Eine alte Kaufmannstugend neu entdeckt

Einseitige Information war gestern. Da lag die Macht noch beim Anbieter. Und Werbung war ein Monolog: Marken sandten Botschaften, Kunden hörten zu und kauften dann. So einfach war das. Heute nennen wir solches Vorgehen Spam. Und das nicht nur im Internet.

Ungewollte Werbe-Anrufe: Telefon-Spam. Penetrante Funk- und Fernsehspots: Wohnzimmer-Spam. Grellbunte Massenmailings: Briefkasten-Spam. Mit teuren Werbegeldern Erkauftes landet im Papierkorb oder wird einfach weggezappt. Heute ist das Verhältnis zum Kunden dialogisch geprägt – und interaktiv. Unternehmen fragen und hören zu, Kunden senden Botschaften und Wünsche, und wenn sie an den Antworten Geschmack finden und ein gutes Gefühl dabei haben, dann kaufen sie auch – und reden darüber. Willkommen im Zeitalter der Partizipation.

Empfehlungsmarketing schlägt klassisches Marketing

Das Empfehlungsmarketing – einst nur die meist lästige und oft auch penetrante Frage nach ein paar Adressen – hat sich mächtig weiterentwickelt. Pfiffige, bislang noch wenig beanspruchte Werbeformen und insbesondere das Internet eröffnen heute völlig neue Wege in Sachen Mundpropaganda. Da sind zum Beispiel:

  1. das Guerilla-Marketing
  2. das Buzz-Marketing
  3. das Viral-Marketing

1. Wie Guerilla-Marketing funktioniert

Hinter diesem martialisch klingendem Begriff steckt ein offensives Marketing der Überraschungen. Guerilla-Marketing setzt auf Brain statt Budget, auf große Ideen für kleine Portemonnaies. Ursprünglich wurde Guerilla-Marketing als Waffe für Firmen mit knappen Werbegeldern im Kampf aus dem Hinterhalt gegen die ganz Großen entwickelt – daher der Name. Inzwischen wird es auch von Weltmarken genutzt, um mit unkonventionellen Methoden Aufmerksamkeit zu erzielen und eine öffentliche Diskussion anzuregen.

Legendär ist das Bild von Linford Christie mit den Puma-Augen anlässlich der Präsentation von Sport-Ausrüstung für die olympischen Spiele in Atlanta. Das Foto mit den Logo-Kontaktlinsen des Sportartikelherstellers ging um die ganze Welt und erreichte ein Interesse, das mit klassischer Werbung so nie möglich gewesen wäre – zu einem Bruchteil der Kosten.

Gut gemachte Guerilla-Marketing-Aktionen sind kreativ, mutig und frech, laut und rebellisch, idealerweise geradezu spektakulär. Sie kommen überraschend und meist unangekündigt aus dem Nichts daher und verschwinden dann wieder. Sie polarisieren und bringen sich so ins Gespräch. Man mag sie oder man mag sie nicht – Hauptsache, man redet über sie. Ihre Wirkung ist meist emotionaler Natur und damit auch nachhaltiger als konventionelle Werbung.

2. Wie Buzz-Marketing funktioniert
Die durch Buzz-Marketing erzeugte Mundpropaganda entsteht nicht aus dem ‚Good-will’, den zufriedene Kunden ihrem Lieblingsanbieter uneigennützig entgegenbringen, sondern sie wird durch spezialisierte Agenturen planmäßig initiiert und muss vom Auftraggeber bezahlt werden.

Solche Buzz-Agenturen haben so genannte ‚Buzzer’ (to buzz = ausschwärmen) in ihrer Datenbank, die vorgegebene Produkte zwar gezielt, aber dennoch zwanglos in ihrem Umfeld ins Gespräch bringen. Die ausgewählten ‚Agenten’ bekommen Produktmuster und Anleitungen für die Kundenansprache. Sie arbeiten unentgeltlich und unterliegen keinem Zwang. Sie tun und sagen, was sie wollen. ‚Buzzen’ ist für sie eine Chance, Spaß zu haben, an einen Informationsvorsprung zu kommen, ihr Geltungsbedürfnis zu nähren, anderen zu helfen oder Einfluss zu nehmen. Das bringt Selbstbewusstsein und Prestige. ‚Buzzer’ sind also in aller Regel Selbstdarsteller und Vorreiter, ihre ‚Opfer’ sind Leute, die dazugehören wollen oder Angst haben, den Anschluss zu verlieren. Außerdem können ‚Buzzer’ neue Produkte testen, bevor sie auf den Markt kommen und so an deren Entwicklung Anteil nehmen. Oder gar noch notwendige Änderungen anschieben.

3. Wie virales Web-Marketing funktioniert

Das Internet ist, wie immer deutlicher wird, nicht nur ein effizienter, sondern auch ein vergleichsweise kostengünstiger Empfehlungsgenerator mit hoher Reichweite. Mund-zu-Mund-Werbung im Internet (oder sollten wir besser Maus-zu-Maus-Werbung sagen) funktioniert auf subtile Weise und ist oft nur auf den zweiten Blick als solche zu erkennen.

Sie kann durch puren Zufall entstehen oder von einem Unternehmen gezielt losgetreten werden. Ein früher Vertreter des viralen Marketing war das Moorhuhn, das am Ende zwei drittel aller Computer ‚infiziert’ haben soll. Ein weiteres Beispiel ist das Kinderlied vom Schni-schna-Schnappi-Krokodil, das vom Internet aus die Charts eroberte.

Das virale Marketing verdankt seinen Namen der dramatischen Schnelligkeit und der exponentiellen Wirkung, mit der sich eine Botschaft – meist per E-Mail oder über Foren, Blogs und Chats – virusartig im Internet ausbreitet, ohne dass darauf Einfluss genommen werden kann, wen sie wann erreicht. Ferner kann meist nicht vorhergesagt werden, ob die Botschaft eine positive oder eine negative Richtung nimmt.

Die Effekte, die durch virales Marketing ausgelöst werden, entwickeln eine hohe Eigendynamik. Sie sind weder planbar noch steuerfähig, weil nicht mehr zu stoppen. Das macht virales Marketing gleichzeitig so wirkungsvoll – und auch gefährlich.

Autorin: Anne M. Schüller, Anne Schüller Marketing Consulting

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