Essener Spielemesse SPIEL 18: „German Games” sind eine echte Marke

Das Gesellschaftsspiel hat es wieder aus der Nische geschafft, der Markt boomt. Gerade nicht-digitale und kooperative Spiele liegen ganz im Gegensatz zum vermeidlichen Zeitgeist voll im Trend. Branchenferne Konzerne übersehen diese Entwicklung allerdings bislang, dabei sind Kooperationen mit Spieleverlagen durchaus lukrativ.
Gemeinsam zum Ziel: Kooperative Spiele liegen im Trend. Alle Spieler müssen zusammenarbeiten, um gemeinsam gegen das Spiel zu gewinnen.

Von Anne-Kathrin Velten

Wenn der Ausruf „Kacka Alarm“ zu Hause aus dem Kinder- oder Badezimmer schallt, kommt wohl bei keinem Elternteil Freude auf. Bei den internationalen Spieltagen „SPIEL 18“, der weltweit größte Publikumsmesse für Gesellschaftsspiele, sorgte der Ausruf allerdings für höchsten Unterhaltungswert.

„SPIEL 18“ präsentierte vergangenes Wochenende in Essen das neueste nationale und internationale Spieleangebot. Die Messe im Ruhrgebiet zeigte: Das Gesellschaftsspiel hat es wieder aus der Nische geschafft und gerade „German Games“ sind zu einer echten Marke geworden. Langfristiges Ziel der Veranstalter ist, auf ein Aufmerksamkeitsniveau mit der Games Com, der Messe für den elektronische Spielemarkt, zu kommen.

Neben dem Trend zu Toilettenspielen zeigte die Spielemesse vor allem eins: Das Bild einer Gesellschaft, die immer kompetitiver wird und sich in die reine Bildschirmwelt zurückzieht, stimmt so eben nicht. Im Gegenteil – weg vom Digitalen, hin zum Realen, das wünschen sich immer mehr Menschen in ihrer Freizeit. Ein Trend, von dem Brett- und Kartenspiele in den vergangenen Jahren enorm profitiert haben. Der Markt für Gesellschaftsspiele boomt. Bis zum Jahresende werden laut Branchenverband Spieleverlage voraussichtlich 50 Millionen Spiele verkauft, der Umsatz werde auf deutlich über 500 Millionen Euro klettern. Allein auf der Messe hatten die 150 Aussteller aus 50 Nationen 1.400 Spieleneuheiten im Gepäck. Etwa die Hälfte der Innovationen sind kooperative Spiele: Gespielt wird nicht gegeneinander, sondern die Spieler verfolgen gemeinsam ein Ziel, ob durch Wettrennen mit kooperativen Elementen, das gemeinsame Bekämpfen eines Computervirus oder die Flucht vor wilden Tieren. Am beliebtesten seien Familienspiele, Party- und Aktionsspiele oder auch Angebote für das Vorschulalter, so der Spieleverband.

Werbungtreibende vernachlässigen das Potenzial

Auffallend ist in der Spielewelt allerdings, dass kein namhaftes Industrieunternehmen, keine deutsche Automobilmarke und kein Konzernname auf den Spieleverpackungen zu finden ist. Dabei gewinnt das Lizenzgeschäft in der Spielwarenbranche generell immer mehr an Bedeutung. Lego begründete diesen Boom begründet, als es sich die Rechte für „Star Wars“ sicherte. Seitdem kooperieren die Dänen mit einer Vielzahl von Medienhäusern und Unternehmen. Deutsche Firmen zogen schnell nach.


Die Preisträger des Deutschen Spielepreis 2018 zeigen die aktuellen Trends auf dem Spielemarkt: Die Spiele bauen auf Kooperation auf und sind weit weg von der digitalen Welt.  Gewonnen haben „Azul“ (1. Platz), „Gaia Project“ (2.Platz) und „Rajas of the Ganges“ (3.Platz)


Bosch produziert gemeinsam mit dem Spielwarenhersteller Theo Klein Werkbänke, Bohrmaschinen und Bauarbeiterhelme, das Bobby Car von Mercedes ist in Zusammenarbeit mit BIG entstanden, der Spielwarenhersteller Schleich kooperiert mit dem Kinderbuchverlag Ameet. Das Geschäft lohnt sich: Mit jährlich 290 Euro je Spross liegt Deutschland im EU-Vergleich an der Spitze der Ausgaben für Kinder. Lizenzprodukte sind besonders gefragt. Die Gründe sind einfach: Kinder kopieren gerne ihre Eltern, Erwachsene schenken gerne, womit sie selbst etwas verbinden, und Unternehmen verankern ihre Marke in den Köpfen der jüngsten Konsumenten. Wie lohnend das Geschäft für Firmen ist zeigt das Beispiel Playmobil. Gemeinsam mit der VW-Tochter baut der Hersteller für Knubbelfiguren seit 2016 einen Porsche 911 in Miniaturoptik. Damit sind die Franken verhältnismäßig spät in das Lizenzgeschäft eingestiegen. Binnen sechs Monaten brachte es ein Fünftel mehr Umsatz für Playmobil.

Derartige Kooperationen mit Industrieunternehmen bestehen allerdings in der Spielewelt nicht, es gibt ausschließlich Vereinbarungen mit Produzenten von Filmen und Medienunternehmen. So unterhält der Hersteller von Gesellschaftsspielen Ravensberger vielfältige Lizenzvereinbarungen mit Medienunternehmen wie Disney, Dream Works, Star Wars oder dem Deutschen Fußballbund. Das Mickey-Mouse-Puzzle, die Produkte aus der Frozen-Reihe oder Biene-Maja-Spiele sind regelmäßig Bestseller des Unternehmens vom Bodensee.

Was im allgemeinen Spielwarenmarkt funktioniert, sollte auf den Bereich Gesellschaftsspiele über die Kooperation mit der Filmwelt hinaus übertragen werden können. Zumal die Themenvielfalt schier unendlich ist, wie die Spielwarenmesse „Spiel 18“ in Essen gezeigt hat. Mit dem Trend zu Toilettenspielen dürften sogar Sanitärunternehmen in dem vielversprechenden Markt Fuß fassen können und ihre Marke in den Köpfen der jüngsten Konsumenten festigen.


„Toilettenspiele“ sorgen für Furore. So springt bei dem Spiel „Mister Kacka“ nach dem Betätigen der Spülung eine Wurst aus der Toilette, die die Spieler möglichst noch in der Luft fangen müssen. Was eklig klingt, zeigt vor allem, dass die Spiele begeistern, die besonders nah an der Realität der jungen Konsumenten sind.

Ravensberger unterhält eine Vielzahl von Kooperationen mit Medienunternehmen. Lizenzverträge im Spielzeugsegment sind so beliebt wie lohnend. Im Spielebereich werden sie aber noch viel zu stark vernachlässigt. Marken tun gut daran, ihre Konzepte für den weiteren Spielzeugmarkt auf den Bereich Gesellschaftsspiele auszuweiten.

Playmobil hat sich 2016 mit der VW-Tochter verbandelt und lässt seitdem seine kleinen Knubbelfiguren in verschiedene Porschemodelle einsteigen. Die Kooperation sorgte innerhalb kürzester Zeit für ein Umsatzzuwachs von über 20 Prozent für die Franken.