Drei Pfeiler des Verkaufserfolgs: ZMOT, FMOT und SMOT

Customer-Centric Marketing, Personas, Touchpoints – die Welt der Customer-Journey ist mindestens so spannend wie hochkomplex. Sie verlangt nach Erklärung. Was hinter den wichtigsten Begriffen steckt und wie Unternehmen am besten mit ihrer Kundenreise starten.
Bei jedem Produkt durchlaufen wir verschiedene Touchpoints - auch bei Schokolade. (© iStockphoto)

Die Verbesserung der Customer-Experience hat für viele Managerinnen und Manager oberste Priorität. Was ist das jedoch eigentlich, diese Customer-Experience? Und wie lässt sie sich Schritt für Schritt verbessern? Hier hilft der Ansatz des Customer-Journey-Mapping – eine Customer-Journey bricht nämlich den schwer greifbaren Begriff der Customer-Experience in sogenannte Touchpoints runter. Touch­points bilden die Berührungspunkte zwischen einer Konsumentin oder einem Konsumenten und dem eigenen Produkt, der Dienstleistung oder einem Wettbewerbsangebot ab. Die einzelnen Touch­points können dann so bespielt werden, dass Konsumentinnen und Konsumenten eine positive Erfahrung haben und zu loyalen Kundinnen und Kunden werden. Das Resultat eines Customer-Journey-Mappings ist in der Regel eine scheinbar unendliche Aneinanderreihung von Post-its, wobei ein Post-it genau einen Touchpoint abbildet. Aber welchen Touch­points sollte man Aufmerksamkeit schenken? Und in welchen Touchpoints liegt das größte Potenzial?

Vom ZMOT zum FMOT zum SMOT

Die fiktive vegane Schokoladenmarke „Vegan Delight“ erstellt eine Customer-Journey für folgende Persona: Andrea (35 Jahre alt und Mutter zweier Kinder) hat entschieden, dass die Familie sich zukünftig vegan ernährt. Sie ist auf der Suche nach veganen Alternativen, auch für Schokolade. Von der ersten Idee für vegane Schokolade über die Recherche bis hin zum Kauf und zur Verwendung als Backzutat und Dessert durchläuft Andrea unzählige Touchpoints, die sie mit Vegan Delight, aber auch mit Wettbewerbern in Berührung bringt. Was sind die wichtigsten Touchpoints in An­dreas Customer-Journey, die Vegan Delight im Auge behalten sollte?

Der erste wichtige Touchpoint wird Zero-Moment-of-Truth (ZMOT) genannt. Hier kommen Konsumentinnen und Konsumenten das erste Mal mit der Marke in Berührung. Umgangssprachlich würde man das wohl als den ersten guten Eindruck bezeichnen. Wie kann Vegan Delight sicherstellen, dass Andrea all die relevanten Informationen über die Marke und deren Produkte erhält? Und wie erfährt Andrea erstmalig von dem Angebot von Vegan Delight?

Schließlich geht Andrea in den Bioeinkaufsladen um die Ecke. Im Schokoregal findet sie neben dem Produkt ihres Interesses auch noch Schokoladen von Mitwettbewerbern. Dies ist der First-Moment-of-Truth (FMOT) – hier treffen Konsumentinnen und Konsumenten eine Produktauswahl. Für die Optimierung dieses Touchpoints heißt das: Wie kann Vegan Delight beeinflussen, dass Andrea in diesem Moment wirklich zur eigenen Marke greift? Regalplatzierung? Auffällige Verpackung? Und wie sollte die Warenpräsentation ausgestaltet sein? Andrea hat sich dann tatsächlich für Vegan Delight entschieden. Daheim wird die neue Schokolade nach dem ­Mittagessen als kleines Dessert gereicht. Die Verwendung des Produkts wird als ­Second-Moment-of-Truth bezeichnet (SMOT). Was kann Vegan Delight dafür tun, damit Andrea wirklich mit ­ihrer Wahl zufrieden ist? Qualität? ­Verpackung?

