Entscheidend ist, dass das Produkt gefällt und der Gebrauchswert stimmt

Solide Ingenieurarbeit gepaart mit ausgereifter Technik hat deutsche Investitionsgüter seit Generationen weltweit zu Selbstläufern gemacht. Inzwischen muss die Branche gegen den Verlust von Marktanteilen kämpfen. Design wird zum wesentlichen Wettbewerbsvorteil.

Maschinen sind keine Sympathieträger. Als groß, laut und schmutzig sind sie in unserer Vorstellung noch immer fest verankert. Das Bild von den dampfenden Kolossen aus den Zeiten der industriellen Revolution sitzt fest in unseren Köpfen. Ausgenommen Automobile und weiße Ware, sie werden, obwohl sie es sind, nicht mehr als Maschinen wahrgenommen. Im Konsumgüterbereich kaufen die Kunden längst eher Werte und Kultur als Leistungsdaten und Testberichte. Design wird hierbei inzwischen eine große Bedeutung zugestanden. Bei Maschinen hingegen denkt kaum jemand an zeitgemäßen Stil oder gar Emotionen. Wozu dient also Design in diesem Zusammenhang?

Die hidden Champions machen es vor
Der Maschinen- und Anlagenbau bildet gegenwärtig noch immer das Rückrat der deutschen Wirtschaft. Aber, einer Umfrage des Beratungsunternehmens Roland Berger und der Universität Aachen zufolge wollen 90 Prozent der Unternehmen aus diesem Bereich bis 2009 Teile ihrer Produktion aus Kostengründen ins billigere Ausland verlagern. Ähnliches gilt für die Automobilzulieferer. Wir müssen weg von der Standardware der alten Industrie, hin zu Spitzenprodukten der Branchen von morgen. Der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit liegt in der Innovationskraft. Die sogenannten „hidden Champion“ mittelständische Marktführer und Nischenanbieter in hochspezialisierten Bereichen beweisen durch ihren Erfolg, das Mut zur Investition in Forschung und Entwicklung sich auszahlt.

Wer zum Beispiel mit dem Flugzeug reist wird überall auf der Welt bei der Kontrolle des Handgepäcks auf Röntgenprüfsysteme des Wiesbadener Herstellers Smiths Heimann stoßen. Der Großauftrag zur Olympiade aus Griechenland kürzlich war nur ein kleiner weiterer Beweis für die Marktführerschaft des Systems. Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, dass Designer maßgeblich an der Entwicklung der aktuellen Linien mitgewirkt haben. Aber: Bis vor drei Jahren waren die unterschiedlichen Komponenten zur Überwachung von Fluggepäck, wie Röntgeneinheit, Förderband, Monitore und anderes mehr formal voneinander getrennte Geräte. Mit der „Proline-Serie“ entstand in enger Zusammenarbeit zwischen Designern und den Sicherheitsexperten des Auftraggebers ein komplettes System bis hin zum integrierten ergonomischen Arbeitsplatz für das Serviceteam am Flughafen. Zuvor war die Gestaltung der Anlagen allein an den Notwendigkeiten der Technik ausgerichtet, Designer waren nicht an der Entwicklung beteiligt.

Im Zusammenhang mit Verbesserungsvorschlägen und Ergonomiestudien für Arbeitsplätze an Röntgenprüfgeräten setzte sich schließlich der Gedanke durch, dass die für Anwender und Betroffene oft lästige Sicherheitstechnik nicht notwendigerweise auch noch hässlich sein sollte. Zu diesem Zeitpunkt begann sich die Firma Heimann nach einem externen Partner mit neuen Ideen umzuschauen. Symptomatisch: Nach wie vor ist es bei neuen Auftraggebern fast immer der Wunsch nach der Verbesserung des Aussehens, der zur Zusammenarbeit mit Designern führt. Im Laufe des Projektes ist dann so mancher Kunde überrascht, welches komplexe Wissen um Fertigungsprozesse die Kreativen mitbringen. Im Falle Smiths Heimann konnte in kurzer Entwicklungs- und Abstimmungszeit ein attraktives Gerätedesign für die Proline-Serie erarbeitet werden und: Die Marktresonanz ist überaus positiv. Das Design spricht die Kunden an, das neue Gestaltungskonzept passt besser in die Architekturumgebung moderner Flughäfen als das der meisten Wettbewerbsprodukte. Eine Quantifizierung der Designleistung an sich ist schwer möglich, aber seine Bedeutung als wesentlicher Bestandteil des Marketing-Mix kann inzwischen als nachgewiesen betrachtet werden.

