Doch wie lassen sich egozentrierte Denkmuster überwinden? Ist der Machtverlust für uns tatsächlich ok? Und worauf ist zu achten, damit alle Beteiligten motiviert am Ball bleiben und gleichberechtigt profitieren? Wie lässt sich ein W.I.R.-Mindset etablieren?
WIRtschaft heute
Unsere Wirtschaft zeigt ein deutliches Bild, was geschätzt und belohnt wird: Ziele und Ergebnisse, Karriere und Hierarchie, Leistung und Budgets. Machtbereiche werden gehütet. Wir konzentrieren uns auf uns selbst und grenzen uns ab – allen Matrixstrukturen und aller Projektarbeit zum Trotz. Dabei sind wir immer und in allem, was wir tun, Teil eines größeren Systems – im Unternehmen und privat. Das Schöne daran ist, dass uns die Natur alles mitgeliefert hat, was wir brauchen, um in einem solchen System erfolgreich zu sein. Wir haben eine Art Hybridantrieb, der uns erlaubt, in der Gemeinschaft zu leben, aber gleichzeitig eine eigene Identität zu entwickeln und persönlich zu wachsen. Der Medizinprofessor Joachim Bauer, Autor des Buches „Prinzip Menschlichkeit – Warum wir von Natur aus kooperieren“, belegt mit seinen neurowissenschaftlichen Forschungen, dass wir in erster Linie auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen sind.
Wettbewerb im Tunnelblick
Wettbewerb beschränkt, erzeugt Druck, macht unzufrieden und verursacht Stress. Dieser führt dazu, dass wir uns fokussieren und dadurch sogar schneller, besser und effizienter werden – zumindest kurzfristig. Durch den Tunnelblick, in dem wir uns befinden, fehlt allerdings der Blick über den Tellerrand. Der Austausch mit anderen, die Frage nach gegenseitiger Unterstützung wird zweitrangig. Die ohnehin vorhandene Tendenz zum Einzelkämpfertum wird dadurch noch verschärft. Erschreckend daran ist, dass wir das Spiel mitspielen, obwohl wir spüren, dass Abschottung unangenehme Nebenwirkungen hat.
Gelebte Kooperation
Viele kleine Unternehmen setzen auf Kooperation. Anders könnten sie den größeren Anbietern kaum Paroli bieten. Neben klassischen Werbegemeinschaften, gibt es immer mehr innovative Projekte, wie das Kiezkaufhaus in Wiesbaden. In diesem gemeinsamen Onlineshop der lokalen Hersteller und Einzelhändler in Wiesbaden, können die Kunden alles unter einem Dach bestellen und bekommen die Ware noch am selben Tag per Fahrradkurier in Pfandtaschen geliefert. Bei großen Unternehmen ist eine häufig anzutreffende Form der Kooperation eher das Co-Branding, also das gemeinsame Auftreten zweier Marken.
Die W.I.R.-Formel: W wie Wertschätzung
Echte Kooperation funktioniert nur auf Augenhöhe. Sie ist geprägt von Achtung und gegenseitigem Respekt. Wertschätzung ist das Fundament dafür. Auf Basis der Frage „Lohnt sich das?“ treffen wir nicht nur betriebswirtschaftliche Entscheidungen, sondern entscheiden auch, wie wir uns verhalten. Demnach wählen wir bestimmte Verhaltensoptionen nur, wenn wir ihren Wert aufgrund der angemessenen Bewertung von Aufwand und Nutzen als lohnenswert einschätzen.
Die W.I.R.-Formel: I wie Interessen maximieren
Kooperieren heißt, dass mehrere Beteiligte ihr Handeln so aufeinander abstimmen, dass sie ein Ziel erreichen, von dem alle Beteiligten profitieren. Das heißt, das eigene Verhalten nutzt sowohl uns selbst als auch der anderen Person oder sogar mehreren Menschen, einem Unternehmen usw. Kooperativ zu sein, bedeutet mehr, als einfach mitzuspielen und sich womöglich zu unterwerfen. Es bedeutet, mit seinen eigenen Vorstellungen präsent zu sein, diese auch beizutragen und zu nutzen.
Die W.I.R.-Formel: R wie Reise
Kooperative Zusammenarbeit ist eine Reise. Wagen wir uns auf dieses Neuland, kommt das einer Expedition in unbekanntes Gelände mit unbekannten Begleitern gleich. Dementsprechend bergen erfolgsversprechende Kooperationen Überraschungen. Zum Glück! Wenn wir schon genau wüssten, was passiert, wo wäre dann der erhoffte Zugewinn, der neue Kooperationsraum?
Über die Autorin: Silodenken macht Menschen müde. Als Gemeindekämmerin hat Ulrike Stahl das selbst erlebt. Ihren Erweckungsmoment hatte sie bei den Vereinten Nationen, wo Kooperation und Kollaboration weltweit Frieden, Recht und Wohlstand fördern. Seither hat sie bei über 2000 DAX-Unternehmen, Mittelständlern und Entrepreneuren die Dimensionen kooperativen Verhaltens erforscht.