Ernüchterung nach dem Boom: In Baumärkten drohen höhere Preise

Das Corona-Jahr 2020 bescherte den Baumärkten Rekordumsätze. Doch plötzlich ist der Erfolgsfaden gerissen. Im aktuellen Lockdown brechen die Umsätze ein – und jetzt droht auch noch eine Welle von Preiserhöhungen.
"Das stillgelegte Leben im Lockdown halten die meisten Menschen nur aus, indem sie tätig werden", sagt der Psychologe Stephan Grünewald. (© Imago)

Die Baumärkte in Deutschland gehörten im Corona-Jahr 2020 zu den Gewinnern der Krise. Denn viele Bundesbürger nutzen die Pandemie, um die eigenen vier Wände oder den Garten zu verschönern. Doch jetzt drohen dort Preiserhöhungen bei vielen Produkten. „Wir werden sicher nicht darum herumkommen, Preismaßnahmen vorzunehmen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Heimwerken, Bauen und Garten (BHB), Peter Wüst, in Köln. Lieferanten hätten auf breiter Front Preiserhöhungen angekündigt. Betroffen sind laut BHB Holz und Baustoffe ebenso wie Importprodukte aus Ostasien, bei denen sich gestiegene Logistikkosten auswirken.

Ohnehin scheint der gute Lauf, den die Bau- und Gartenfachmärkte zuletzt hatten, im Moment unterbrochen. Durch den aktuellen Lockdown seien die Umsätze bereits im ersten Quartal um rund 50 Prozent eingebrochen, berichtete Wüst. Ein Umsatzrückgang auch im gesamten Jahr 2021 scheine damit unvermeidlich. Das Problem: Während Baumärkte im ersten Lockdown weitgehend geöffnet bleiben durften, gelten sie aktuell nicht mehr als systemrelevant. Damit unterliegen sie den gleichen Beschränkungen wie etwa der Modehandel.

Do-it-yourself-Boom im Corona-Jahr 2020

Das Corona-Jahr 2020 hatte der Do-it-yourself-Branche noch bis dahin unbekannte Wachstumsraten beschert. Die Umsätze stiegen um rund 14 Prozent auf gut 22 Milliarden Euro. Gefragt war in der Pandemie alles, was helfen konnte, den erzwungenen Aufenthalt in den eigenen vier Wänden angenehmer zu machen und den eigenen Garten aufzuhübschen. Vor allem Farben und Malzubehör sowie Gartenausstattung verkauften sich so gut wie nie zuvor.

Nicht nur das Homeoffice sei aufgerüstet worden, betonte der Sprecher des BHB-Vorstandes und Obi-Geschäftsführer Peter Tepaß. Viele hätten im Lockdown daheim auch ein eigenes Fitnessstudio oder ein privates Spa eingebaut und im Garten Outdoor-Küchen installiert. An Geld mangelte es nicht. Schließlich mussten viele Reisen und Restaurantbesuche ausfallen.

Wohnung und Garten als Trutzburg

„In Amerika haben die Menschen zu Beginn der Pandemie Waffen gekauft. In Deutschland hat man sich im Baumarkt mit Schaufeln und Hämmern ausgerüstet, um das Gefühl zu haben, der Krise etwas entgegensetzen zu können“, erklärte der Psychologe Stephan Grünewald vom Kölner Rheingold-Institut die Entwicklung. Das Institut, das mit tiefenpsychologischen Interviews die Stimmung in der Bevölkerung zu ergründen versucht, hatte im Auftrag des BHB die Bedeutung von Heimwerken und Gartenarbeit in Corona-Zeiten untersucht.

Deutschland sei zu Beginn des Pandemie-Jahres 2021 „zunehmend von Zermürbung, Aggressivität und Hoffnungslosigkeit geprägt“, urteilte der Psychologe. „Das stillgelegte Leben im Lockdown halten die meisten Menschen nur aus, indem sie tätig werden.“ Mit Hämmern, Schrauben und Materialien aus dem Baumarkt würden Wohnung und Garten zur Trutzburg gegen die Pandemie ausgebaut. Er empfahl deshalb auch, die Baumärkte rasch wieder zu öffnen.

Im vergangenen Jahr hatte der erste Lockdown den damals noch geöffneten Baumärkten fantastische Wachstumsraten beschert. Im April 2020 lagen die Umsätze mehr als 20 Prozent über dem Vorjahresniveau, im Mai waren es sogar mehr als 30 Prozent. Selbst im normalerweise eher nachfrageschwachen Sommer lagen die Umsätze aufgrund der eingeschränkten Reisemöglichkeiten deutlich höher als in anderen Jahren.

Erfolgreiche Online-Angebote der Baumärkte

Auch der E-Commerce-Boom ging an der Branche nicht vorbei. Die Online-Umsätze mit Waren aus den Baumarkt-Sortimenten stiegen 2020 um 26,5 Prozent auf knapp fünf Milliarden Euro. Hier sicherten sich allerdings reine Online-Anbieter wie Amazon oder Manomano den Löwenanteil des Geschäfts. Sie kamen auf einen Marktanteil von 50,6 Prozent, die Bau- und Heimwerkermärkte mit ihren Online-Angeboten lediglich auf 23,7 Prozent. Doch seien die stationären Händler 2020 mit ihren Online-Angeboten erstmals schneller gewachsen als die reinen Internet-Anbieter, erklärte der BHB.

Auch wenn 2021 für die Baumärkte eher ein durchwachsenes Jahr werden dürfte, blickt die Branche durchaus optimistisch in die Zukunft. Heimwerken sei in der Krise für viele Menschen wieder selbstverständlicher geworden, sagte Wüst. Für 2022 hofft die Branche deshalb wieder auf erfreulichere Zahlen.

Von Erich Reimann, dpa