Entscheidungen richtig treffen – ein zielorientiertes Briefing

CRM soll sich rentieren - auch und gerade in mittelständischen Unternehmen. Einsteiger sollten vor dem Einschalten von Softwarehäusern die Anforderungen an ein solches System selbst analysieren.

Auch wenn die Diskussion über CRM mittelständische Unternehmen bei ihren CRM-Bemühungen verunsichert und die unternehmerische Praxis hier nicht immer von Erfolg gekrönt ist: CRM rentiert sich. Die Beschäftigung mit dem Tool verbessert die prozessuale Sichtweise und zwingt, kritische Handlungsfelder zu definieren. Mit einem Instrumentarium aus fünf Elementen (Abb.1) sind Entscheider selbst in der Lage, CRM-Konzepte zu erstellen und deren Realisierungsmöglichkeiten bewerten. Ziel ist es, ein fundiertes Briefing für Softwarehäuser zu erstellen.

I Schritt: In einem ersten Schritt führen Checklisten zu den sieben potenziellen CRM-Handlungsfeldern des Unternehmens. Das sind Vertrieb, Service, Marketing, Marktransparenz, Integration von Service und Vertrieb, durchgängiger Auftragsprozess sowie Produkt- und Serviceverbesserung. Hier können Entscheider Potenzialfelder identifizieren, bei denen sie durch CRM eine umsatzsteigernde und/oder kostensenkende Wirkung realisieren. Eine Checkliste (Abb.2) zeigt dies am Beispiel „Vertrieb“. In einem Fragebogen werden die vertrieblichen Aktivitäten nach ihrem Stadium eingestuft. Sind sie bereits eingeführt? Sind sie noch in der Planung? Mit Hilfe der Checkliste können sich Entscheider die verschiedenen Stadien und Möglichkeiten in diesem Handlungsfeld verdeutlichen.

In einen weiteren Fragebogen (Abb. 3) fließen nun die Ergebnisse der Checkliste ein. Hier geht es darum, mögliche Umsatzsteigerungseffekte oder Kostensenkungspotentiale zu analysieren. Aufgrund der Einschätzungen lässt sich aus den sieben Handlungsfeldern (Abb.4) ein Raster entwickeln, das die Ergebnisse der strategischen CRM-Lücken-Analyse analysiert: Auf der horizontalen Achse lässt sich das Kostensenkungspotenzial, und auf der y-Achse das Umsatzsteigerungspotenzial durch verbesserte Beziehungsqualität abbilden. Auf diese Weise wird die strategische CRM-Lücke für alle sieben Handlungsfelder ersichtlich. Die Größe des Abstands ist ein erster Indikator für das Ausmaß der strategischen Lücke. Bereits hier lassen sich Schlussfolgerungen für eine erste Priorisierung der Handlungsfelder ableiten. Die Verbindungsrichtung zwischen Ist- und Sollpunkt kann auf einen Lösungsansatz hinweisen.

Nehmen wir das oben genannte Beispiel, lässt sich die Lücke über drei Stoßrichtungen schließen. Über den

  • Kostenfokus, also die Senkung der Kundenkontaktkosten bei Erhaltung der bestehenden Beziehungsqualität; über den
  • Umsatzfokus, also die Beibehaltung der bisherigen Kosten bei Verbesserung der Beziehungsqualität und somit des Umsatzes; und über das
  • Outpacing, also Kostensenkungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Beziehungsqualität.

Das Analyseraster zeigt deutlich, dass in diesem Fall nur eine verbesserte Kosten-Umsatz-Relation zum Ziel führt und Richtung und Abstand zwischen Ist und Soll dabei hilft, die einzelnen Handlungsfeldern zu priorisieren. Dabei müssen Entscheider immer die Investitionen für das Schließen einer CRM-Lücke in einem Handlungsfeld in die Gesamtbetrachtung einbeziehen.

Für die Ermittlung der Investitionskosten benötigen Unternehmen einen Überblick über die verschiedenen CRM-Maßnahmen in einem Handlungsfeld und deren Implementierungs- und Betriebskosten. Die Priorisierung der Handlungsfelder nach wirtschaftlichen Effizienzgesichtpunkten ist insofern als iterativer Prozess zwischen diesem Punkt der Analyse und denen, die folgen.

