„Eine digitale Messe ist besser als keine Messe“

Volker Fischer, General Manager Germany beim IT-Dienstleister GFT, blickt auf die Hannover Messe zurück, die in der vergangenen Woche erstmals rein digital stattgefunden hat. Warum er dieses Format für einen absoluten "Notnagel" hält und welche Events seiner Meinung nach eine Zukunft haben, verrät er im Interview.
2020 ausgefallen, 2021 digital, 2022 hybrid: die Hannover Messe. (© Messe Hannover)

Herr Fischer, nach der Absage 2020 fand die Hannover Messe in der vergangenen Woche ausschließlich digital statt. Laut Messechef Jochen Köckler war es ein Testlauf für eine hybride Industriemesse 2022. Was halten Sie von diesem Plan?

Grundsätzlich halte ich es für richtig, Messen um digitale und virtuelle Elemente zu erweitern – ich glaube, das war ohnehin überfällig und die Pandemie hat die Entwicklung, ähnlich wie in anderen Bereichen, beschleunigt. Ich glaube aber auch, dass die Veranstalter ihre Konzepte für die Zukunft nachschärfen müssen, um wirklich attraktiv zu bleiben.

Was müssten sie tun? 

Der Erlebnischarakter fehlt bei der digitalen Hannover Messe bisher leider – vielleicht ist der Einsatz von VR- oder AR-Lösungen hier ein Ansatz. Auch fehlt die Interaktivität und das Networking.


Der Informatiker und Mathematiker Volker Fischer, 49, ist General Manager Germany beim IT-Dienstleister GFT.

GFT Technologies ist ein Informationstechnik-Dienstleister für den Finanzsektor und die Industriebranche. Das Unternehmen aus Stuttgart war bei der Hannover Messe unter anderem durch Kooperationen mit Google Cloud und T-Systems vertreten. Die GFT-Tochter in-gmbh, ein Spezialist für Industrial Internet of Things, hat auf der Messe seine Digital-Twin-Plattform sphinx open online präsentiert.


Die Veranstaltungswelt bleibt auch im zweiten „Corona-Jahr“ rein digital. Was bedeutet diese erzwungene Flucht in die virtuelle Welt für die Aussteller und Besucher?

Ich denke, eine digitale Messe ist besser als keine Messe, aber wie schon gesagt, müssen die Veranstalter ihr Angebot noch perfektionieren. Ein wichtiges Element eines Messebesuchs ist ja, dass Aussteller und Besucher sich Produkte, Lösungen oder Modelle gemeinsam anschauen und darüber ins Gespräch kommen, oder auch zufällige Begegnungen, aus denen wertvolle Kontakte werden können. Bei digitalen Industrie-Messen sehe ich bisher leider kaum Ansätze, wie das repliziert werden könnte, die Vermutung hat sich also leider bestätigt. Was nicht heißen soll, dass das nicht möglich wäre – die Veranstalter könnten sich zum Beispiel in der Gaming-Branche umschauen, da können Sie sich einige Anregungen holen. Ansonsten bleibt natürlich die Hoffnung, dass in 2022 wieder etwas Normalität einkehrt.

Nicht nur Messen finden digital statt, auch die Entwicklerkonferenzen großer Tech-Konzerne. Macht es nicht ohnehin Sinn, dass Unternehmen wie Apple, Google oder Facebook ihre Neuheiten den globalen Fangemeinden und der Fachwelt im digitalen Raum vorstellen?

Digitale Entwicklerkonferenzen sind sicher einer Bereicherung für Teilnehmer, die sonst vielleicht nicht die Chance hätten teilzunehmen, und aus einer globalisierten Welt nicht wegzudenken. Nichtsdestotrotz ist der Event-Charakter dieser Ereignisse nicht zu unterschätzen und ich glaube, dass eine rein digitale Konferenz wirklich nur ein „Notnagel“ ist, der eine physische Teilnehme an einer Konferenz nicht ersetzen kann und wird. Ich glaube aber, dass sich zukünftige beide Welten stärker verbinden werden.

Bisher noch nicht abgesagt oder ins Digitale verlegt, sondern als Live-Event mit 40.000 Teilnehmern geplant ist für Ende Juni der Mobile World Congress in Barcelona. Doch auch hier hagelte es bereits Absagen namhafter Aussteller. Was wäre der MWC ohne Google, Facebook & Co.?

Ein MWC ohne diese Big Player ist schwer vorstellbar, aber es wird einfach von der Entwicklung der Pandemie abhängen – für alle, nicht nur für die großen Aussteller. Aktuell scheint eine solche Veranstaltung Ende Juni schwer vorstellbar. Sollten diese großen Aussteller dem MWC dauerhaft den Rücken kehren, würde er wohl eine ähnliche Entwicklung nehmen wie die Cebit.

Es wird irgendwann ein „Danach“ geben. Wird dann wieder alles wie vorher oder welche Lehren lassen sich bereits heute aus der Krise ziehen?

Ich glaube nicht, dass alles wieder wie vor der Pandemie wird. Wir erleben, dass nicht jede Veranstaltung und jeder Termin als Präsenzveranstaltung stattfinden muss. Das wird sich auch darin niederschlagen, was wir von Messen und Kongressen erwarten. Ich glaube deshalb, reine Präsenzveranstaltungen werden zum Auslaufmodell, und die, die es schaffen, auch im virtuellen Raum Erlebnischarakter und Networking optimal umzusetzen, haben einen großen Vorteil.

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.