Wettbewerbsfaktor „Design“
Das Bedürfnis nach einem Instrumentarium zur Einschätzung des Wettbewerbsfaktors Design, seiner zukünftigen Entwicklung, seiner Bedeutung für Industrie und Handel ist groß, wie Umfragen belegen. Eine aktuelle Studie aus Bayern unterstützt die These: „Design wird mehr und mehr zum strategischen Wettbewerbsfaktor“. Der Begriff Design wie meist verstanden, im Kontext von Styling, wird als irreführend bezeichnet. Vielmehr geht es inzwischen um komplexe Gestaltung: Von der Unternehmenskommunikation bis zur Firmenarchitektur. Designer sollten deshalb schon in frühen Phasen in Innovationsprozesse eingebunden werden und nicht erst nach Abschluss der technischen Entwicklung, wie bisher gemeinhin üblich. Das Wissen über Design muss in den Unternehmen weiter ausgebaut werden. Der Kunde von heute erwartet Produkte, die Einstellungen, Grundwerte, Haltung und Lebensstil symbolisieren. Das sind alles Aspekte mit einer starken Designrelevanz.

Die Kernaussagen der Untersuchung sind:

  • Design ist wichtig, da Design nicht nur Produkte, sondern auch Alltagskultur prägt.
  • Gutes Design fördert das Image, das Betriebsklima und den Absatz eines Unternehmens.
  • Wer Design vernachlässigt, muss mit Umsatzeinbußen rechnen.

Auf Investitionsgüter bezogen bedeutet das: Die Maschine prägt zu einem erhebliche Teil den Arbeitsalltag, das Arbeitsklima und die Motivation der Arbeiter in der Industrie. Gutes Design vermittelt dem Maschinenführer das Gefühl seinen Arbeitsplatz zu verstehen, es gibt ihm Sicherheit bei der Bedienung, erleichtert Prozesse und vermindert körperliche Fehlbelastungen. Mit Hilfe von Designlösungen bleibt der Mensch Herr über die Maschine und wird nicht zum ausführenden hilflosen Knecht der Automatisierung degradiert.

Der aktuelle Bericht aus Bayern bestätigt, dass die Fakten weithin bekannt sind, doch viele Unternehmen handeln nicht konsequent danach. Besonders bei kleinen und mittelständischen Unternehmen wird ein Nachholbedarf sichtbar. Während Grafik-Design, Corporate Design und Web-Design auch kleine Unternehmen gut erreichen, nutzen Messedesign nur 40 Prozent, Produktdesign durchschnittlich noch weniger, und das Verpackungsdesign liegt abgeschlagen auf dem letzten Rang. Bei Großunternehmen sieht es besser aus, aber auch hier spielen in der Praxis nur Grafik- und Webdesign eine gebührende Rolle. Corporate Design und Entwicklung eines designorientierten Markenbildes stoßen auf großes Interesse. Design erscheint dann am besten, wenn es als unverwechselbar gilt. Die Forderung nach signifikanter Unterscheidung vom Wettbewerb ist für die Unternehmen das Entscheidende.

Es herrscht eine große Diskrepanz zwischen den Aussagen zur Wichtigkeit und den Handlungen in der Praxis. Hier wird Design nach wie vor auf das äußere Erscheinungsbild reduziert, viele Fähigkeiten der Designer werden nicht ausgeschöpft. Interessant auch: Designexpertise wird nicht von Design-Experten erwartet, da sie nach wie vor erschreckend unbekannt sind. Designbüros leisten sich Eigenwerbung und kontinuierliche PR-Arbeit auf Grund ihrer oft kleinen Strukturen nur selten. Die meisten kreativen Entwicklungsbüros arbeiten als 5-10 Personen starke Kernteams in projektspezifisch zusammen gestellten Spezialistennetzwerken. Das Interesse der Entscheider aus der Industrie an Information, Case-Studies und Fachbeiträgen in der gängigen Wirtschaftspresse ist groß, wird aber aus genannten Gründen bislang kaum befriedigt.

