ePrivacy? Was bei der Regulierung einer sich digitalisierenden Gesellschaft berücksichtigt werden sollte

Mit der geplanten ePrivacy-Verordnung der Europäischen Union soll generell die Nutzung digitaler Daten geregelt werden. Die Befürchtungen über die Konsequenzen auf Geschäftsmodelle und Wirtschaftsstandorte sind enorm. In dieser Kolumne setzt sich Tobias Spörer mit der Frage auseinander, welche Stellschrauben bei der Regulierung einer sich digitalisierenden Gesellschaft wirklich berücksichtigt werden sollten.

Viel wird dieser Tage über den Streetart-Künstler Banksy gesprochen. Neben seiner gestalterischen Großartigkeit werden Statements des immer noch anonym agierenden Künstlers gerne zitiert. Banksy antwortete einmal auf die Frage, wie er die Sucht der Menschen nach Fame in der Onlinewelt sieht: „I don’t know why people are so keen to put the details of their private life in public; they forget that invisibility is a superpower.“ Ein sehr interessantes Statement, gerade auch im Hinblick auf die Neuregelung des Datenschutzes. Und ich denke dabei nicht nur an die DSGVO, denn mit dem ePrivacy-Gesetzgebungsentwurf steht die nächste große Anpassung in Sachen digitaler Privatsphäre in den Startlöchern. Kritiker äußern jedoch berechtigte Einwände an den verheerenden Defiziten des Entwurfs.

Während die DSGVO den Schutz persönlicher Daten im Fokus hatte, verändert ePrivacy generell die Nutzung digitaler Daten, wie wir sie heute kennen. Unkenrufe lassen nicht lange auf sich warten: Es stünden ganze Geschäftsmodelle auf dem Spiel; Europa als Innovationsstandort würde stillgelegt und eine Branche paralysiert. Die berechtigten Zweifel an ePrivacy werfen die Frage auf, ob die Verordnung tatsächlich Unheil für eine sich digitalisierende Gesellschaft bedeutet – oder ob die Stellschrauben an anderer Stelle angezogen werden müssen. Ein Kontrollgang in fünf Punkten.

Erstens

Menschen blenden Werbeinhalte konsequent aus – über 40 Prozent der User nutzen Adblocker in ihrem Browser. Eine Kickstarter-Kampagne für eine Sonnenbrille, die Inhalte auf Monitoren ausblendet, sammelte über 100.000 Euro. Sie Leben! lässt grüßen. Fachleute gehen davon aus, dass wir mittlerweile mit über 10.000 Werbebotschaften am Tag regelrecht bombardiert werden. In den meisten Fällen nach dem Prinzip Gießkanne.

Zweitens

Aufmerksamkeit gibt es nur noch für schnell und klar erkennbare Mehrwerte. Wenn Markenkommunikation und Plattformen eine nachhaltige Beziehung zum User pflegen wollen, müssen sie mehr Vertrauen schaffen. Nervige Werbebanner, die uns das Gefühl geben, gestalked zu werden, sind eher kontraproduktiv. Sie erzeugen eine Abwehrhaltung, sorgen für mehr Misstrauen und dabei kaum für mehr Klicks.

Drittens

In einer gesunden Beziehung zählt Aufrichtigkeit. Daten können uns helfen, die User besser zu verstehen. Die oberste Voraussetzung ist dabei, dass die User das auch wollen. Wenn wir den Menschen zu verstehen geben, ihre Daten in ihrem Interesse zu gebrauchen und dabei auf Transparenz setzen, profitieren beide Seiten. Wenn nicht, verpufft auch das beste Targeting, die beste Nutzer-Experience.

Viertens

Ein sensibler Umgang mit Daten ist ein bedingungsloses Grundrecht der Nutzer. Sie dürfen erwarten, dass wir nur mit den Informationen arbeiten, die sie uns bewusst zur Verfügung stellen. Nur so können wir die Akzeptanz und die Erkenntnis eines klaren Mehrwerts des Digitalen fordern. Gerade im Hinblick auf ‚Internet of Things’ oder autonomes Fahren wird Vertrauen noch wichtiger werden.

Fünftens

Eine unausgegorene weitere EU-Regelung nützt niemandem. Eine Umsetzung nur um der Umsetzung willen, die Datenschutz auf die Frage nach sinnlosen Pop-ups oder gesetzten Häkchen reduziert, darf nicht Grundlage einer Gesetzgebung sein. Ein modernes Datenschutzkonzept sollte nicht von veralteten Regeln und Vorurteilen untergraben werden. Die EU muss es schaffen, bei solch weitreichenden Änderungen mit Experten gute Lösungen zu finden und diese in einem sinnvollen Zeitrahmen umzusetzen.

Wir müssen es schaffen, den Usern auf Basis von Daten eine bessere ‚Digital Experience’ zu bieten. Gleichzeitig müssen wir vermeiden, beim Kunden das Gefühl des Stalkings und der Unsicherheit zu erzeugen. Denn das fördert das Misstrauen gegenüber allem, was digital ist. User müssen erkennen, welche Mehrwerte die Digitalisierung für sie schafft, um freiwillig und bewusst Informationen über sich preiszugeben. Digital ist ein Werkzeug, dass enormes Potenzial besitzt, unser Leben zu bereichern. Denn wer steigt nicht gerne in sein Auto auf die ideal ausgerichtete Sitzposition, lauscht der makellosen Playlist bei einem perfekt temperierten Innenraum und wird auf dem schnellstmöglichen Weg zum automatisch gewählten richtigen Ziel navigiert – ohne dafür erst mal zehn Minuten allerlei Knöpfchen und Hebelchen betätigen zu müssen?

Von ‚Internet of Things’ bis Markenkommunikation – Daten helfen, die Menschen und deren Wünsche zu verstehen. Und sie helfen uns Agenturen, effektiver arbeiten zu können. Die Pflicht aller ist es, damit äußerst sorgfältig umzugehen und sinnhaften Nutzen daraus zu generieren. Der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA setzt sich genau hierfür ein und zeichnet im November übrigens sehr erfolgreiche Kampagnen, die nachgewiesen zum Erfolg einer Marke beigetragen haben und sich an gegebene Rahmenbedingungen halten, mit einem Effie aus.

Diese Kolumne entsteht in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband der Kommunikationsagenturen (GWA). Der GWA-Präsident Benjamin Minack (ressourcenmangel), Vizepräsidenten Nina Rieke (DDB Group) und Vorstandsmitglied Tobias Spörer (elbkind) schreiben hier regelmäßig für die absatzwirtschaft zum Thema Kunde-Agentur-Beziehung. Anlass ist eine große Kooperation zwischen der absatzwirtschaft, dem GWA und Agenturmatching: zur Agentursuche.