Die Wandlung von einer Messe zum Medium: Dmexco-Macher wollen eine ganzjährig präsente Marke schaffen

Nach dem plötzlichen Abgang von Frank Schneider und Christian Muche hatte die neu formierte Spitze um Chefberater Dominik Matyka nicht viel Zeit, um Ausstellern und Partnern den Kurs der Messe näherzubringen. Im Interview mit der absatzwirtschaft sprechen er und Philipp Hilbig, verantwortlich für Expo & Operations, über die Messe als Marke und das Verhältnis zu den Online Marketing Rockstars.
Plan des Führungsteams: Die Dmexco soll nach der Vision von Matyka (l.) und Hilbig als ganzjährige Marke auftreten

Worum geht es dann konkret?

Matyka: Am Ende des Tages geht es um Relevanz. Und die bekommst du als Marke nur dann, wenn du deine Zielgruppen genau kennst und weißt, dass diese Zielgruppen sehr heterogen sind. Auf dieser Erkenntnis aufbauend müssen wir unser Produkt individualisierter gestalten. Das geht nur mit kontinuierlicher Kommunikation. Kein Event der Welt kann den Bedürfnissen aller Partner und Besucher gleichermaßen gerecht werden. Individualisierung bedeutet für uns nichts anderes, als künftig im Vorfeld genauer zu wissen, welche Bedürfnisse und Erwartungen jeder Teilnehmer hat. Und ihm mit diesem Wissen dann einen spezifischen Mehrwert anzubieten.

Welche Bedürfnisse sind das?

Hilbig: Der eine möchte Neukunden treffen, der andere Bestandskunden, wieder der andere möchte über Produkte sprechen, ein weiterer eher über Partnerschaften. Der eine will einen internationalen CMO treffen, der andere möchte einen nationalen Agenturchef kontakten. Wir sind uns bewusst, dass wir innerhalb unserer rund 40.000 Besucher mindestens neun verschiedene Zielgruppen haben. Wenn man das noch eine Stufe herunterbricht, haben auch unterschiedliche Personen verschiedene Schwerpunkte. Da die Balance zu schaffen, sowohl seitens der Konferenz als auch in der Verbindung der Interessen der Besucher und dem Angebot der Aussteller, ist eine Herausforderung, die über die Zeit gelöst wird.
Matyka: Schaffen wollen wir das durch Zuhören, mehr Dialog und eben auch durch Content-Marketing. Zum Beispiel unser neuer Podcast in Kooperation mit der RMS: Den machen wir nicht, weil Podcasts hip und cool sind. Für uns sind sie ein weiterer Kanal, dem Aussteller oder Partner die Möglichkeit zu geben, die aufgebaute Reichweite innerhalb der Community zu erweitern und Menschen zu erreichen, die dann auf der Messe auf sie zukommen können. Ähnlich handhaben wir das beim Blog oder mit unserem Eventkalender. Ziel ist, dass Besucher ganz schnell herausfinden, welche Inhalte die Dmexco zu ihrem Thema zu bieten hat, egal ob Keynote, ein Seminar, eine Podcastfolge, ein Speakervideo oder ein Blogartikel. Unser komplettes Angebot muss transparent sein.

Das ist nicht despektierlich gegenüber den Rockstars gemeint, aber mehr Aussteller vor Ort bedeuten mehr Business auf der Messe

Was sind die wichtigsten Innovationen der Dmexco?

Hilbig: Eine Neuerung, die dieses Jahr als Format hinzukommt, ist die World of Agencies. Dort wollen wir kleineren und mittelständischen Agenturen die Möglichkeit geben, in einem attraktiven Set auf der Messe auszustellen. Dazu kommt das komplett neue und in Kooperation mit Samsung SDS installierte Digital Signage auf dem Gelände der Koelnmesse. Wir haben es erstmals zur Gamescom eingesetzt und freuen uns jetzt, auch den Besuchern der Dmexco über die digitalen Screens eine bessere Orientierung zu geben.
Matyka: Unsere neue Corporate Identity sowie die veränderte Tonalität im Dialog mit unserer Community: Dazu zählt das Du in der Ansprache, unser Motto Take C.A.R.E., das gleichzeitig auch unsere Werte widerspiegelt, sowie die neue Webseite. Punkt zwei bildet unsere Content-Offensive. Wir haben seit Juni bis zur Messe fast 100 Stories publiziert, einen Podcast gestartet und einen Event-Kalender für Side- und Partnerevents ins Leben gerufen. Außerdem streamen wir das Conference-Programm auf alle großen Stages sowie aus zwei Seminarräumen.

Neben der Dmexco gibt es ein zweites großes Event rund um Digital-Marketing, das der Online Marketing Rockstars (OMR). An das Festival musste ich denken, als Sie von einer ganzjährig aktiven Marke gesprochen haben. Ist das OMR Festival samt Marke ein Vorbild – oder Konkurrenz?

