EFM: „Ist es noch Marktforschung oder ist es schon Marketing?“

Immer ganz nah am Kunden zu sein, prompt reagieren zu können, wenn etwas nicht passt – ein Enterprise Feedback Management System (EFM) bündelt dazu Informationen aus allen Kommunikationskanälen und schlägt Alarm, wenn Aktivität gefragt ist. Bei Ipsos achtet man aber außerdem darauf, unter welchen Umständen sich derartige Kundenorientierung wirklich auszahlt.

„Das Besondere an EFM ist, dass Sie als Unternehmen mit sehr vielen Kunden eine 1-zu-1-Wertschätzung ihrer Klienten realisieren können“, nennt Martin Hellich, Director des Geschäftsbereichs Loyalty bei Ipsos Deutschland, einen der Vorteile von ausgefeilten Enterprise Feedback Management Systemen. Hellich denkt dabei etwa an eine Hotelkette, bei der ein Kunde besonders unzufrieden war und das auch bei der automatisch angestoßenen Online-Befragung nach dem Aufenthalt deutlich gemacht hat. Idealerweise hätte das System die extreme Unzufriedenheit sofort gemeldet, so dass die Verwaltung der Hotelkette dann den Kunden zeitnah kontaktieren und zum Beispiel mit einem Gutschein die Enttäuschung hätte abfedern können. Genauso gut wäre aber auch langfristiger angelegte Qualitätssicherung möglich. Etwa bei einem der wichtigsten „Touchpoints“ von Hotelnutzern, dem prüfenden ersten Blick auf die Sauberkeit des Zimmers. Hellich: „Stellt sich in der mittelfristigen Betrachtung heraus, dass zum Beispiel in einem Ostsee-Hotel der Kette die Bewertungen der Kunden an diesem ,Touchpoint‘ immer montags besonders zu wünschen übrig lassen, kann man gezielt daran gehen, nachzubessern. Vielleicht stimmt der Putzplan nicht oder ein Mitarbeiter muss nachgeschult werden.“

Nun ist der zentrale Touchpoint bei Hotels – der Erstkontakt mit dem Zimmer – vergleichsweise leicht identifiziert. Was es sonst noch für relevante Stellen gibt, an denen Kunden guten oder schlechten Service festmachen, ist schon weniger einfach zu ermitteln und je nach Branche, Dienstleistung und Kundenbeziehung auch ganz unterschiedlich. Die relevanten Touchpoints gemeinsam mit dem anbietenden Unternehmen auszumachen und sich dann anzuschauen, wie und über welche Medien dabei die Kundenreaktionen abzufragen sind, das ist deshalb eine der wichtigen Aufgaben der Marktforscher bei der Planung von EFM-Systemen.

„Das Reporting muss zur Hierarchieebene passen“

EFM ist ohnehin mehr, als nur über Umfragemodule auf vielen Ebenen Kundenfeedback einzuholen. Von „echtem EFM“ könne man, so Hellich, dann sprechen, wenn es „actionable“ sei. Also zum einen regele, wie auf welches Feedback zu reagieren ist. Und zum anderen die Akteure des anbietenden Unternehmens genau mit den Informationen und Handlungsempfehlungen versorgt, die an der jeweiligen Position nötig sind. Hellich: „Das Reporting muss zur Hierarchieebene passen. Mitarbeiter in der Frontline, etwa die Verkäuferin im Schuhladen, brauchen knappe, rasche, eindeutige Infos, die sie im Tagesgeschäft nicht behindern und klare Anleitungen enthalten.“

Kundenrückmeldungen einzuholen und zu analysieren, um daraus Erkenntnisse für die Qualitätssicherung zu gewinnen oder gar Verkaufspotenziale zu heben, das ähnelt der Kombination aus analytischem und operativem Customer Relationship Management (CRM). In der Tat sieht Hellich seine Profession beim EFM mit seiner Handlungsrelevanz im Konvergenzbereich: „Fast muss man sich fragen: Ist das noch Marktforschung oder ist das nicht schon Marketing?“ Fest stehe jedenfalls, dass wir es mit einer „Evolution der Kundenbefragung“ zu tun hätten: Statt sperriger, großangelegter Umfragen würden inzwischen via EFM knappe, gezieltere Feedbacks eingeholt, mit zwei, drei geschlossenen Fragen und einem Element für die offene Rückmeldung – immer „eventgetrieben“, direkt im Anschluss an die Kundenerfahrung. Zu den aktivsten Branchen zählten neben der Automobilindustrie vor allem dienstleistungsintensive Bereiche mit vielen „Touchpoints“ wie die Telekommunikation, der Handel oder die Hotellerie. Inzwischen gebe es aber auch immer mehr mittelständische Unternehmen aus den B2B-Märkten, die sich mit EFM beschäftigten. „Ein Industriemaschinenhersteller, der global unterwegs ist, hat vielleicht zahlenmäßig eher wenige Kunden, aber rund um seine Produkte eine Vielzahl an Touchpoints – angefangen vom langwierigen Verkaufsprozess über Installation und Inbetriebnahme, Schulung, Wartung einer Maschine bis hin zu deren Rücknahme. Da ist es wichtig, definiert Feedback einzusammeln, zu analysieren und darauf zu reagieren.“

