EU-Datenschutzverordnung könnte sich gravierend auf das Direktmarketing auswirken

Am 25. Januar 2012 stellte die EU-Kommission den Entwurf einer „EU-Datenschutz-Grundverordnung“ offiziell vor. Im Vergleich zu dem Ende 2011 bekannt gewordenen Vorentwurf enthält der Verordnungsentwurf zwar einige Erleichterungen, wird aber dennoch erhebliche Auswirkungen auf das Direktmarketing haben. Die Kernfrage des Datenschutzes im Direktmarketing lautet: Ist eine Verwendung von personenbezogenen Daten generell nur mit vorheriger Einwilligung zulässig – so genannte Einwilligungslösung – oder reicht es aus, dass im Rahmen einer Einzelfall-Abwägung die Interessen der Betroffenen nicht überwiegen und kein Widerspruch vorliegt – also die genannte Interessenabwägung und Widerspruchslösung?

Von Markus Klinger

Während das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) derzeit eine Einwilligungslösung mit weitgehenden Ausnahmen vorsieht, enthielt der Vorentwurf der EU-Datenschutzverordnung eine strikte Einwilligungslösung ohne jede Ausnahme. Nicht zuletzt infolge vehementer Kritik seitens der Direktmarketing-Branche wurde die generelle Einwilligungslösung für Direktmarketing-Maßnahmen aus dem Verordnungsentwurf gestrichen. Für Direktmarketing-Maßnahmen gilt jetzt eine reine Interessenabwägung und Widerspruchslösung. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die generelle Einwilligungslösung im Laufe des europäischen Gesetzgebungsverfahrens wieder in die Verordnung aufgenommen wird. Ferner wird die EU-Kommission ermächtigt, die Anwendung der Interessenabwägungsklausel näher festzulegen, was zu Restriktionen im Bereich Direktmarketing führen könnte.

Spezielle Einwilligungsvorbehalte gelten indes beim Profiling und bei der Datenverarbeitung für fremde Zwecke. Während beim Profiling beziehungsweise Scoring zu Werbezwecken die Reichweite des Einwilligungsvorbehalts noch unklar ist, ist das Erfordernis einer vorherigen Einwilligung bei Datenverarbeitungen für fremde Zwecke ziemlich eindeutig. Das hätte zur Folge, dass alle professionellen Datenanbieter, insbesondere Adressdienstleister und Auskunfteien, künftig Einwilligungen für ihre Datenverarbeitungen einholen müssten. Hinzu kommt, dass auch die Anforderungen an wirksame Einwilligungen erhöht wurden und Einwilligungen jederzeit widerrufen werden können.

Darüber hinaus beinhaltet der Verordnungsentwurf zahlreiche weitere Verschärfungen im Vergleich zum derzeit geltenden BDSG, das von der geplanten Datenschutzverordnung als unmittelbar anwendbares EU-Recht abgelöst würde. Hierzu gehören beispielsweise die Rechte des Betroffenen auf „Vergessenwerden“ und auf „Datenübertragbarkeit“, der Datenschutz „by design and by default“, stark erweiterte Auskunftsrechte und Informationspflichten sowie bürokratische Pflichten der verantwortlichen Stelle wie erhöhte Vorabprüfungs-, Dokumentations- und Meldepflichten und drastisch erhöhte Sanktionen, die bis zu zwei Prozent des weltweiten Umsatzes betragen können.

Über den Autor:
Dr. Markus Klinger ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht bei GSK Stockmann und Kollegen, Stuttgart.