Matyka: Philipp Westermeyer, den ich persönlich schon lange kenne und schätze, und sein OMR-Team machen einen prima Job. Aber ich finde, dass man beide Events nicht miteinander vergleichen sollte. Es gibt eine ganze Reihe von Unterschieden. Das fängt ganz banal bei Zeit und Ort an, viel entscheidender aber ist der Charakter der Veranstaltung. Wir sind – und das haben wir von vielen Ausstellern gespiegelt bekommen – das “Most Transactional Event” unserer Branche. Die OMR hingegen hat einen viel stärkeren Festival-Charakter. Bei uns stellen mehr als dreimal so viele Unternehmen aus. Das ist nicht despektierlich gegenüber den Rockstars gemeint, aber mehr Aussteller vor Ort bedeuten mehr Business auf der Messe. Die Frage „OMR oder Dmexco?“ ist aus meiner Sicht auch falsch. Beide Events haben ihre absolute Berechtigung. Warum können wir in Deutschland nicht einfach stolz sein, dass wir Gastgeber für zwei Veranstaltungen dieser Größenordnung sind. Wenn ihr die OMR wirklich vergleichen wollt, warum eigentlich nicht mit der neuen CeBIT?

Gibt es dennoch Punkte, bei denen Sie sagen, da kann man sich an der Marke OMR orientieren?

Matyka: Mal ehrlich und etwas unbescheiden: Als die Rockstars starteten, hat die Dmexco bereits die Branche gerockt. Sie spielt in einer globalen Liga mit den Cannes Lions, der CES, dem Mobile World Congress oder der SXSW. Wir müssen uns vor allem an den Bedürfnissen unserer Aussteller und Besucher orientieren, nicht an anderen Events. Wenn wir diesen Job gut erledigen, spielt die Musik in Köln.

Aber was die Besucherzahlen angeht, ist das OMR Festival im Bereich der Dmexco unterwegs. Da kann von klein nicht die Rede sein.

Matyka: Es gibt immer zwei Komponenten: Quantität und Qualität. Eine Größenordnung von 40.000 Besuchern ist super, wenn es die ,Richtigen‘ sind. Betrachtet man die Besucher von der Dmexco und OMR im Vergleich in einem Koordinatensystem, in dem die X-Achse das Alter und die Y-Achse die Internationalität bilden, liegen wir etwas weiter rechts oben, sind also älter und internationaler. Die Rockstars liegen eher unten links, sind also nationaler und jünger. Da ist weder richtig noch falsch, es ist eben anders und dem jeweiligen Geschäftsmodell geschuldet. Auch deswegen ergibt der Vergleich zwischen unseren Events nicht wirklich Sinn.

Herr Hilbig, der Vergleich hinkt also?

Hilbig: Er hinkt auch deshalb, weil beide Events eine völlig unterschiedliche Herkunft haben. Die Dmexco ist als klassische Messe gestartet und entwickelt sich jetzt in Richtung Medium weiter. Wir hatten erst die Aussteller und die Konferenz und bauen jetzt die Plattform aus. Die Rockstars sind ein Publishing-Haus, sie bauen Portale und flanschen daran dann Events an. Beides sind unterschiedliche Wege innerhalb der digitalen Wertschöpfungskette, die sich stetig neu erfindet. Alle großen Events, egal ob es sich um die SXSW, den Mobile World Congress oder auch Cannes handelt, haben sich im Laufe ihrer Geschichte verändert. Das ist völlig normal. Und Content Marketing und Kundenfokussierung haben wir beide ja nicht exklusiv erfunden. Tesla kopiert doch nicht den Toyota Prius, nur weil sie ein Elektroauto bauen.

Wie muss die Dmexco in diesem Jahr ablaufen, damit Sie am ersten Abend nach Ende der Messe zufrieden sind?

Matyka: Ich habe nur einen Wunsch: Dass die Besucher, Aussteller und Medien – in dieser Reihenfolge – merken: Hinter der Dmexco steht ein Team, das sich den Hintern aufreißt, das Leidenschaft hat und sehr hart daran arbeitet, die Bedürfnisse des Marktes zu bedienen. Es hört dem Markt zu, es bringt viel frischen Wind rein und hat den erkennbaren Willen, die Dmexco unternehmerisch weiter zu entwickeln. Wenn das passiert, bin ich total happy. Und die Roadmap ist prall gefüllt, und die Begeisterung auf neue Themen so ungebrochen, dass ich das erste “richtige” Resümee, zumindest für mich, gerne erst 2020 ziehen möchte.
Hilbig: Während der beiden Messetage fängt man ja schon immer viele Stimmen ein. Man bekommt ein Gefühl, wie die Stimmung in den Hallen und auf der Conference ist. Besonders befriedigend finde ich das Gefühl, wenn wir die individuellen Bedürfnisse unser Aussteller und Besucher erfüllen. Dabei können die Ziele völlig unterschiedlich sein. Dass Aussteller und Besucher diese Ziele erreichen, dafür arbeitet das komplette Team. Und wenn sich dieses Gefühl am Abend des zweiten Messetages einstellt, dann freue ich mich auf ein Kölsch mit dem Team.