„Wir sollten nicht schon wieder in Panik verfallen“: Experten bewerten das EuGH-Urteil zu den Facebook-Fanpages

Es liegt wohl in der Natur des Menschen, erst einmal in Panik zu verfallen, wenn ein solch großes EuGH-Urteil gesprochen wird: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Betreiber von Facebook-Fanseiten eine Mitverantwortung beim Datenschutz haben. absatzwirtschaft hat zwei Experten um eine genauere Betrachtung gebeten.

Eines scheint zumindest klar zu sein: Es gibt eine Mitverantwortung in Sachen Datenschutz bei Fanseitenbetreibern. Inwieweit diese Verantwortung zum Tragen kommt, führt der EuGH allerdings nicht weiter aus. Trotzdem ist die Skepsis groß. Kann man seine Fan- oder auch Markenseite ohne große Konsequenzen weiterführen? Was muss geändert werden?

© P41D-Guido Karp

Carmen Brablec ist Dozentin an mehreren Hochschulen, hat Ökonomie und Management studiert und Expertin für Positionierung und Marken-Bildung. Für sie ist klar, wo die Verantwortung liegt: „Ich sehe dieses Urteil mehr als Chance denn als Nachteil sowohl für Unternehmen als auch für die Nutzer von Facebook. Zwar hat das EuGH entschieden, dass Fanpage-Betreiber für die Datenverarbeitung mit verantwortlich sind, jedoch geht das nur ermessensgerecht. Aktuell haben Fanpage-Betreiber weder Einwirkungs- noch Kontrollrechte über die Daten, die Facebook über die Fanpages sammelt noch können sie darauf Einfluss nehmen, was damit passiert.“ Gerade große Unternehmen und Marken nutzen soziale Netzwerke als zentrale Bausteine der Digitalisierung, weiß Brablec. Wenn diesen nun untersagt wird, solche Kanäle zu nutzen, wird Europa geschwächt.

Ziehen sich Marken also nun doch von Facebook zurück? Markenstratege Michael Brandtner, Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung, meint: „Facebook ist heute für viele Marken als Medium viel zu wichtig, um darauf verzichten zu können. Das bedeutet, dass hier die Unternehmen gemeinsam mit Facebook ein klares gesetzeskonformes Vorgehen finden müssen. Nur sollte die EU in Summe generell vorsichtig sein, dass man nicht zum Regulierungsweltmarktführer im Internet wird.“

Regulierungen: ja. Überregulierungen: nein

Für ihn steht fest, dass es wirtschaftlich und auch volkswirtschaftlich fatal wäre, wenn die USA und China die globalen Internet-Geschäftsmodell-Weltmarktführer werden würden, während man sich in Europa mit einer systematischen Überregulierung selbst behindert. „Europa braucht ebenfalls eine starke Internetpräsenz und vor allem auch starke globale Internetmarken. Heißt: Natürlich braucht es im Internet eine klare Gesetzgebung speziell auch zum Schutz des Einzelnen, aber eine Überregulierung, die die heutigen und vor allem die zukünftigen Marktteilnehmer behindert, sollte unbedingt vermieden werden.“

Vor allem wäre es ein fataler Fehler, solche Marketingkanäle zu meiden, erklärt Brabec: „Es müssen Unternehmen wie Facebook dazu gebracht werden, den Unternehmen mehr Bestimmungsrecht zu geben, damit auch geltende Gesetze eingehalten werden können. Bevor also die Entscheidung fällt, die eigene Fanpage stillzulegen, rate ich allen Betroffenen sich mal über die Hintergründe dieser Rechtsprechung zu informieren und keine voreiligen Schlüsse daraus zu ziehen. Erstmal sollten wir nicht schon wieder in Panik verfallen.“

Der konkrete Fall (IHK Schleswig-Holstein gegen ULD) geht erst einmal zurück an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort muss nun inhaltlich geklärt werden, ob in dem vorliegenden Fall tatsächlich gegen Datenschutzverordnungen verstoßen wurde. Das EuGH-Urteil setzt hierfür lediglich einen Rahmen. Wann das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, steht noch nicht fest.