Eine Tonne Schokoherzen zu versteigern: „Mein Marketingherz ist aus Schokolade und schlägt für Air Berlin – immer!“

Deutschlands zweitgrösste Airline ist Geschichte. Zum Abschied malte der Airbus BER4EVR ein grosses Herz in den Himmel über Berlin. Wehmut schwappte durch die Medien. Vergessen all das Chaos und die Probleme der letzten Monate. Abschied nehmen tut weh, gerade wenn eine „liebgewonnene“ Marke die Bühne verlässt. Die Reste von Air Berlin werden nun versteigert. Auch eine Tonne Herzen.

Ein Kommentar von Katrin Böhme, Markencoach

Eigentlich hat Air Berlin das geschafft, was alle Marken wollen: Die Airline mit Herz hatte ihren Platz in den Herzen ihrer Kunden gefunden. Es war ein frischer und herzlicher Ansatz, den die Marke der elitären Konkurrenz entgegensetzte und der den Spaß am Fliegen zurückbringen sollte – für alle und für alle gleich günstig. Sie war hipp und frech wie Berlin und das nahm man den Air Berlinern auch ab. Mit Herz und Schnauze konnten sie glaubhaft eine Identität schaffen, die Fluggästen und Angestellten gleichermaßen eine Heimat wurde: Lass uns zusammen unsere Bahnen ziehen, wir fliegen heute noch über Berlin… Es ist eine alte Marketingweisheit, dass eine Marke nur nach außen strahlen kann, was auch im Inneren gelebt wird. Das eingeschworene Team der Air Berliner hat über viele Jahre gezeigt, wie das funktioniert, weil sie ihren Job wirklich liebten.

Der Mallorca Shuttle wurde zum Familienausflug und am Ende gab es das rote Schokoherz

Vom 15. Januar an versteigert das Hamburger Auktionshaus Dechow im Internet Inventar von Airberlin und auch eine ganze Tonne Schokoherzen. Auch wenn es keine Erfindung der Berliner Airline war, es wurde Ihr Markenzeichen, ein Signatur Piece und irgendwann war es Kult. Wie ein Ritual aus frühen Kindertagen freute man sich auf die Belohnung, die viel mehr war als Wertschätzung, Sicherheit oder Verlässlichkeit. Es machte im doppelten Sinne glücklich, weil Schokolade das Glückshormon Dopamin freisetzt und weil man mit dem Herzen zum Teil der Air Berlin Familie wurde.

Der Sinkflug begann, als der Airline die Ferien- und Städtetrips nicht mehr ausreichten. Wer wann welchen Fehler gemacht hat wurde schon viel diskutiert. Aus Sicht der Marke sollte sich vor allem die fehlende Positionierung bald rächen. In der vernetzten Welt ist der „Moment of truth“ immer und überall und die entsprechenden Reaktionen ließen natürlich nicht lange auf sich warten. Heftig war er und nicht immer politisch korrekt, der Shitstorm. Jetzt wo alles vorbei ist zeigte sich aber auch darin die Verbundenheit der Kunden mit ihrem Lieblingsflieger. Offensichtlich merkte die Fangemeinde der Air Berlin viel schneller als das Management, dass etwas nicht stimmte mit „ihrer“ Airline. Und sie taten das, was man eben bei einem guten Freund oder lieben Kollegen tut, der in Schwierigkeiten steckt: sie machten ihre Airline darauf aufmerksam, dass sie gerade dabei ist all das kaputt zu machen, was Air Berlin stark gemacht hat. Zunächst vorsichtig und verständnisvoll, später laut und deutlich und für alle hörbar. Und es wurde vieles kaputt gemacht: Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Identität und Verständnis.

Dieses herzige Dankeschön

Auch ich wurde nach einem kurzfristig abgesagten Flug nach Düsseldorf mit einer dieser legendären Propellermaschinen der Poste Italiane als Paket verschickt. Am Ende war es wieder das traditionelle Air Berlin Herz, das mich zumindest ein wenig mit dem nicht vorhandenen Service und den unzähligen gefühlten Schlaglöchern auf den Luftstraßen versöhnte. Denn es hatte diesen entwaffnende Charme, dem man sich einfach nicht entziehen kann. Weil da ein Mensch dem anderen sagt, Danke, dass Du (trotzdem) mit uns geflogen bist. Und dieses herzige Dankeschön begleitet einen dann als Notversorgung zum nächsten Geschäftstermin, als süßes Mitbringsel für die Lieben daheim oder einfach so als Glücksbringer. Die Airline mit Herz nahm man Air Berlin auch noch ab, als sich Mitarbeiter aus der Verwaltung im größten Chaos an die Gepäckbänder stellten und bei der Passagierbetreuung aushalfen. Es sollte nur nichts mehr nutzen, das Vertrauen war weg. Wer tatsächlich am Ziel ankommen wollte, pünktlich und mit Gepäck, konnte und wollte sich nicht mehr auf Air Berlin verlassen. Das kleine rote Herz konnte nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass Leistung und Service nicht mehr hielten, was das Markenzeichen versprach. Am Ende war es nur noch ein Herz aus Schokolade, aber ohne Seele und Mehrwert.

Wie viel höher der ideelle Wert dieser kleinen Schokoladenherzens für die verbliebene Fangemeinde der AirBerlin ist, kann man nicht nur im Auktionshaus sondern auch auf ebay erleben: Hier wird das legendäre Markenzeichen inzwischen zu unglaublichen Preisen angeboten. Ich habe auch noch eines von meinem letzten Flug mit der Postmaschine – aber ich werde es wohl behalten. Als Erinnerung an all die schönen Erlebnisse mit meiner Air Berlin und den Absturz einer liebenswerten Marke mit Herz.

Zur Autorin: Katrin Böhme arbeitet als Marken-Coach für Marketing mit Strahlkraft. Sie leitet den Competence Circle Maken-Management beim Deutschen Marketing Verband