Ein Selbsttest: Auf der Suche nach dem eigenen Ego

Will man sich in dieser Welt als Marke etablieren, muss man Experte in einem Thema sein. Doch was, wenn man in so vielen Dingen gut ist und kein Naturtalent im Selbstinszenieren ist? Dann hilft eine Unternehmensberaterin wie Regina Mehler. Ein Selbstversuch
asw-Redakteurin Linda Gondorf (r.) im Gespräch mit Regina Mehler (l.). Sie will herausfinden, wie man selbst zur Marke wird

Die Generation Y, ausgestattet mit einem großen Rucksack voller Selbstbewusstsein, weiß, wie man sich via Instagram, Facebook und Snapchat zumindest digital in Szene setzt. Start-up-Gründer performen auf den Bühnen dieser Welt, dass jeder Auftritt von Tim Cook und Co. als langweilig gilt. Manche Menschen können die Bühne für sich einnehmen und mit einem Thema begeistern. Der andere Teil, und dazu zähle auch ich, muss erst lernen, wie man ohne Scheu vor 1 000 Menschen oder auch nur vor dem Vorstand redet, sich als Marke etabliert, um gehört und anerkannt zu werden. Dafür begebe ich mich in eine Marketing strategieberatung mit Regina Mehler. Mehler ist Gründerin, CEO, Autorin und Rednerin und gründete 2010 den größten „Pool of Female Excellence“, die Women Speaker Foundation. Mit dieser Organisation schafft sie es, mehr Frauen in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen. Doch auch Männer wollen zu einer Eigenmarke werden, und so gibt es seit diesem Jahr ihr Start-up „1st-Row“, das sich darauf spezialisiert hat, aus Experten Marken zu machen und Manager zu innovativen „Leadern“ zu entwickeln.

Mein USP, meine Themen, meine Vision

Die Querdenkerin nimmt mich also mit auf eine kleine Reise, um herauszufinden, wo meine Kernkompetenz liegt und in welchem Bereich ich Expertin sein kann, um mich dann als Marke zu etablieren. Ich begebe mich also nach München. Zehn Minuten vom Hauptbahnhof entfernt liegen in einem Innenhof Mehlers Büro, „1st-Row“ und die Women Speaker Foundation. Es ist ein warmer Sommertag, die Balkontür steht auf, wir sind beide gut gelaunt, plaudern erst einmal über dies und das, trinken etwas. Ohne dass ich es wirklich bemerke, handelt unser Gespräch plötzlich von mir. Für die nächsten fünf Stunden geht es nur um meine Wenigkeit – und das macht kurzzeitig Angst. Was werden wir herausfinden? Finden wir mein Expertenthema? Muss ich meine Schwächen offenbaren? Oh ja, all das. Wir legen los.

In den nächsten Stunden geht es nicht nur um den Job, sondern auch um mich privat. Im ersten Schritt malt Mehler mein Kürzel auf ein Flipchart. „LIG“ steht in einem Kreis. Darunter „USP“. Was macht mich aus? Als Erstes fallen mir Dinge ein wie: laut, offen, ehrlich, zu direkt, redegewandt, schnell und pragmatisch, chaotisch, positive Grundeinstellung, ungeduldig, ausgestattet mit einem Kurzzeitgedächtnis, kommunikativ, kein Smalltalker und kontaktfreudig – aber nur bei interessanten Menschen.

Werte für die Zukunft erfassen

Über manche Punkte diskutieren wir sofort, stellen Dinge richtig, und prompt hat Mehler ein Puzzleteil herausgehoben: die Kommunikation. „Darüber müssen wir später noch einmal reden“, wirft sie in den Raum. „Das ist Ihr Potenzial, Ihr Thema, in das Sie mit sehr viel mehr Tiefe reingehen könnten.“ Und ich denke sofort: Wow, haben wir gerade innerhalb von zehn Minuten mein Expertenthema gefunden? Natürlich nicht, beruhigt mich Mehler. Denn zur Kommunikation gehört so viel, dass man noch aussortieren muss, um was es mir denn genau geht. Also weiter im Text. Auf dem nächsten Papier steht: Was sind „LIGs Werte?“ Das können Werte sein, für die ich einstehe oder die ich mir für die Zukunft vornehme. Also los. Es wird langsam schwerer, in sich selbst hineinzuhorchen. Ich rutsche leicht nervös auf meinem Stuhl hin und her. Dann fällt mir Ehrlichkeit ein. Das bin ich und da verbiege ich mich nicht. Dazu kommt noch hilfsbereit, offen, verantwortungsbewusst und oft zu tolerant. Immer wieder schweigen wir zwei, lassen die Worte auf uns wirken. Ich überlege, ob ich etwas vergessen haben könnte. Schließlich geht es hier gerade um mich als Marke. Das nächste Flipchart besteht dann aus „LIGs Themen“. Welche Themen interessieren mich? Das scheint einfach zu sein, denn es gibt vieles, wofür ich mich interessiere: Marken, Sharing-Economy, Start-ups, Apps, Digitalisierung, Social Media, Food, Sport, Reise, Film. Und plötzlich wird mir klar, dass ich ein Problem habe: Für welches Thema stehe ich denn wirklich? Regina Mehler nimmt mir die Sorge. Vielfältigkeit sei äußerst wichtig, und schließlich seien hier auch private Themen dabei, die mich ausmachen. Ich scheine normal zu sein, kein bisschen komisch.

„Think big, dream big“ oder: Wie ich maßlos übertreibe

Wir kommen meinem Expertenthema immer näher. Zumindest habe ich das Gefühl. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, tiefer in die Materie einzusteigen. Die nächste wichtige Frage, die ich beantworten muss: Als wer will ich wahrgenommen werden? Wo stehe ich in zwei Jahren, also 2018? „LIGs Vision“ ist mir klar. Ich wäre gerne weiterhin Redakteurin, wohne noch in Hamburg, ich bin immer noch in meiner Beziehung. Dann treibt Mehler mich an, größer zu denken, mal zu übertreiben. So kitzelt sie die wahren Wünsche aus mir heraus. Dinge, die man selbst nie laut aussprechen würde, traue ich mich plötzlich zu äußern. Okay, das kriege ich hin: Ich bin nicht mehr angestellt, sondern gründe gerade mein Start-up mit zwei Freundinnen. Wir sind so etwas wie die Edition F, nur für Marketing. Meine Vision: Die Rolle der Frau in diesem Bereich stärken, eine Plattform für Frauen in der Branche erschaffen. Ich schreibe dann nur noch über Themen, die mich wirklich interessieren, und sitze nebenbei noch irgendwo im Vorstand bei Otto oder Facebook, habe ein Haus an der Ostsee und reise 2018 nach Bali. Think big, dream big. Und ich merke, wie mein Selbstbewusstsein wächst. Leider reicht die Zeit nicht, um es ins Unermessliche wachsen zu lassen. Unsere Coachingzeit ist begrenzt, wir haben nur diesen Tag. Regina Mehler erklärt mir das weitere Prozedere: „Nun analysieren wir, wie man mit dem USP, Ihren Werten, Themen und Visionen eine Marke erschafft. Wären die Folien transparent und wir würden sie übereinanderlegen, dann erkennten wir den größten gemeinsamen Nenner in der Regel recht schnell. So definieren wir das Expertenthema, das wir dann im Detail mit verschiedenen Methoden weiter herausarbeiten.“