Das Konzept von ZMOT, FMOT und SMOT wurde von P&G, einem Hersteller, in die Welt gesetzt. Die Gedanken der Auffindbarkeit (ZMOT) und der Warenpräsentation (FMOT) sind jedoch auch relevant für (Online-)Händler, die versuchen, die Customer-Experience mittels der Customer-Journey zu verbessern. Der ZMOT, FMOT und SMOT sollte generell im Auge behalten werden, da dies die Touchpoints sind, an denen Konsumentinnen und Konsumenten leicht zu Wettbewerbern abwandern.

Painpoints und Gainpoints

In der Regel werden zuerst die Touch­points identifiziert, die in den Augen der jeweiligen Konsumentinnen und Konsumenten ihre Erwartungen nicht erfüllen – etwa beim Online-Check-out, bei Lieferoptionen, bei der Qualität oder der Verpackung. Dies sind die Painpoints, und die gilt es auf ein akzeptables Niveau zu bringen: Denn wenn der Online-Check-out nicht reibungslos funktioniert, dann wechseln Konsumentinnen und Konsumenten schneller zu Amazon, als man sich vor­stellen kann. Bei der Bearbeitung von Painpoints gilt es, Kundenansprüche zu erfüllen und die Kundschaft zufriedenzustellen. Es handelt sich hierbei um Hygiene­kriterien.

Es gibt jedoch auch Touchpoints, die geeignet sind, Begeisterung unter Käuferinnen und Käufern auszulösen. Dies sind die sogenannten Gainpoints – die Touchpoints, an denen Konsumentinnen und Konsumenten eigentlich nichts erwarten. Sie werden hier überrascht und ihre Erwartungen übererfüllt. Es geht also nicht um Kundenzufriedenheit (wie bei den Pain­points), sondern um Kundenbegeisterung. Und sie führt unter anderem zu loyaleren Kundinnen und Kunden.

Stellen wir uns Martin vor, der im Online-Store der fiktiven Marke „Angelina Lola“ neue Bettwäsche bestellt. Nachdem er auf „Bestellung abschliessen“ geklickt hat, passiert bis zur Lieferung nichts, abgesehen von ein paar Zustellungsankündigungen und unerwünschter Werbung. Martin erhält unerwarteterweise zwei Tage vor der Lieferung der Bettwäsche ein kleines Paket mit Socken. Auf den Socken liest er die Anmerkung: „Damit du bis zu deiner Lieferung nicht frieren musst.“ Angelina Lola hat hier einen neuen Touchpoint eingeführt. Martin hat dies nicht erwartet, teilt ein Bild auf Instagram und erzählt seinen Freunden begeistert davon beim Abendessen. Dies ist ein Gainpoint – Kundinnen und Kunden haben hier eigentlich keine Erwartungen und werden positiv überrascht.

Der ZMOT, FMOT, SMOT und das Konzept der Painpoints und Gainpoints liefern erste gute Ansatzpunkte für die Auswahl der wichtigsten Touchpoints. Bei deren Optimierung sollte aber auch nicht zu viel Perfektionismus an den Tag gelegt werden. Man findet immer eine Ausnahme, und die Customer-Journey wird nie auf alle Konsumentinnen und Konsumenten gleichermaßen zutreffen. Denn die Customer-Journey bleibt ein Modell – und ein Modell ist immer eine Reduktion der Komplexität.

Johanna Gollnhofer ©Uni St. Gallen

Johanna Gollnhofer leitet das Institut für Marketing und Customer Insight an der Universität St. Gallen. Die Forschungsschwerpunkte der Kulturwissenschaftlerin und Betriebswirtin gelten qualitativen Ansätzen in der Konsumentenforschung sowie Zukunftsthemen in Handel, Health-Care, Industrie und Sharing-Economy.

Dieser Text erschien zuerst im Handelsjournal.