Editorial zur absatzwirtschaft 11/2016: Ein Geschäftsmodell zerlegt sich selbst

Lange Zeit waren Geldanlagen in unseren großen Kreditinstituten im Wortsinn eine sichere Bank. Das Konto bei einem der führenden Geldhäuser galt für Unternehmer wie Privatpersonen als Visitenkarte ihrer Wirtschaftskraft, der Ruf dieser Banken schien beinahe unerschütterlich. Doch seit der Lehman-Pleite regieren Unruhe und Verunsicherung die Finanzmärkte. In der aktuellen Titelgeschichte geht es um das Bankengeschäft und den Aufstieg und Fall von Fintechs.
Wie sieht das Bankenmodell von morgen aus?

Der Raubtierkapitalismus hat 2008 sein Geld fressendes Gesicht gezeigt, und unter den Folgen leiden vor allem die Endkunden. Die sind zwar, zumindest hierzulande, am allerwenigsten für die faulen Kredite und gigantischen Verluste verantwortlich. Dennoch haben sie die Zeche für eine grenzenlose Profitgier der institutionellen Zocker zu zahlen. Und das gleich doppelt: in Form von Steuern bei der Bankenrettung und jetzt durch Schikanen bei der Kreditvergabe. Eine neue EU-Richtlinie sieht vor, dass Schuldner etwa Immobiliendarlehen viel weitreichender absichern müssen als bislang.

Die Löcher in Bilanzen stopfen

Bankangestellte stöhnen, dass es ihnen oft kaum noch möglich ist, Best Agern bester Bonität Geld für eine Eigentumswohnung zu verschaffen – und das trotz Niedrigzinsen und boomender Wirtschaft! Ein klassisches Paradoxon: Trotz großer Nachfrage und einem Überangebot an billigem Geld gibt es kein ausreichendes Angebot. Die Banken haben aufgrund der Mini-Margen kaum Interesse, daran etwas zu ändern, und scheinen vor allem damit beschäftigt, die Löcher in den Bilanzen zu stopfen, die ihre eigenen Finanzjongleure gerissen haben.

Start-up-Szene brütet längst Ideen aus

Eine Schieflage, die für die Geldhäuser dramatisch enden könnte. Denn die Start-up-Szene brütet längst Ideen aus, die Kreditinstitute, wie wir sie kennen, überflüssig machen sollen. Die Bitcoin-Bewegung war ein Warnschuss vor den Bug der selbstgefälligen Großbanken. Inzwischen sind Tausende ernst zu nehmender Fintech-Projekte unterwegs, um das globale Finanzsystem zu revolutionieren. Das tradierte Geschäftsmodell der Geld- und Kreditindustrie wird dabei – auf lange Sicht – zerstört, in seine Einzelteile zerlegt und neu aufgebaut. Das Ergebnis, so bleibt zu hoffen, wird seriöser und kundenfreundlicher sein als der Status quo.

Was der Gründergeist schon heute bewirkt, haben wir in unserer Titelgeschichte (ab S. 22) zusammengetragen. Wichtigste Erkenntnis: Unser Smartphone wird immer mehr zur Schaltzentrale unseres Geldmanagements. Und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis Kredite auch via Crowdfunding angeboten werden und ein smarter Algorithmus das rigide Vergabesystem der Banken ersetzt. Letztere haben wie alle von der digitalen Disruption betroffenen Dienstleistungen zwei Alternativen: von den Start-ups lernen und sich zum Teil der Bewegung zu machen – oder von der Entwicklung überrollt zu werden.

In der aktuellen Ausgabe der absatzwirtschaft 11/2016 geht es in der Titelgeschichte um das Bankengeschäft und den Aufstieg und Fall von Fintechs. Die aktuelle Ausgabe erhalten Sie HIER.