„Eine nur auf Spaß ausgerichtete Kinderlinie hätte die Marke überdehnt“

Zielgruppen verstreben sich neu, Segmente wandeln sich und Unternehmen müssen sich auf diese Veränderungen einstellen. Vor zu großen Spagaten bei der Markendehnung und Produktentwicklung kann laut Torge Steffens, Geschäftsführer der Design- und Innovationsagentur Visid, die so genannte Limbic Map der Gruppe Nymphenburg warnen. Mit dem Instrument hat er unter anderem bei der Gestaltung der Kindermarke „Funtastics“ von Edding gute Erfahrungen gemacht.

Herr Steffens, welche neue Zielgruppe galt es im Fall Edding anzusprechen?

TORGE STEFFENS: Das Besondere war, dass wir eine doppelte Zielgruppe mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen ansprechen mussten, nämlich Kinder und ihre Mütter beziehungsweise Väter. Während Kinder Spaß suchen, reagieren Eltern stärker auf Signale, die auf Qualität, Sicherheit und Nutzwert schließen lassen. Hinzu kommt, dass Eltern mit dem heutigen Informationsangebot sehr genau auch auf die biologische Verträglichkeit und die Förderung kindlicher Fähigkeiten achten. Deshalb verfolgt das Konzept für Eddings „Funtastics“ einen so genannten Edutainment-Ansatz.

Wie haben sie die Limbic Map angewendet?

STEFFENS: Der Markenkern von Edding liegt auf der Limbic Map an der Grenze vom Bereich Dominanz zum Bereich Kontrolle. In beiden dominieren funktionale und leistungsorientierte Eigenschaften. Eine nur auf Spaß ausgerichtete Kinderlinie hätte die Marke daher überdehnt. Stattdessen haben wir an einer stimmigen Kombination von Kontrollmotiven und hedonistischen Motiven gearbeitet. Dazu haben wir alle Details, also die Produkte selbst, aber auch Farben, Formen und Siegel auf der Verpackung emotional feinjustiert. Beispielsweise verbindet sich das funktionale Blau Eddings mit der lebendigen Neugier, für die das Funtastics-Orange als Farbe steht.

Weshalb hat es sich gelohnt, auf die limbische Methodik zu vertrauen?

STEFFENS: Der Ansatz erlaubt es, kreatives Bauchgefühl präziser als zuvor zu begründen. Man kann die impliziten Argumente von Entwürfen für Kunden besser offenlegen, wodurch auch das Verhältnis von kreativer Leistung und Briefing verbessert wird sowie Überarbeitungen leichter werden. Insbesondere wenn Unternehmen selbst mit dem Limbic Ansatz arbeiten, entsteht eine ganz neue Kommunikationsebene zwischen Kreation und Kunde. Nach der Beschäftigung mit Neuromarketing über die vergangenen Jahre hinweg ist die zentrale Erkenntnis für uns, dass Emotionen die Schlüsselrolle bei Kaufmotiven einnehmen. Das ist mithilfe von klassischen Befragungen nur bedingt zu überprüfen, weil Konsumenten dazu tendieren, unbewusste Emotionen mit dem Verstand zu erklären, was das Bild verzerrt. Beachtet man dies bei der Strategie der Befragung, lassen sich Marktforschung und die Arbeit mit der Limbic Map sehr gut kombinieren.

Für welche weiteren Einsatzfelder eignet sich die Limbic Map?

STEFFENS: Viel Potenzial besteht am POS, der oft noch mit zu nivellierten beziehungsweise widersprüchlichen Aussagen ausgestattet wird. Derzeit ist die Weiterentwicklung einer Getränkemarke vom oberen Premiumsegment in die Luxusklasse ein spannendes Projekt für uns. Mit der Wirtschaftskrise und Nachhaltigkeitsdiskussion werden von Luxusprodukten beispielsweise weniger aggressive Qualitäten, dafür mehr harmonisierende Eigenschaften erwartet. Wir arbeiten außerdem gerade daran, den Limbic-Ansatz in unsere Innovationsworkshops einzuweben, um Kreativtechniken darauf abzustimmen und auch, weil sich Trends exzellent damit abbilden lassen. Vor allem aber besteht großes Potenzial für den Bereich abstrakter Services, vom Gesprächscoaching bis zu Leitsystemen. Was Unternehmen betrifft, wird der B-to-B-Sektor oft noch unterschätzt, der alles andere als ‚unemotional’ ist.

Wo sehen Sie die Neuromarketing-Praxis im Jahr 2015?

STEFFENS: Die Limbic Map ist keine alles umstürzende Revolution, aber sie wird den Blick auf Emotionen und ihren Einsatz im Marketing erweitern. Außerdem entstehen derzeit neue Analysemodelle von Agenturen und Forschungsgruppen. Sie werden die etablierten Modelle sicher herausfordern bis Agenturen und Unternehmen sich auf wenige Ansätze verständigt haben, um kompatibel zusammenzuarbeiten.

Die Fragen stellte Martina Monsees.

Mehr Informationen finden Sie unter:
www.visid.de