„Erst Face-to-Face, dann Facebook“

AUMA-Geschäftsführer Peter Neven im Interview über die Alleinstellung von Messen, die Besucherentwicklung und Vergleiche mit Facebook. Die Fragen stellte Roland Karle.

Zuletzt sind die Messen in Deutschland deutlich gewachsen. Welche Gründe neben einer gut laufenden Konjunktur sind dafür ursächlich?

PETER NEVEN: In der Tat war die allgemeine Konjunktur in Deutschland im Jahr 2011 bemerkenswert gut. Das hat der Messewirtschaft einen Schub gegeben. Noch stärkeren Einfluss hat das weiter wachsende Interesse ausländischer Aussteller an deutschen Messen. Deren Zahl ist 2011 um fünf Prozent gewachsen, und gerade aus den Ländern mit großen Finanz- und Wirtschaftsproblemen kamen überdurchschnittlich viele Unternehmen, zum Beispiel 7,5 Prozent mehr aus Spanien und sechs Prozent mehr aus Griechenland. Länder wie Russland oder die Türkei weisen sogar zweistellige Zuwachsraten auf. Die hohe Internationalität der deutschen Messen auf der Besucherseite ist für exportorientierte Unternehmen aus aller Welt besonders attraktiv.

Ende Mai beim Jahrespressegespräch hieß es, das Messegeschäft 2012 sei von der Eurokrise nicht beeinträchtigt. Hat sich an der Prognose etwas geändert?

NEVEN: Auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich sehr gut dasteht: Viele Konjunkturindikatoren haben sich abgeschwächt. Das wird an den deutschen Messen nicht spurlos vorübergehen. Wir rechnen aber noch mit einem Prozent Zuwachs bei den Ausstellerzahlen und den Standflächen. Die Besucherzahlen dürften jedoch im Durchschnitt gerade stabil bleiben.

Die Zahl der Kommunikationskanäle ist durch die Digitalisierung erheblich gestiegen. Welchen Einfluss hat das auf das Marketinginstrument Messe?

NEVEN: Natürlich wächst die Konkurrenz, aber der Anteil der Messen an den Kommunikationsbudgets der deutschen Unternehmen bleibt bisher konstant, jedenfalls im B-to-B-Sektor, und zwar bei respektablen 40 Prozent. Messen sind weiterhin mit deutlichem Abstand das wichtigste Instrument der B-to-B-Kommunikation.

Vor allem interaktive Medien und das Social Web haben in der Marketingkommunikation an Bedeutung gewonnen. Geht das zulasten der Messen?

NEVEN: Bisher jedenfalls nicht. Denn bei Messebeteiligungen geht es um Face-to-Face-Kommunikation und um multisensuales Marketing. In dieser Kombination haben Messen fast eine Alleinstellung. Social Media haben hier die größten Schwächen, aber natürlich besitzen sie andere Stärken wie zum Beispiel Schnelligkeit und universelle Verfügbarkeit. Deshalb ergänzen sich Messe und Social Media gut und sind kaum Wettbewerber. Dennoch gilt: Erst kommt Face-to-Face, dann folgt Facebook.

Messen erfordern mehr Planung, Personal und finanziellen Aufwand als die meisten anderen Marketingmaßnahmen. Welche Angebote leisten Messen, um die Kosten für Unternehmen flexibel und möglichst niedrig zu halten?

NEVEN: Messen sind in der Tat nicht billig, aber preiswert, wenn man sie richtig, das heißt multifunktional, nutzt. Die Veranstalter und wir als Verband weisen deshalb immer wieder darauf hin, welch breites Zielspektrum man mit Messebeteiligungen erreichen kann, auch über die Geschäftskontakte hinaus – von der Live-Marktforschung bis zu Pressegesprächen. Die Veranstalter bieten viele Servicepakete an, um für die Aussteller den Personal-, Organisations- und Finanzaufwand zu senken. Sehr interessant ist auch das Förderprogramm für junge, innovative Unternehmen, mit dem das Bundeswirtschaftsministerium Messebeteiligungen von höchstens zehn Jahre alten Firmen finanziell unterstützt.

Braucht es heute mehr Überzeugungskraft, um Aussteller für eine Messeteilnahme zu gewinnen?

NEVEN: Das kann man so sagen. Aber nicht, weil es zu wenig Argumente pro Messe gäbe, sondern weil man Messebeteiligungen nicht klassisch kaufen oder delegieren kann, wie vielleicht eine Mailingaktion. Mit Messen muss man sich intensiv befassen, aber sie bringen auch weit überdurchschnittlichen Ertrag. Denn sie sind oft unmittelbar geschäftsrelevant. Es geht um reale Produkte und Kontakte und daher auch um reale Geschäfte. In einer Welt der vermeintlich schnellen und einfachen Lösungen muss das oft intensiv vermittelt werden. Aber wer einmal Aussteller ist, bleibt es meistens dauerhaft.