Einige hilfreiche Publikationen sind allerdings verfügbar. So gibt das Designzentrum NRW regelmäßig eine Publikation zu den Gewinnern des „red dot award“ heraus; gleiches gilt für den „IF-Design Award“, der vom Industrie Forum Design Hannover ausgelobt wird. Beide Auszeichnungen werden an die Hersteller verliehen für Produkte, die bereits auf dem Markt sind, und sie genießen international eine hohe Reputation. Auf den Websites der deutschen Designfachzeitschriften „form“ und „design report“ findet der interessierte Manager außerdem umfangreiche Datenbanken mit Links zu Studioportfolios. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2001 liefert praktische Tools zur Bestandsaufnahme und strategischen Planung sowie zur Bewertung von Design-Segmenten und Trendmechanismen. Ausgehend von einer Ist-Analyse werden Entwicklungsstränge aufgezeigt und ein Bild von der Designwelt 2010 skizziert.

Dabei wird deutlich, dass Design nicht ausschließlich eine ästhetische Kategorie ist, in deutschen Unternehmen aber überwiegend als Marketing-Disziplin angesiedelt ist. Die Befragten gestehen zu 82 Prozent ein, dass Designer einen wesentlichen Anteil am Unternehmenserfolg haben und immerhin noch 53 Prozent bezeichnen sie gar als Visionäre. Der Begriff Innovation wird sehr stark mit Design in Verbindung gebracht, vor allem in der Zukunft. Der Erfolgsfaktor Design wird als schlecht quantifizierbar eingeschätzt, aber: Design sorgt in jedem Fall für Bekanntheit und ein positives Image. Bezug genommen wird ebenda auf eine Untersuchung der Gesellschaft für Konsum-, Markt und Absatzforschung, wonach Führungskräften in sieben Industrienationen deutsche Produkte vor allem für Qualität, Umweltfreundlichkeit und technischen Standard loben. Als Schwachpunkte werden Design und das Preis-Leistungs-Verhältnis benannt.

Design ist kein Nebenaspekt der Produktion und auch nicht teuer
Zahlreiche Beispiele belegen inzwischen das Gegenteil. So konnte die in Baden-Württemberg ansässige Firma Dieffenbacher ihre Marktposition erfolgreich ausbauen. Im Bereich Maschinen und Anlagen zur Spanplattenverarbeitung ist der Hersteller Weltmarktführer. Dies wurde auch durch den gezielten Einsatz von Design-Kow-how möglich. Das Unternehmen legt großen wert darauf, Designer frühzeitig in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Dann kann man mehr erwarten und umfassender partizipieren. Auch das Konstruktionswissen der Designer fließt mit ein und trägt dazu bei, die Maschinen kostengünstiger bauen zu können, betont man im Hause. Wichtig ist auch, dass Designer und Konstrukteure sich als Team begreifen. Ingenieurleistung allein reicht heute nicht mehr. Funktionalität und das Aussehen der Maschinen spielen die entscheidende Rolle, neben dem Kostenaspekt.

Ästhetik, Styling und Image sind die Charakteristika, die Designern spontan zugestanden werden. Eigentlich sind Parameter wie Ergonomie, Anthropometrie, Funktionalität, Innovation, Herstellbarkeit und Kosteneffizienz die bedeutsameren Bestandteile seriöser Designarbeit, und sie sind gerade im Maschinenbau ausschlaggebend. Intelligente Anpassung von Technik an den Menschen und an betriebswirtschaftliche Erfordernisse sind dabei entscheidender als das Aussehen.

Erfahrene Designer beginnen ihre Projekte mit soliden Wettbewerbsuntersuchungen, nehmen vorhandene Produkte unter die Lupe, recherchieren technologische Entwicklungen sowie Materialinnovationen, führen Funktions- und Gebrauchsstudien durch und verbinden die so gewonnenen Erkenntnisse mit der strategischen Ausrichtung des Auftraggebers. Nach der Analysephase beginnt ein eher kurzer Kreativprozess. Die Ergebnisse der Konzeption werden kritisch zur Disposition gestellt und gemeinsam mit Marketing- und Produktionsleitung des Kunden bewertet. Die favorisierte Idee wird präzisiert und im Detail ausgearbeitet. Ab dieser Phase greifen dann vor allem erfahrungs- und bildungsbasierte Qualitäten, die nicht so leicht kopierbar sind.

