-Dollar, wobei das Tablet von Facebook als mobiles Endgerät gezählt wird.

Damit trat Facebook ziemlich deutlich zwei Beweise an: Werbung auf Tablets und Smartphones scheint sich zu lohnen und das Netzwerk selbst ist eben doch bestens dort präsent, wo seine Nutzer es haben wollen.

Custom Audiences

Einer der Kerntreiber für Facebook-Werbung – so gibt es die Presseabteilung von Facebook bekannt – war dabei die Einführung von Custom Audiences. Dadurch kann ein Unternehmen bestehende Kundenkontaktdaten in das eigene Werbemanagement auf Facebook importieren und diese Bestandskunden anders ansprechen als potenzielle Neukunden – sofern man in der Lage ist, die Kunden auf Facebook zum Beispiel anhand der E-Mail-Adresse wiederzuerkennen. Die Steuerkonsole dafür ist der Power Editor. Facebook-Experte Thomas Hutter gibt eine übersichtliche Einweisung (siehe Link am Ende des Textes).

Mit Hilfe solcher Custom Audiences ist man auch in der Lage, Menschen mehrfach mit einem Posting anzusprechen. Das Prinzip ist einfach: Man veröffentlicht ein Posting, wartet einen gewissen Zeitraum und dann nutzt man Facebooks Werbefunktion Boost, um das Posting erneut nach oben zu heben. Und bei der Zielgruppenauswahl wird dann einfach die eigene Fanbasis oder eine andere Custom Audience gewählt. So kann der Veröffentlichende hoffen, von mehr Nutzern wahrgenommen zu werden. Sind diese während des ersten Postings gerade nicht online, würde die Nachricht sonst im dauerhaften Nachrichtenstrom versinken.

Bei der Feinsteuerung der Facebook-Anzeigen kann eine erweiterte Segmentierung besonders hilfreich sein und die Erkenntnisse daraus bilden eventuell auch die Grundlage für eine noch viel größere Kampagne. So könnte man ein- und dieselbe Anzeige fünf Mal im Targeting einbuchen und jeweils einem anderen Alterssegment zuordnen. Haben die einzelnen Kampagnen unterschiedliche Bezeichner, so lässt sich bereits bei der Klickanalyse feststellen, welches Zielgruppensegment auf das präsentierte Motiv intensiver reagiert. Das kann bei einem anderen Motiv anders sein. Langfristig wird man aber sehen können, welche Zielgruppensegmente grundsätzlich mehr und welche weniger reagieren.

Zielgruppen entdecken

Mit einer solchen Form der Minisegmentierung hat ein Hamburger Onlinehändler, der nicht genannt werden will, herausgefunden, dass neben seiner Kernzielgruppe, nämlich junge Männern zwischen 15 und 25 Jahren, tatsächlich auch noch jüngere Mädchen zwischen zwölf und 17 Jahren auf die Werbung reagierten und sogar Produkte kauften. „Diese Zielgruppe hatten wir gar nicht im Visier“, bekennt der Marketingleiter.

Alle anderen Formen von Feldtests sind mit diesem Werkzeug ebenfalls denkbar. Man kann die Motive, das Wording oder sogar die Neuropsychologischen Trigger (Verknappung, Autorität) auf diesem Weg testen. Freilich bildet Facebook nie zu 100 Prozent ein repräsentatives Gesamtbild ab, aber der oben beschriebene Reifegrad macht die Ergebnisse für viele Unternehmen schon ziemlich wertvoll.

So entdeckte beispielsweise das Unternehmen Shatlers, ebenfalls aus Hamburg, dass sein Onlinemarketing bei Männern überhaupt nicht verfängt. Tatsächlich deckt sich das mit der Verkaufssituation im Laden, den Shatlers verkauft vorgemischte Cocktails. „Wir haben festgestellt, dass vorgemischte Cocktails fast ausschließlich ein Frauenthema sind“, erläutert Marketingleiter Oliver Schreiber und konzentriert auch die Motivauswahl und Ansprache exakt auf diese Zielgruppe.

Einen etwas anderen Weg zur Zielgruppensegmentierung wählt die Fairmont-Hotelgruppe. Dort stand am Beginn einer App eine spielerische Form der Selbstbeschreibung. Es ging um die Frage, welcher Urlaubstyp man sei, die User durften sich durch Klicken auf Bildchen (Capuccino versus Bier) einordnen. Die gesammelten Daten werden dann für zielgerichtete E-Mail-Kampagnen genutzt. Geht auch, ist aber etwas teurer, denn das Ganze war eine App mit einem Gewinnspiel und das hatte auch noch hübsche Preise. Damit sichert man sich Reichweite, riskiert aber auch, dass reine Gewinnspiel-Junkies mitmachen, die ansonsten keinen Kontakt zum Unternehmen wollen.

Links zum Thema:

Facebook wächst weiter


Facebook verliert die Jugend

Fairmont-Hotels versuchen eine spielerische Segmentierung

So funktionieren Custom Audiences

Der Power Editor ist der Startpunkt