Doch EFM beschränkt sich nicht nur auf Befragungen. Ergänzend werden auch Kundenmeinungen einbezogen, die unaufgefordert vorliegen. Etwa bei Bewertungsportalen oder sozialen Medien wie Youtube oder Facebook. Dazu muss das System natürlich in der Lage sein, unstrukturierte Texte analysieren zu können – eine Funktion, die allerdings auch schon nötig ist, wenn offene Fragen aus Umfragen mit großen Teilnehmerzahlen unter die Lupe genommen werden müssen.

Skalierbarkeit ist daher auch ein wichtiges Element von EFM. So habe man es manchmal nur mit hunderten Befragter zu tun, je nach Unternehmen und Aufgabenstellung könne das, so Hellich, aber leicht in die Millionen gehen. Hinzu kommt, dass die Infos und Handlungsempfehlungen aus der Daten-Analyse dann auch noch für den jeweiligen Empfänger unterschiedlich aufbereitet werden müssten. Auch das können viele sein, „es gibt Unternehmen mit tausend Accounts und mehr“, die angepassten Zugriff auf die EFM-Daten brauchen, wie Hellich erläutert.

Ipsos hat daher neben den selbst entwickelten EFM-Systemen auch Lösungen von Partnern im Programm, die Big-Data-Anforderungen meistern – eben, wenn es darum geht, auch Kundenfeedbacks aus den sozialen Medien mit einzubeziehen. Dazu zählen Systeme wie die Engage Platform von Allegiance oder Produkte von Medallia.

Die Anforderungen hier sind aber alles andere als trivial, vor allem, wenn unstrukturierte Texte, etwa aus Facebook, in mehreren Sprachen vollautomatisch analysiert werden müssen. Hellich: „Das ist direkt in vielleicht sechs bis neun Sprachen möglich. Bei weiteren müsste dann zuvor automatisch übersetzt und dann erst analysiert werden, was natürlich nicht ohne Qualitätsverlust geht.“

Feedback aus und für Social Media

Nicht nur Feedback aus sozialen Medien findet Berücksichtigung, sondern umgekehrt wird auch Feedback aus Befragungen in die Sozialen Medien zurückgespielt. „Unsere Kollegen im Ausland führen bereits Projekte durch, bei denen geeignete Statements offener Nennungen aus Befragungen dann automatisch auch zu Bewertungspostings werden – dabei holen sich die Kollegen natürlich zuvor die Erlaubnis dazu ab“, sagt Hellich.

Ein gut aufgesetztes EFM kann an sich schon eine effektive Form der Wertschätzung von Kunden sein und damit die Kundenzufriedenheit erhöhen. „Viel entscheidender jedoch ist, welche Maßnahmen unsere Kunden unternehmen, um die Customer Experience zu verbessern, um mithin positives Feedback zu erhalten. Dabei gilt: Kunden immer zufriedener zu machen, ist nicht unbedingt sinnvoll“, sagt Hellich. „Es kann viel Geld kosten, Kunden zufriedener zu machen, aber nicht zwingend zu Mehreinnahmen führen. Die Erforschung, welche Auswirkungen verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Customer Experience auf den Ertrag haben und sich mithin lohnen, ist daher vielleicht die wichtigste Aufgabe im Zusammenhang mit EFM.“

Einen wichtigen, wenn auch nicht immer exakt messbaren Wert habe gut implementiertes Enterprise Feedback Management auf jeden Fall – es ändere nicht nur beim Konsumenten, sondern vor allem beim einsetzenden Unternehmen etwas: „Die ganze Organisation wird kundenzentrierter. Wer stets das Feedback sieht und erkennt, wie hoch der eigene Einfluss ist, geht bewusster mit den Kunden um.“

Hellich weiß, wovon er spricht. Denn natürlich setzt auch Ipsos auf EFM, um die eigene Arbeit kundenorientierter zu machen. „Bei uns geht die Projekt-Bewertung unser Kunden in die Zielvereinbarungen ein.“