Die Designer denken in Funktions- und Herstellungsabläufen, optimieren den Gebrauch und geben dem Produkt ein passendes Erscheinungsbild. Ihr Wissen um konstruktions- und produktionstechnologische Zusammenhänge, menschliche Parameter, formale Gestaltungsprinzipien, Anzeichen- und Geltungsfunktion, sowie Farb- und Verhaltenspsychologie versetzt Industriedesigner in die Lage die Entwicklung zukunftsfähiger Produkte maßgeblich zu unterstützen. Das Ergebnis sind: geringere Kosten durch Verkürzungen von Umrüst- und Wartungszeiten, verminderte Fehlbelastungen und Ausfallzeiten beim Benutzer/ Bediener, verbesserte Arbeitssicherheit und Motivation, aufmerksamkeitsstarke Marktpräsentation und last but not least Stolz und Spaß bei der Vertriebsmannschaft. Denn, der Slogan von Raimund Loewy „Hässlichkeit verkauft sich schlecht“ aus den 50igern ist heute zutreffender denn je.

Vergleichbare technische Qualität differenziert sich über den Preis oder eben über Design
Im Preiskampf können wir global nur verlieren. Wir sollten uns auf Stärken, wie Erfahrung und Gefühl für Qualität im Detail besinnen. Anhand der Neuentwicklung der Industriepresse für Dieffenbacher wird im Folgenden ein typischer Projektablauf dargestellt:

  1. Briefing-Phase (klären der technischen Randbedingungen; Zielgruppendefinition; Konkretisierung der
    Aufgabenstellung; Erstellen eines Design-Pflichtenheftes)
  2. Analyse-Phase (Funktions- und Gebrauchsanalyse; Ergonomische Untersuchungen)
  3. Ideen-Phase (Erarbeitung unterschiedlicher Ideen in Skizzenform; Prinziplösungen für Detailprobleme; Variantenbildung)
  4. Konzept-Phase (Verdichten der Ideen zu Design-Konzepten; foto-realistische Darstellungen)
  5. Detaillierungs-Phase (Bearbeitung aller Detailaufgaben wie z.B. Serviceklappen; Bedientafeln, Teiletrennungen usw.; Erstellen verbindlicher 3D-Daten zur Vorlage für die Einzelteilkonstruktion)
  6. Realisierungs-Phase (Konstruktionsbegleitung; Definition von Material, Oberfläche, Farbe und Produktgrafik)

Die Pressenbaureihe „Impress“ besteht aus Standardmodulen, deren Ausführung sich nach den kundenspezifischen Wünschen in Bezug auf Kraft, Tischgröße, Einbauraum und Stößelhub richtet. Durch vielfältige Optionen wie zum Beispiel Ziehkissen, Schnittschlagdämpfer oder Parallelhaltung wird höchste Flexibilität ermöglicht. Bei der Bedienung legten Designer und Auftraggeber großen Wert auf Komfort und gute Übersichtlichkeit. Mit ihrer neuartigen Kombination von Kraft, Ergonomie, Funktionalität und Design setzt die Baureihe Standards für Pressensysteme der Zukunft.

Die Asiaten schätzen Produkte made in Germany gerade deswegen, und sie tun viel um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern. Verschiedene Projekte fördern den praxisorientierten Erfahrungsaustausch. So sind zum Beispiel im Rahmen des Fortbildungsprogramms „Innovationsmanagement in der Produktentwicklung“ noch bis Endes November junge Betriebswirte, Ingenieure und Industriedesigner aus den Philippinen, Thailand und Vietnam im Lande.

Es wird sicher noch einige Zeit dauern bis unsere ärgsten Wettbewerber aus Fernost auf unserem Erfahrungsstand sind, aber es wird in jedem Fall schneller gehen, als uns lieb ist. Wir alle müssen umdenken, ein zurück zum Produktionsstandort Deutschland ist eher unwahrscheinlich. Die Zukunft liegt im Brain-Service, Design gehört dazu. Wissen und Erfahrung sind das schwer kopierbare Know-how, das Deutschland zu bieten hat. Eine besondere Kompetenz im Investitionsgüterdesign wird Deutschland international noch immer zugestanden. Um diese Position halten und auszubauen zu können, müssen wir unsere Kräfte bündeln und partnerschaftlich im Sinne des Wirtschaftsstandortes Deutschland handeln. Kurzzeitiges egoistisches Profitdenken und persönliche Profilierungsansprüche sollte öfter einmal zu Gunsten eines langfristigen strategischen Plans und wirklicher Innovation zurücktreten.

Der Autor Hans Werner Mattis ist Diplom Industrie-Designer und betreibt seit 20 Jahren ein Entwicklungsbüro in Darmstadt. Seine Arbeiten für zahlreiche Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen wurden mehrfach prämiert und werden weltweit verkauft.

eingestellt am 24. Februar 2005