Es empfiehlt sich, für die Handlungsfelder idealtypische Prozesse zu generieren, die es erleichtern, den Nutzen der einzelnen CRM-Möglichkeiten zu bewerten. Auch der Detaillierungsgrad der Teilprozesse ist zu spezifizieren. Beispielsweise ist es im Vertrieb aus CRM-Sicht wenig sinnvoll, den Kaufentscheidungsprozess zu definieren, wenn es sich um eine spontane Aktion des Kunden, zum Beispiel den typischen Kauf eines Low Interest Produktes handelt. Dagegen ist die prozessorientierte Sichtweise dann von Nutzen, wenn es sich um Entscheidungen handelt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, zum Beispieler bei dem Kauf eines Investitionsgutes.

II Schritt: In einem zweiten Schritt geht es um die Auswahl der CRM-Maßnahmen und -Systemkomponenten. Haben die Entscheider in Schritt I die Handlungsfelder analysiert, die strategischen Lücken priorisiert und sich Klarheit verschafft, wie die Prozesse optimalerweise ablaufen könnten, gilt es jetzt, die strategischen Lücken durch konkrete Maßnahmen zu schließen. Auch dies geschieht über Checklisten, die die Auswahl der relevanten CRM-Maßnahmen und -Systemkomponenten unterstützen (Abb. 5) .

Für eine zielführende Analyse sollten Entscheider für jede einzelne Systemkomponente deren Teilfunktionalität erläutern. Das so analysierte Unternehmen kann sich dann entsprechend des bestehenden Einführungsgrades und des Priorisierungsgrades positionieren. Am Beispiel der Systemkomponente „Unterstützung des Vertriebsaußendienstes“ lässt sich dies verdeutlichen (Abb. 6) .

Auf diese Art und Weise können Unternehmen aus sieben Handlungsfeldern 24 CRM-Systemkomponenten mit insgesamt 113 Maßnahmen analysieren. In diesem Stadium gewinnen Entscheider somit eine erste priorisierte Liste an CRM-Systemkomponenten und zugehörigen Maßnahmen. Diese ist jetzt in Hinblick auf weitere Abhängigkeiten zu überprüfen.

III Schritt: In dieser Phase (Konsistenzanalyse) stellen Entscheider die Ergebnisse der CRM-Lücken-Analyse und der Auswahl der CRM-Maßnahmen bzw. -System-komponenten gegenüber und prüfen sie auf Plausibilität und Vollständigkeit. Wichtig ist es hier, sicherzustellen, dass die ausgewählten CRM-Maßnahmen und -Systemkomponenten tatsächlich dazu beitragen, die identifizierten strategischen Lücken zu schließen.

IV Schritt: Weiterhin sollten Entscheider mögliche Interdependenzen prozessualer und technischer Art identifizieren (Interdependenzanalyse). Es widerspricht sich beispielsweise, die Systemkomponente für Marketingkampagnen als „sehr wichtig“ einzustufen, das Adressdatenmanagement für allgemeine Kundendaten dagegen für unwichtig zu erklären. Der Grund: Das Adressdatenmanagement ist die prozessuale und logische Basis für Marketingkampagnen und daher unverzichtbar.

V Schritt: Nach den vorhergehenden Schritten ist es dem Unternehmen aufgrund einer klar priorisierten Anforderungsliste möglich, verschiedene Softwarelösungen zu bewerten. Ein Punktbewertungsverfahren führt zu einer objektiven und transparenten Entscheidung.

Sicherlich, der beschriebene Ablauf ist zeitaufwändig, das auf diese Art und Weise generierte Briefing wird sich jedoch bei der Implementierung bezahlt machen. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Die Unternehmen gestalten und konfigurieren ihr CRM-Systems selbst auf der Basis wirklicher Notwendigkeiten, das heißt zielorientiert;
  • Das System wird nicht überfrachtet mit Features, die einen hohen Installations- und Pflegeaufwand benötigen, aber wenig Nutzen generieren. Die laufenden Kosten des Systems sind niedriger;
  • Die Marketingsicht und der Prozess mit dem Kunden dominiert die Ausgestaltung des CRM;
  • Das erstellte Briefing ermöglicht die genaue Instruktion der IT-Berater und erspart teure Manntage;
  • Die Einführung entlastet die eigenen Mitarbeiter;
  • Das Vorgehen priorisiert einzelne Maßnahmen nach ihrem Nutzen.

Nachhaltig motivierte Mitarbeiter werden es danken – schließlich gehören sie mit zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren rund laufender CRM-Anwendungen.


Prof. Dr. Rainer Schnauffer ist Inhaber des Lehrstuhls für Konsum- und Investitionsgütermarketing an der FH Heilbronn. Neben seiner Professur berät er in Marketing, Vertrieb und CRM. Schnauffer ist Mitautor des Ratgebers „CRM-Entscheidungen richtig treffen – die unternehmensindividuelle Ausgestaltung der Anbieter-Kunden-Beziehung“.