Die Transformation der Autobranche nimmt Fahrt auf

Die Automobilindustrie befindet sich in einer beispiellosen Transformationsphase. Der Weg zu einer klimafreundlicheren Branche ist noch weit. Doch immerhin kommt Bewegung in den Markt: Konzerne von Daimler bis VW sowie deren Marken legen sich selbst Klimaziele auf oder investieren in nachhaltige Technologien, wie die jüngsten Entwicklungen zeigen.
Messstation für Luftqualität: Die Autobauer wollen zum Teil und müssen vor allem mehr für die Umwelt tun. (© Imago)

Erst am vergangenen Wochenende gab Daimler-Konzernchef Ola Källenius das Ziel aus, spätestens bis 2039 CO2-neutral zu sein. Dies sei inzwischen das „konservativste Szenario“, sagte der Manager in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der „Stuttgarter Zeitung“ und der „Stuttgarter Nachrichten“. „Wir schauen uns verschiedene Szenarien an, die noch progressiver sind.“ Der Konzern werde in diesem Jahr ein Strategie-Update geben, in dem die Umsetzungsgeschwindigkeit und die nächsten Schritte erläutert würden. „Wir haben da sehr ambitionierte Pläne.“

Daimler-Chef Källenius hat „sehr ambitionierte Pläne“ für den Klimaschutz. (Foto: Daimler)

Nach Källenius‘ Worten wird es Autos mit Verbrennermotoren geben, so lange die Märkte oder die Ladeinfrastruktur noch nicht den Punkt erreicht haben, komplett auf Elektrofahrzeuge umzusteigen. Entscheidend sei, wie man die Technik mit einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis auf die Straße bekomme. Die Arbeit dafür müsse in diesem Jahrzehnt erledigt werden, sagte der schwedische Manager. „Das heißt: Wir werden bis 2030 bereit sein, alle Marktsegmente von der A-Klasse bis zur S-Klasse mit Elektrofahrzeugen abdecken zu können. Wir brauchen aber schnelle Fortschritte bei der Ladeinfrastruktur.“

Daimler hat sich bisher vorgenommen, dass spätestens 2039 die gesamte Neuwagenflotte von Mercedes-Benz CO2-neutral sein soll. Für die Produktion soll das schon ab 2022 gelten.

Porsche baut ab 2024 Hochleistungs-Batteriezellen

Daimler-Wettbewerber Porsche stellt derweil seit einiger Zeit konsequent auf Elektro um. Künftig will der Sportwagenbauer auch die entsprechenden Hochleistungs-Batteriezellen fertigen und perspektivisch auch in Serienfahrzeuge einbauen. Das teilte Porsche-Chef Oliver Blume am Montag im baden-württembergischen Weissach bei der Vorstellung der Pläne für eine Batteriefabrik mit, die voraussichtlich in Tübingen entsteht.

Die Produktion soll im Jahr 2024 beginnen. Die geplante Fabrik soll einmal eine Kapazität von 100 Megawattstunden pro Jahr erreichen. Das seien Batteriezellen für 1000 Autos, beispielsweise für Fahrzeuge im Bereich des Motorsports oder Sondermodelle. An dem neuen Gemeinschaftsunternehmen Cellforce Group hält Porsche 83,75 Prozent der Anteile und den Rest die Fraunhofer-Ausgründung Customcells aus Itzehoe in Schleswig-Holstein, hieß es.

Porsche-Chef Blume will ein Batteriewerk in Tübingen errichten. (Foto: Porsche)

Der Staat fördert das Vorhaben mit 60 Millionen Euro an Steuergeldern. Zwei Drittel der Summe kommt vom Bund, ein Drittel vom Land. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, von dem Bau der Fabrik gehe ein starkes Signal aus. An Baden-Württemberg gehe bei der Batterie kein Weg vorbei.

Die geplante Fabrik sei nicht Teil der geplanten sechs Batteriezellwerke von Volkswagen, sagte Blume weiter. Im März hatte VW angekündigt, in Europa bis 2030 mit Partnern insgesamt sechs Batteriezellwerke hochziehen zu wollen, um den steigenden Bedarf zu decken. Die vier weiteren Standorte neben Salzgitter und Skellefteå in Schweden stehen offiziell noch nicht fest, entsprechende Beratungen laufen zurzeit.

Volvo will mit VW-Beteiligung Northvolt Batteriefabrik bauen

Ähnliche Pläne wie bei Porsche gibt es bei Volvo. Der schwedische Autobauer will mit dem Volkswagen-Batteriepartner Northvolt ein Gemeinschaftsunternehmen gründen. Das zu gleichen Teilen von beiden Firmen gehaltene Joint Venture soll 2022 in einem Forschungs- und Entwicklungszentrum seine Arbeit aufnehmen, wie Volvo und Northvolt am Montag in Stockholm ankündigten. Zudem wollen die Unternehmen in Europa eine Batteriezellen-Gigafabrik mit einer Akku-Kapazität von jährlich bis zu 50 Gigawattstunden hochziehen, in dem die Produktion 2026 starten soll.

Ab 2024 will Volvo außerdem 15 Gigawattstunden an Batterieleistung aus dem Northvolt-Werk im nordschwedischen Skelleftea beziehen, das Northvolt mit VW betreibt. Der Volkswagen-Konzern ist zu einem Fünftel an Northvolt beteiligt und hatte kürzlich erst eine weitere halbe Milliarde Euro in die Schweden investiert. Das Werk in Skelleftea ist mittlerweile auf 60 Gigawattstunden an Akkus pro Jahr ausgelegt, von denen 40 Gigawattstunden für Volkswagen vorgesehen sind.

Volvo-Chef Samuelsson peilt eine Versorgung mit nachhaltigeren Batteriezellen für reine Elektroautos an. (Foto: Volvo)

Volvo will die eigenen Autos sowie die der Elektro-Luxusmarke Polestar mit Batterien aus dem Joint Venture bestücken. Polestar betreiben die Schweden zusammen mit dem chinesischen Mutterkonzern Geely. Die neue Batterie-Gigafabrik soll allein mit erneuerbaren Energien betrieben werden und um die 3000 Arbeitsplätze schaffen. „Durch die Zusammenarbeit mit Northvolt werden wir die Versorgung mit hochqualitativen und nachhaltigeren Batteriezellen für unsere reinen Elektroautos sicherstellen“, sagte Volvo-Chef Hakan Samuelsson.

Andere Hersteller wie die Volkswagen-Tochter Audi hatten jüngst zudem angekündigt, Mitte des Jahrzehnts den letzten Verbrenner auf den Markt zu bringen. Ab 2032 oder 2033 will der Ingolstädter Konzern weltweit dann nur noch Fahrzeuge mit Elektroantrieb verkaufen.

BMW-Chef warnt vor „Schrumpfungskurs“ bei frühem Verbrennerabschied

BMW-Chef Oliver Zipse verteidigt dagegen weiterhin die Strategie seines Konzerns, langsamer als die Wettbewerber aus der Produktion klassischer Verbrennermotoren auszusteigen. „Die wahren Entscheider in unserer Industrie sind die Kunden. Und die sollte man nie aus den Augen verlieren“, sagte der Manager am Montag in einem Interview der „Passauer Neuen Presse“ und des „Donaukuriers“.

BMW-Chef Zipse: „Die wahren Entscheider in unserer Industrie sind die Kunden.“ (Foto: BMW)

Dabei verwies Zipse auf die Pläne des Münchner Konzerns, 2030 die Hälfte der Autos mit rein batterieelektrischem Antrieb zu verkaufen. „Wenn ein Hersteller dann kein Verbrennerangebot mehr hat, dann geht ihm das halbe Marktvolumen verloren, und er befindet sich auf einem unternehmerischen Schrumpfungskurs.“ Zwar werde es in den kommenden 15 Jahren Städte, Regionen und Länder geben, in denen sich der Transformationsprozess zur Elektromobilität vollständig vollziehe. Aber in der Summe der weltweit 140 BMW-Märkte werde das nicht der Fall sein.

Automarken haben Defizite bei klimafreundlicher Wahrnehmung

Aus Sicht von Experten ist die Transformation der Automobilbranche zwingend notwendig. Dr. Wolfgang Gruel, Professor am Institute for Mobility and Digital Innovation der HdM in Stuttgart, riet Autoherstellern jüngst im absatzwirtschaft-Interview beispielsweise, sich stärker auf das Thema Mobilität zu fokussieren, „und zwar aus einer nicht nur autogetriebenen Perspektive“.

In der Außenwahrnehmung scheinen die Autobauer trotz großer Ankündigungen ihrer CEOs zu mehr Klimafreundlichkeit derweil noch Defizite zu haben. Bei einer Ende Mai veröffentlichten Studie des Nürnberger Marktforschungsunternehmens Puls wurden 1042 Autokäufer in Deutschland befragt, ob und inwieweit sich die Anstrengungen der Automobilbranche im Bereich Klimafreundlichkeit auch in der Kundenwahrnehmung niederschlägt.

Die Ergebnisse zeigen, dass Automarken und Händler bestenfalls auf dem Weg sind, mit Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit von sich reden zu machen. So bekunden überschaubare 34 beziehungsweise 31 Prozent, dass ihre Automarke beziehungsweise ihr Automobilhändler für klimafreundliche Autos und Mobilität stehen. Autokäuferinnen attestieren ihren Automarken (31 Prozent) und Autohändlern (27 Prozent) sogar noch weniger Klimafreundlichkeit.

Studie: Mobilitätswende schafft mehr Arbeitsplätze als verloren gehen

Abseits der Markenstrategien umtreibt die Angst um den möglichen Wegfall von Arbeitsplätzen viele Arbeitnehmer in der Automobilindustrie. Eine vom Klimaschutz und der Digitalisierung getriebene Mobilitätswende in Deutschland wird nach jüngsten Berechnungen von Wissenschaftlern bis zum Jahr 2040 jedoch mehr Arbeitsplätze schaffen als vernichten. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie des, Bundesinstituts für Berufsbildung, der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung sowie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

„Nach unserem Szenario geht der Umbau hin zu einer ökologischeren Mobilität zudem nicht – wie eine erste Vermutung insbesondere mit Blick auf den Automobilstandort Deutschland befürchten ließe – mit einem Arbeitsplatzabbau, sondern sogar mit einem Zuwachs an Beschäftigung einher“, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Forschungsbericht. Das Szenario basiert auf der Grundlage von Annahmen, die sich wiederum auf Experteninterviews und Literatur stützen.

Im Jahr 2040 werde der Prozess zu rund 220.000 wegfallenden und 280.000 zusätzlich aufgebauten Arbeitsplätzen geführt haben. Insbesondere Arbeitsplätze in Verkehr und Logistik, dem Baugewerbe und der Lagerwirtschaft profitierten. Arbeitsplätze im Autohandel oder auch die Zahl der Lastwagenfahrer gingen stark zurück, weil sich autonom fahrende Systeme durchsetzten.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.